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„Ancelotti hat meine Sichtweise auf den Fußball verändert“

Andrea Pirlo kann das Duell mit Real Madrid kaum erwarten. Der Grund: das Wiedersehen mit seinem Ex-Trainer Carlo Ancelotti, der für ihn „wie ein Vater sei“. Im Gespräch mit diversen Pressevertretern plauderte der 35-Jährige außerdem über seine Sicht auf den Fußball sowie seine Vorbilder und analysierte das Aufeinandertreffen mit dem spanischen Rekordmeister.

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Andrea Pirlo pflegt ein besonderes Verhältnis zu Carlo Ancelotti

„Ancelotti ist wie ein Vater für mich“

TURIN. Viel sprechen muss Andrea Pirlo nicht. Das tut er mit seinen Füßen. Mit seiner Aura. Seiner Genialität, die jedes Team, in dem er spielt(e), auf ein anderes Level hebt. Dabei ist der Italiener nicht die Art von Fußballer, der wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi die Fans durch viele Tore oder spektakuläre Dribblings von den Sitzen reißt. Er arbeitet im Verborgenen und lässt die anderen glänzen. Durch präszisionsgenaue Diagonalbälle über das halbe Feld. Durch perfekt getimte Freistöße von atemberaubender Schönheit. Durch Schnittstellenpässe, die von solch leichtfüßiger Eleganz zeugen, dass dem Zuschauer oftmals die Kinnlade herunterklappt. Und auch neben dem Platz überzeugt der 35-Jährige mit Klasse statt durch Glanz und Glamour. Und darum lieben ihn die Leute.

Weil dieser Italiener mit den schulterlangen Haaren und dem Vollbart zu einer aussterbenden Rasse gehört im Fußballgeschäft: Pirlo besitzt eine immense Ausstrahlung und Charisma ohne sich dabei zu verstellen und seine Authenzität aufs Spiel zu setzen; auf und neben dem Platz. „Warum ich ein Vorbild bin?“, wurde der Dirigent des Turiner Spiels bei seinem Auftritt vor der Presse vor dem Hinspiel zwischen der „Alten Dame“ und Real Madrid gefragt, „vielleicht, weil ich mich immer gut benommen habe, auf und neben dem Feld. Schließlich ist es das, was die Leute wollen: behagliche Dinge sehen.

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Was viele nicht wissen: Ohne einen gewissen Carlo Ancelotti würde es diesen genialen Mittelfeld-Strategen womöglich gar nicht geben. Dieser war es nämlich, der „l’architetto“ beim AC Mailand auf die etwas defensiver ausgerichtete Sechser-Position beorderte, wofür Pirlo ihm heute noch dankbar ist: „Ancelotti ist wie ein Vater für mich. Er ließ mich die Position wechseln und änderte meine Sicht auf den Fußball. Ich identifiziere mich mit ihm. Er ist eine sehr wichtige Person für mich. Ich sehe, dass er dasselbe mit anderen Spielern gemacht hat, die keine zentralen Mittelfeldspieler waren und es jetzt sind.

„Ronaldo? Messi? Mein Idol ist Baggio“

Seine Sicht auf das Spiel sei dadruch insgesamt globaler geworden. Wer Fußball aus individueller Perspektiver betrachte, mache einen Fehler. Wie das Beispiel Ángel Di María in der letzten Saison gezeigt habe, sei er nicht der einzige Spieler, der unter Ancelotti diesen Schritt vollzogen habe: „Fußball ist ein Teamsport. Nicht alle verstehen das. Wenn du dich für das Team aufopferst, ist alles möglich. Mit mir hat er das geschafft und so wie ich das sehe, auch mit aktuellen Spielern bei Real. Arbeit und Opferbereitschaft, das ist es, was man braucht. Vergangene Saison passierte das mit Di María und dieses Jahr mit anderen Spielern. Sie sind offensiv, aber dass sie rennen müssen, ist in ihrem Kopf.

Dementsprechend fällt auch die Meinung des Altmeisters über die zur Zeit als weltbeste Fußballer geltenden Ronaldo und Messi aus. Individuell seien die beiden unerreicht, er bevorzuge jedoch Spielertypen, die das Kollektiv besser machen: „Ronaldo und Messi sind aus einer anderen Welt, von einer anderen Kategorie. Es bleibt einem fast nichts anderes übrig als ihnen zu gratulieren und ihnen zu sagen, wie gut sie sind. Sie duellieren sich in einer anderen Dimension. Der eine schießt zwei Tore, dann macht der andere drei. Für mich ist der beste Fußballer derjenige, der an das Team denkt. Spieler wie (Andres) Iniesta oder Xavi spielen Pässe, verbünden sich und suchen das Spiel im Kollektiv. Mein Idol? (Roberto) Baggio.

Atlético als Vorbild

Auch mit Blick auf die erste Partie (Dienstag, 20:45 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker) fällt das Statement Pirlos erwartungsgemäß nüchtern aus. Man müsse bedenken, dass es auch noch ein Rückspiel zu absolvieren gibt und deshalb das Risiko entsprechend abwägen: „Wir müssen ruhig bleiben, intelligent agieren und daran denken, dass wir vor 180 Minuten stehen. Wir können nicht wie die Verrückten da raus gehen und die Entscheidung im ersten Spiel suchen. Wir gehen das etappenweise an, spielen gut, legen eine großartige Spielzeit hin.

Als Vorbild dienen könnte dabei Atlético Madrid, die in dieser Saison die Königlichen oftmals zur Verzweiflung brachten und auch im letztjährigen Finale erst in der Nachspielzeit geknackt werden konnten. Eine besondere Rolle sieht der Weltmeister von 2006 dabei auf Teamkollege Carlos Tévez zukommen: „Juve hatte diese Möglichkeit seit Jahren nicht mehr. Wir haben vier Liga-Titel in Serie gewonnen und jetzt ist es an der Zeit mit dem Traum von der Champions League den Höhepunkt zu erreichen. Dem Beispiel, dem wir folgen sollten, ist Atlético, die bis zwei Minuten vor Schluss eigentlich der Champion waren. Als wir die Spielzeit begannen, wussten wir, dass wir, trotz des Abgangs von (Antonio) Conte und der vielen Wechsel, etwas Bedeutendes erreichen können. Tévez ist ein Großer, einer der besten der Welt. Er hat es bei Juventus, City und United gezeigt. Er ist ein Schlüsselspieler für uns.

Die Favoritenrolle gebühre aber weiterhin natürlich den Blancos. Schließlich treffe man auf den größten Klub der Welt, bei dem er einst selbst beinahe gelandet wäre und den er schon immer bewunderte: „Überall auf der Welt triffst du einen Fan und fragst: ‚Wer ist die beste Mannschaft?‘ Und er antwortet dir: ‚Real Madrid.‘ Da gibt es keine Zweifel, das ist der größte Klub der Welt. Meine erste Erinnerung an Real waren die Partien gegen Milan, das 5:0 (für Mailand 1989; d. Red.) im San Siro.

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

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