Analyse

Ancelottis Spiel mit dem Feuer – und um seine Zukunft

Die Meisterschaft in weiter Ferne, in der Copa mit dem Rücken zur Wand und in der Champions League noch einen weiten Weg vor sich. Real Madrid stehen entscheidende und harte Wochen bevor, eine Saison ohne großen Titel scheint durchaus realistisch. Dementsprechend kämpft Carlo Ancelotti in den nächsten Wochen auch um seine Zukunft. Die defizitäre Kaderplanung ist dabei keine große Hilfe.

725
Steht vor entscheidenden Wochen: Carlo Ancelotti – Foto: CRISTINA QUICLER/AFP via Getty Images

Die Torflaute wird zum strukturellen Problem

Am Ende stand wieder einmal eine Analyse, die man so oder so ähnlich schon öfters in dieser Spielzeit gehört hat. Vorne hat uns die Effizienz gefehlt, das fehlt uns im Moment. (…) Heute hätten wir treffen können, weil wir drei, vier sehr klare Chancen hatten. Hinten haben wir es gut gemacht, dort sind wir im Moment viel besser. Es fehlt die Balance“, resümierte Carlo Ancelotti im Anschluss an das 0:0 bei Real Betis, das den nächsten Punktverlust sowie den nächsten Rückschlag im Meisterrennen bedeutete. Wieder einmal war man das vermeintlich bessere und spielbestimmende Team, ohne letzten Endes die nötige Durchschlagskraft vor dem gegnerischen Gehäuse zu entwickeln. Ein Problem, das sich bereits durch einen Großteil der Saison zieht, oftmals jedoch durch die vorhandene individuelle Klasse kompensiert werden konnte. In den letzten Wochen war dies allerdings immer seltener der Fall, langsam aber sicher entwickelt sich die mangelnde Torgefahr zu einem strukturellen Problem der Blancos – und somit auch für Ancelotti.

Zusammenfassung | Alle Videos

Rodrygo vs Betis

Video-Highlights: Betis 0:0 Real Madrid

Kann Real Madrid nicht mehr gewinnen? Im dritten Spiel in Folge patzen die Königlichen und... weiterlesen

Während man sich gegen die „Béticos“ doch zumindest drei bis vier gute Einschussmöglichkeiten erarbeitete, verzeichnete man gegen den FC Barcelona im Pokal bekanntlich keinen einzigen Schuss aufs Tor und traf gegen Atlético (1:1) erst nach einer Standardsituation. Und auch in den Partien davor blieb man mit Ausnahme des Sieges gegen Schlusslicht Elche entweder torlos (0:0 gegen Real Sociedad und 0:1 gegen Mallorca) oder traf erst sehr spät in der Begegnung (2:0 gegen Osasuna). Für Ancelotti gilt es jene Problematik nun schnell in den Griff zu bekommen, denn sonst droht die nächste Saison ohne großen Titel.

Defizite in der Kaderplanung machen sich bemerkbar

Allein Ancelotti den schwarzen Peter in dieser Hinsicht zuzuschieben, würde natürlich viel zu kurz greifen. Auch die Kaderplanung – und das ist ebenfalls nichts Neues – als Ganzes gilt es zu hinterfragen. Hierbei ist einerseits die große Baustelle auf den Außenverteidiger-Positionen zu nennen, wo sich die Königlichen in den letzten Wochen immer wieder mit Notlösungen herumschlagen mussten. Andererseits natürlich die mangelnden Alternativen im Sturm beziehungsweise das Fehlen eines echten rechten Flügels, der ein entsprechendes Pendant zu Vinícius Júnior bilden und den Brasilianer somit entlasten könnte.

Ebenjene strukturellen Probleme machten sich die Gegner der Königlichen in den letzten Wochen immer wieder zu Nutze. Weil Vinícius meist nur unzureichende Unterstützung von seinem Partner auf der linken Seite erhielt, konnte Reals Linksaußen immer wieder gedoppelt und somit effektiv aus dem Spiel genommen werden. Da auf der Gegenseite selten ein Spieler die nötige Breite hielt und die Blancos sich immer wieder Richtung Zentrum orientierten oder die linke Seite zu überladen versuchten, machte man es dem Gegner relativ einfach, im tiefen Block und aus einer guten Kompaktheit heraus, das eigene Tor zu verteidigen. In Sevilla versuchte Ancelotti dieser Problematik mit dem etwas dynamischeren Camavinga entgegenzuwirken, wodurch Vinícius deutlich mehr Aktionen hatte als zuletzt gegen Barcelona, die anderen Unzulänglichkeiten im Madrider Spiel aber nicht vollends kompensiert werden konnten.

