Interview

Del Bosque über „Galácticos”: „Zidane hatte einen besonderen, durchdringenden Blick”

Seit Jahren ist es ruhig um einen der erfolgreichsten Trainer in Real Madrids und Spaniens Geschichte, der seit 2016 sein Rentnerdasein genießt. Nun erinnerte sich Vicente del Bosque in einem Interview an seine Zeit bei den Königlichen, im Speziellen an die Ära der Galácticos.

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Spain's coach Vicente del Bosque looks on prior to the FIFA World Cup 2014 qualifying football match Spain vs Georgia at the Carlos del Monte stadium in Albacete on October 15, 2013. AFP PHOTO/ JOSE JORDAN (Photo credit should read JOSE JORDAN/AFP/Getty Images)
Als Spieler und Trainer gewann Vicente del Bosque mit Real Madrid 16 Titel – Foto: JOSE JORDAN/AFP/Getty Images

Kein schlechtes Wort über Real Madrid

Als Spieler hinterließ er schon große Spuren bei Real Madrid, doch den meisten ist er vor allem als einer der erfolgreichsten Trainer der Königlichen in Erinnerung, denn Vicente del Bosque steht bis heute für die erfolgreiche Phase der galaktischen Ära des Hauptstadtklubs. Zwei Champions-League-Titel und zwei spanische Meisterschaften gewann der 1950 in Salamanca geborene Spanier mit Real, wurde dazu Welt- und Europameister als spanischer Nationaltrainer – eine lebende Legende des spanischen Fußballs. Seit er sich 2016 aus dem Fußball komplett zurückgezogen hatte, ist es ruhig um del Bosque, der schon als Aktiver immer lieber den anderen die große Bühne überließ. Nun sprach der 74-Jährige in einem Interview mit dem Portal Flashscore ausführlich über seine Zeit als Trainer der Blancos, erinnerte sich speziell an die schillerndsten Figuren aus der berühmten Ära der Galácticos.

Da das Gespräch wenige Tage nach Real Madrids Derbypleite bei Atlético (2:5) stattfand, lehnte del Bosque es gleich zu Beginn des Interviews ab, über die tagesaktuellen Themen rund um seinen Ex-Klub zu sprechen: „Nein, nein, nein, bevor Sie überhaupt fragen: Ich will ein guter Ex sein und habe viele Jahre lang versucht, ein guter Ex zu sein. Es reicht, dass Real Madrid diese Woche 2:5 verloren hat, und deshalb werden wir nicht über dieses Spiel sprechen.”

„Zidane hatte es anfangs schwer”

Umso lieber erinnerte sich der legendäre Coach an seine Zeit auf der Bank der Merengues, die er zwischen 1999 und 2003 trainierte, vor allem an einige Details aus der Zeit der „Galácticos” um Zinédine Zidane. Wenn er an den Franzosen als Spieler zurückdenkt, fällt del Bosque vor allem dessen mittlerweile berühmte, beinahe mystische Aura ein: „Er war zurückhaltend, still, hatte aber einen einzigartigen, durchdringenden Blick, und das hilft einem auch, die Spieler zu verstehen, wie sie sind. Wir sind alle unterschiedlich. Zidane wollte immer sein Bestes geben, dachte aber immer zuerst an die Mannschaft, die das Wichtigste ist.“  In der Kabine sei „Zizou“ jedoch ein fröhlicher Typ mit feinem Sinn für Humor gewesen.

Obwohl Zidane als einer der größten Spieler in Real Madrids Geschichte gilt, waren die Anfänge in Madrid wohl alles andere als einfach. „Er kam als einer der großen Neuzugänge des Vereins und war ein fantastischer Spieler. Zidane war sehr anspruchsvoll gegenüber sich selbst und seinen Mitspielern. Und ich glaube, dass es ihm anfangs ein wenig schwerfiel, sich anzupassen. Er kam aus dem italienischen Fußball, mit einem anderen Spielstil und einer anderen Art, das Training zu verstehen. Zu Beginn hatte er ers schwer, sich an uns gewöhnen“, schildert del Bosque, um direkt danach zu betonen: „Wenn wir ihn aber jetzt fragen würden, wo es ihm besser gefallen hat, bei Juventus oder bei Real Madrid, würde er sicher sagen, bei Real Madrid. Da bin ich mir sicher.“ 

