
Ronaldo, Kassai – und Marcelo
MADRID. Der 18. April 2017 ist mit Sicherheit einer der bedeutendsten Tage in der jüngeren Geschichte Real Madrids: In einem hochdramatischen Match bezwangen die Königlichen damals im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League den FC Bayern München mit 4:2 nach Verlängerung und legten so endgültig den Grundstein zur historischen Titelverteidigung in der Königsklasse. Neben Hattrick-Held Cristiano Ronaldo stand an jenem Abend im Bernabéu vor allem Schiedsrichter Viktor Kassai im Mittelpunkt, der durch Fehlentscheidungen auf beiden Seiten das Spiel maßgeblich beeinflusste und im Anschluss an die Begegnung für reichlich Gesprächsstoff sorgte. Und dann war da noch ein gewisser Marcelo, seines Zeichens Linksverteidiger der Blancos, der sich an diesem Abend ebenfalls in die Geschichtsbücher spielen sollte. Indem er das Spiel seines Lebens machte und die vielleicht beste Performance eines Außenverteidigers in der Geschichte der Champions League zeigte. REAL TOTAL blickt zurück auf einen historischen Abend.
Ein Albtraum für Lahm und Robben
Im zidane’schen 4-1-2-1-2 nominell als Linksverteidiger aufgeboten, war der Brasilianer in diesem Spiel ein wahrer Tausendsassa: Egal ob als Verteidiger, Flügelspieler, zeitweise als Torhüter und am Ende auch noch als Spielmacher – Marcelo war in diesem Spiel einfach überall zu finden. Doch der Reihe nach.
Bereits früh im Spiel stand Reals Nummer 12 im Mittelpunkt, als er einen Thiago-Abschluss im Fünfmeterraum blockte und so die frühe Führung der Bayern, die zunächst besser ins Spiel fanden, verhinderte. Mit zunehmender Spieldauer konnten sich die Madrilenen jedoch immer besser vom bajuwarischen Druck befreien, was neben der Ballsicherheit und individuellen Klasse von Toni Kroos, Luka Modrić und Isco vor allem auch an Reals Linksverteidiger lag. Dieser riss einerseits durch seine technische Raffinesse immer wieder Lücken und kreierte mithilfe der nach links driftenden Isco, Benzema und Ronaldo immer wieder Überzahl auf den Flügeln. Sowohl Marcelos Dribblings (er sollte am Ende des Abends neun (!) Dribblings komplettiert haben) als auch dessen Tiefenläufe waren ein permanenter Gefahrenherd für Bayerns Defensive. Philipp Lahm, defensiv vermutlich der beste Außenverteidiger der 2010’er Jahre, sollte an diesem Abend kein Land sehen.
Noch ein Stück weit frustrierender dürfte der Abend für Arjen Robben gewesen sein, denn auch defensiv war an diesem Abend kaum ein Vorbeikommen am Brasilianer. Marcelo stand eigentlich immer richtig, lief unzählige Passwege zu, gewann eine Vielzahl an direkten Duellen und kratzte in Halbzeit zwei auch noch einen Chip vom völlig freien Robben von der Torlinie, um diesen kurz vor Ende der regulären Spielzeit sprichwörtlich in die Knie zu zwingen und mit einem Übersteiger ganz alt aussehen zu lassen.
Ein episches Solo als Krönung
Und all das tat der Brasilianer mit einer Leichtigkeit und Beständigkeit, die jeden Beobachter an diesem Abend schlichtweg mit heruntergelassener Kinnlade zurückließ. Wie unermüdlich der damals 28-Jährige das Spiel der Königlichen antrieb, mit welcher Energie und Leidenschaft er agierte, war einfach nur eines: Beeindruckend. Zu behaupten, jeder Angriff, an dem er beteiligt war, sorgte für Gefahr vor Bayerns Gehäuse, wäre in keinster Weise eine Übertreibung – weil es tatsächlich so war. Nicht Cristiano Ronaldo, Luka Modrić oder Toni Kroos waren Reals Motor an diesem historischen Abend, es war der brasilianische Linksverteidiger, der als verkappter Spielmacher auf der Außenbahn die Bayern, ein Team gespickt mit absoluter Weltklasse, in die Knie zwingen sollte.
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Dass er mit einem epischen Solo durch Bayerns gesamte (zugegebenermaßen ausgelaugte) Hintermannschaft letzten Endes auch noch das vorentscheidende 3:2 durch Ronaldo in Weltklasse-Manier auflegte, passte an diesem Abend ins Bild. Es war die Krönung einer perfekten Leistung, die neue Maßstäbe für die Position des Außenverteidigers setzen und Marcelos Legendenstauts in Madrids endgültig besiegeln sollte.
In einem Atemzug mit Carlos, Maldini und Lahm
Die Mischung aus Spielfreude, Kreativität und technischer Extraklasse gepaart mit extremer Leidenschaft und einer nahezu heroischen Aufopferung für das Team machten den Brasilianer zum heimlichen Helden des Abends und irgendwo auch ein Stück weit zum Symbol für Reals historische Titelverteidigung. Denn man sollte nicht vergessen, dass Marcelo bereits die Monate zuvor auf einem unheimlich hohen Niveau agierte und auch im weiteren Saisonverlauf eine der prägenden Figuren darstellte.
Dennoch wird jenes Spiel gegen Bayern mit Blick auf sein Vermächtnis immer eine besondere Rolle einnehmen. Denn der charismatische Lockenkopf erreichte an diesem Abend Außergewöhnliches: Er spielte sich endgültig in die Sphären eines Roberto Carlos, Paulo Maldini oder Philipp Lahms. Wird man zukünftig nämlich über den besten Außenverteidiger der Welt diskutieren, wird man zwangsläufig auf den 18. April 2017 zu sprechen kommen – als ein gewisser Marcelo Marcelo Vieira da Silva das Spiel seines Lebens machte und eine Performance für die Ewigkeit hinlegte.
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