Warum lässt Ancelotti Ceballos nicht von der Leine?

Eine dieser Unzulänglichkeiten war die enorme Statik im sowie die fehlende Kreativität aus dem Mittelfeld. Rodrygo, der diesmal im Zentrum auflief, kam zwar immer wieder in aussichtsreiche Positionen zwischen den Linien, weil Valverde jedoch die rechte Seite nicht konsequent hielt, fehlte es wieder mal an der nötigen Breite, um Kapital aus diesen Situationen zu schlagen. Da mit Toni Kroos und Aurélien Tchouaméni zudem zwei Mittelfeldspieler auf dem Feld standen, die eher für ihre strategischen Fähigkeiten denn ihre Torgefahr bekannt sind, mangelte es zudem bei vielen Durchbrüchen über Außen an der nötigen Torgefahr, weil sowohl der Strafraum als auch der Rückraum nur unzureichend besetzt waren.

Bezeichnend, dass die mehr oder weniger größte Torchance der Königlichen in der Partie der eingewechselte Daniel Ceballos hatte, der nach Vorlage von Carvajal mit einem Abschluss aus dem Rückraum das Tor nur knapp verpasste. Apropos Ceballos: Es war wie allzu oft in den letzten Wochen. Sobald Ceballos auf dem Feld stand, gewann das Spiel der Blancos merklich an Vertikalität und Kreativität. Und es stellt sich die unweigerlich die Frage: Warum lässt Ancelotti den besten und formstärksten Mittelfeldspieler der letzten Monate in den wichtigen Spielen immer wieder draußen, obwohl er der Mannschaft mit seiner Energie und teils unkonventionellen Spielart so derart gut tut?

Der Italiener sollte aufpassen, dass ihm seine Nibelungentreue zu den älteren Spielern letztendlich nicht auf die Füße fällt. Auch wenn Ancelotti bekannt dafür ist, seinen altgedienten Akteuren bis zum bitteren Ende zu vertrauen, muss er sich in den anstehenden großen Partien im Sinne der Mannschaft vermutlich zwischen Kroos und Luka Modrić entscheiden. Denn einen Ceballos in dieser Form darf man eigentlich nicht draußen lassen. Zumal er genau das mitbringt, was dem Spiel seiner Mannschaft zuletzt oftmals abging: Kreativität, Vertikalität und Torgefahr.

Späte Wechsel sorgen für Kritik

Neben den Personalentscheidungen ist da zudem noch ein weiterer Grund, der Ancelottis Rückhalt innerhalb des Vereins bröckeln lässt: Die späten Wechsel in der Partie, die zumeist erst erfolgen, wenn es kaum noch möglich ist, entscheidend in das Spiel einzugreifen. So wurde Sturmjuwel Álvaro Rodríguez, der mit seiner Kopfballstärke und Fähigkeit, Bälle festzumachen, durchaus ein belebendes Element sein kann, gegen Barcelona erst in der 84. und gegen Betis in der 87. Minute eingewechselt – großartige Impulse sind hier selbstredend nur schwer möglich.

Ancelottis Festhalten am immergleichen Personal und seine Sturheit in manchen taktischen respektive personellen Fragen ist wahrlich keine Neuigkeit. Wie er in den kommenden, entscheidenden Wochen damit umgeht, könnte aber entscheidenden Einfluss auf seine Zukunft haben. Denn fest steht: Holen die Blancos in dieser Saison keinen großen Titel, dürfte die zweite Etappe des Italieners an der Concha Espina beendet sein. Der Meisterkampf ist wohl vorbei, doch sowohl in der Copa als auch in der Champions League ist der Titel noch im Bereich des Möglichen – wenngleich man in ersterem Wettbewerb mit dem Rücken zur Wand steht und zweiterer nicht planbar ist. Um am Ende der Saison Silberware in der Hand zu halten, muss Ancelotti an ein paar Stellschrauben drehen und möglicherweise auch die eine oder andere unpopuläre Entscheidung treffen. Denn aktuell spielt er mit dem Feuer. Und um seine Zukunft.

Trainingsartikel und mehr von Real Madrid jetzt bestellen

0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes
von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

Kommentare
Ich finde Carlo macht es gut...was kann er dafür das der Kader so wenig brauchbar ist.