Große Sympathien für Ronaldo

Ein gänzlich anderer Charakter als Zidane war zweifellos Ronaldo Nazario, der del Bosque immer wieder als den Trainer bezeichnet, der ihn am besten verstanden habe. Und wenn der ehemalige Fußballlehrer über „O Fenômeno” spricht, haucht ein Lächeln über sein Gesicht: „Ich habe ihn sehr gut verstanden, ja. Es ist in meinen Augen sehr wichtig, dass in einer Umkleidekabine Herzlichkeit, Zuneigung und ein gutes Miteinander herrschen. Ein gesundes Arbeitsklima ist wichtig, damit wir Ergebnisse erzielen können. Warum müssen wir den ganzen Tag herumschreien und warum müssen wir den ganzen Tag sauer aufeinander sein? Man muss jeden so akzeptieren, wie er ist. Und Ronaldo ist für mich eines der Beispiele für Spieler, die glücklich sein mussten, um gut Fußball spielen zu können.“ Er habe mit dem Stürmer nie Probleme gehabt, im Gegenteil – Ronaldo sei unter ihm immer fleißig und gehorsam gewesen.

Ronaldo Nazario bezeichnet del Bosque als seinen Lieblingstrainer – Foto: David Ramos/Getty Images

Keine Probleme mit Anelka

Der Umgang mit großen Namen und unterschiedlichen, teils auch schwierigen Charakteren galt seit jeher als eine der großen Stärken des Trainers Vicente del Bosque. Ob bei Real Madrid oder in der spanischen Nationalmannschaft, hielt der Spielerversteher als eine Art Vaterfigur seine Kabine immer erfolgreich zusammen. Als besonders schwierig galt in der Öffentlichkeit Nicolas Anelka, den del Bosque in der Saison 1999/20 in Madrid trainierte, doch auch über das französische Enfant terrible urteilt sein Ex-Coach milde: „Möglicherweise war er einer dieser Spieler, die nicht unbedingt widerspenstig, aber weniger emotional sind, obwohl er uns keine übermäßigen Probleme bereitet hat. Er war ein guter Junge,und obwohl er wegen einer Kleinigkeit für ein oder zwei Wochen aus der Mannschaft ausgeschlossen war, hat er uns später auch geholfen, die Champions League zu gewinnen, das dürfen wir nicht vergessen. Ich schätze ihn auch sehr, wir alle haben schleißlich unsere kleinen Macken.“

„Nach Figo ist alles möglich”

Nach dem besagten Triumph des spanischen Rekordmeisters in der Königsklasse erschütterte ein Wechsel die Fußballwelt in ihren Grundfesten – der Transfer von Luis Figo vom FC Barcelona zu Real Madrid im Sommer 2000 gilt bis heute als einer der spektakulärsten und schockantesten in der Historie des modernen Fußballs. Typisch für ihn, hält del Bosque, Figos erster Trainer an der Concha Espina, auch hier den Ball flach: „Im Fußball gibt es Dinge, die unmöglich erscheinen. Ein Spieler von Barcelona, der von den Menschen in Barcelona so geliebt wurde, kommt plötzlich zu Real Madrid – das scheint ein wenig zu schockieren, aber man muss das ganz gelassen sehen. Das ist in beide Richtungen passiert, Luis Enrique hat beispielsweise kurz zuvor auch Real Madrid in Richtung Barcelona verlassen. Es sind Situationen, die in beide Richtungen vorgekommen sind.“ 

Figos Ankunft habe die Situation in der Kabine damals keineswegs verändert, der Star wurde laut del Bosque auf Anhieb gut aufgenommen und sich gut integriert. Ob er sich heutzutage einen ähnlichen Wechsel von Barça zu Madrid oder umgekehrt vorstellen kann? „Ja, ich glaube schon, dass das passieren kann. Es kann jederzeit passieren. Nachdem wir das mit Figo erlebt haben, würde uns wohl nichts mehr so dramatisch erscheinen“, so del Bosque in seiner unnachahmlichen Gelassenheit.

 

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Kommentare
Für mich eins der größten What-Ifs im Weltfußball: Was wenn Florentino Anfang der 2000er einen fähigen Sportdirektor mitentscheiden lässt, welche Stars geholt werden sollen. Stellt euch mal zB folgendes Team vor:

-----------Raul-------R9-------------
------Zizou-----------------Figo--------
--------Makelele-----Seedorf------------
Carlos---Hierro-----Nesta----Salgado
---------------Casillas-----------------

Trainer: Natürlich Del Bosque

Dafür hätte man "nur" Claude und Clarence behalten müssen und mit Nesta einen Star-IV holen. Wenn unbedingt nötig Beckham gegen Figo "tauschen" und einen Star-RV gegen Salgado. Aber im Grunde wäre dieses Team unschlagbar gewesen.

Das Team hätte alles gehabt: Spanier & Stars, Kreativität & Kampf, Offensive & Defensive …

Naja, sorry für den kurzen Ausflug in ein Galactico-Paralleluniversum.
 

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