
Kleine Veränderungen, große Wirkung
Dass im Fußball auf höchstem Niveau oft Kleinigkeiten entscheiden und feine Details eine große Wirkung entfalten können, ist wahrlich keine wahnsinnig neue Erkenntnis. Oftmals reicht eine geniale Einzelaktion, ein tödlicher Pass oder eine Standardsituation, um komplette Spielverläufe auf den Kopf zu stellen. Und manchmal reicht eine kleine taktische Umstellung oder personelle Änderung, um die komplette Dynamik des Spiels einer Mannschaft auf links zu drehen.
So geschehen auch bei Real Madrid, das im Copa-Clásico vor Wochenfrist plötzlich in einem fluiden 4-2-3-1 antrat und vor allem mit der Hereinnahme von Rodrygo Goes auf dem rechten Flügel für große Kopfschmerzen beim Gegner aus Barcelona sorgte. Am Ende stand ein denkwürdiges 4:0 auf der Anzeigetafel, das zu großen Teilen auch auf Carlo Ancelottis systematische Anpassungen zurückzuführen war. Neben der Integration von Rodrygo auf der rechten Seite sind hier vor allem das Zurückziehen von Federico Valverde ins Mittelfeld sowie Eduardo Camavingas Aufstellung als Linksverteidiger zu nennen, die das Spiel der Königlichen enorm stabilisierten und zahlreiche Positive Impulse brachten.
Und das, was er im Clásico gesehen hatte, schien Ancelotti so gut gefallen zu haben, dass er gegen Chelsea nun dieselbe Formation ins Rennen schickte. Ein Plan, der vollends aufging und an dessen Ende ein hochverdientes (fast schon zu niedriges) 2:0 stand. Neben der offensiven Spielfreude gefiel dabei vor allem die mannschaftliche Geschlossenheit, mit der man Chelsea nur wenige Tormöglichkeiten ermöglichte. Es war gar eines der ersten Male, dass man die Präsenz des im Sommer gen Manchester abgewanderten Casemiro in großen Spielen nicht wirklich vermisste.
Rodrygo verändert Reals Statik zum Positiven
Ancelotti zeigte sich nach der Partie jedenfalls hochzufrieden und lobte die durch die Umstellungen neu gewonnen Balance des Teams: „Ich glaube, es gibt Spiele, mit denen wir mit den drei Stürmern viele Chancen herausspielen müssen. Ich glaube, dass Kroos dir als Sechser sehr beim Spielaufbau und im Positionsspiel hilft. Vielleicht leiden wir dann defensiv ein bisschen mehr, aber das gleicht sich mit kollektivem Einsatz wieder aus. Von Kroos‘ Position hängt also sehr die Arbeit ab, die die Stürmer leisten, vor allem die von Vinícius (Júnior) und auch Rodrygo (Goes), damit das Team kompakt ist. Und ich glaube, der Plan ist aufgegangen.“
Rodrygos positiver Einfluss ist aber zuallererst natürlich offensiver Natur, da er dem Angriffsspiel der Blancos mehr Vertikalität und vor allem Variabilität verleiht und sein Pendant Vinícius enorm entlastet. Egal ob durch seine Dribblings oder seine Qualitäten im Kurzpassspiel, der Brasilianer verändert die Statik des Spiels der Königlichen und sorgt auf diese Weise für mehr Unberechenbarkeit und vor allem Zug zum gegnerischen Tor.
Im Mittelfeld hält Valverde mit seiner Laufstärke, Physis und Robustheit Toni Kroos und Luka Modrić einerseits den Rücken frei, stellt mit seinen Ballschlepper-Qualitäten und Torgefahr aus der zweiten Reihe aber auch eine enorme Gefahr für den Gegner im Umschaltspiel dar. Der Uruguayer überzeugte gegen Chelsea in beide Richtungen und verdiente sich nach dem Spiel gar ein Sonderlob von Ancelotti: „Für mich war er heute der Beste auf dem Spielfeld, er hat viel Energie ins Spiel gebracht und war sehr aufmerksam auf seiner Position. Defensiv hat er gemeinsam mit (Toni) Kroos sehr gut agiert. Nach den ersten zehn Minuten haben wir die Positionen hinten ein bisschen verändert und er war großartig in der Balleroberung.“
Vinícius profitiert von Camavinga
Und dann ist da noch ein gewisser Eduardo Camavinga, der sich auf der für ihn eigentlich ungewohnten Linksverteidiger-Position immer besser zurecht findet und durch sein einzigartiges Spielerprofil insbesondere Vordermann Vinícius Júnior eine große Hilfe ist. Wenngleich sich defensiv hier und da die eine oder andere Unzulänglichkeit im Stellungsspiel einschleicht, stellt der Franzose durch seine Mischung aus technischer Raffinesse, spielerischer Qualität und physischer Robustheit die perfekte Ergänzung zu Vinícius dar. Camavinga ist sowohl in der Lage, das Zentrum zu überladen und durch seine technischen Fertigkeiten besondere Momente zu kreieren, als auch durch Tiefenläufe entsprechende Räume zu schaffen. Hinzu kommt seine besondere Stärke im defensiven Eins-gegen-Eins, die über die wenigen Unzulänglichkeiten im Stellungsspiel hinweg sehen lassen und wodurch er Vinícius hervorragend den Rücken freihalten kann.
Hat Ancelotti erneut die Formel für den großen Wurf gefunden?
Es scheint, als hätte Ancelotti nach einigen Experimenten in dieser Spielzeit endlich die Formation gefunden, mit der er Casemiros defensive Präsenz in den großen Spielen kollektiv auffangen und gleichzeitig für mehr offensive Variabilität sorgen kann. Und auch wenn der Weg zu einem erneuten Happy End noch weit und natürlich noch lange nichts gewonnen ist, wecken diese letzten Auftritte enorme Hoffnungen. Und es wäre ja nicht das erste Mal, dass Ancelotti, nachdem er sich seine Gala-Elf zusammengebastelt hat, zum ganz großen Wurf ansetzt.
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