Gestern hätte nur Luka und Ceballos geholfen. Luka war gesperrt. Einzig der Einsatz von Tchouaméni war strittig. Wobei ich auch von einem starken Betis ausgegangen bin und so ein DM schon nützlich ist. Rest war gut.

Naja wie gesagt, der Kader gibt nicht viel her. Ich meine Lucas war lange verletzt und ist nicht sonderlich fit..bzw. kein Rhythmus. Dani hat in letzten spiel kein Werbung für sich gemacht.

Den Jungendspieler früher bringen und auf totale Offensive gehen bei Minute 60 würde ich auch nicht. Zumal der Gegner eigentlich auch immer offensiv ist bzw. war in der Vergangheit.

Ceballos hätte er aber durchaus früher bringen können. Mein einziger Kritikpunkt zum Spiel. Und das die Stürmer nicht treffen ist wahrlich nicht Carlo´s schuld. Die sind nach 9 spielen in 4 Wochen einfach überspielt und mental nicht frisch.
 
Ich finde Carlo macht es gut...was kann er dafür das der Kader so wenig brauchbar ist.

Gestern hätte nur Luka und Ceballos geholfen. Luka war gesperrt. Einzig der Einsatz von Tchouaméni war strittig. Wobei ich auch von einem starken Betis ausgegangen bin und so ein DM schon nützlich ist. Rest war gut.

Naja wie gesagt, der Kader gibt nicht viel her. Ich meine Lucas war lange verletzt und ist nicht sonderlich fit..bzw. kein Rhythmus. Dani hat in letzten spiel kein Werbung für sich gemacht.

Den Jungendspieler früher bringen und auf totale Offensive gehen bei Minute 60 würde ich auch nicht. Zumal der Gegner eigentlich auch immer offensiv ist bzw. war in der Vergangheit.

Ceballos hätte er aber durchaus früher bringen können. Mein einziger Kritikpunkt zum Spiel. Und das die Stürmer nicht treffen ist wahrlich nicht Carlo´s schuld. Die sind nach 9 spielen in 4 Wochen einfach überspielt und mental nicht frisch.
Ja, wenn dein Spiel von Anfang darauf passiert nicht viele Tore zu schießen oder Tempo Fußball zu spielen macht das ab der 60. auch keinen Sinn mehr.
Ich finde Carlo macht es gar nicht gut, die Ergebnisse waren nur besser als das was eigentlich geleistet wurde.
 
Danke für den Artikel!
Da kann man schon mal klatschen
200w.gif

Holt mir diesen Mann, bis Raul, Xabi oder Arbeloa, ready sind!​
 
Die eine Saisonfliege Carlo, erarbeitet sich weiter strebsam das Recht, von der Fliegenklatsche heimgesucht zu werden. Würde am liebsten am Saisonende Carlo, Kroos, Carvajal verabschieden. Modric und vor allem Benzema sehe ich ebenfalls zunehmend als entbehrlich an. Im Mittelfeld hat man den Umbruch angeschoben, ein besserer RV als der Dani der letzten Jahre, sollte zu finden sein, nur im Angriff mangelt es an Kandidaten. Es ist Zeit für lang genug aufgeschobene Konsequenzen, selbst bei einem weiteren CL oder Copa Sieg muss der Kader im größeren Umfang überarbeitet werden.
 
Leute, ich habe ein Dejavu. Dieselben Beiträge mit denselben Kritikpunkten erfolgten schon während Zidanes erster und natürlich auch zweiter Amtszeit. Keine Spielidee, nur Mentalität und individuelle Klasse. Und was ist seitdem passiert? Fast nichts, denn der Kader und die Startelf sind quasi immer noch dieselben. Es erfolgten nur kleine punktuelle Verstärkungen, aber es muss ein großer Strich (der viel zitierte ''UMBRUCH'') gezogen werden, wenn man oben mithalten möchte. Das ist aber auch nichts Neues für den interessierten RealTotal-Leser.
 
Leute, ich habe ein Dejavu. Dieselben Beiträge mit denselben Kritikpunkten erfolgten schon während Zidanes erster und natürlich auch zweiter Amtszeit. Keine Spielidee, nur Mentalität und individuelle Klasse. Und was ist passiert? Fast nichts, denn der Kader und die Startelf sind quasi immer noch dieselben. Es erfolgten nur kleine punktuelle Verstärkungen, aber es muss ein großer Strich gezogen werden, wenn man oben mithalten möchte.

ein großer strich ist sicherlich nicht nötig, es hätte auch diese saison schon gereicht wenn man spätestens im winter fran zurückgeholt hätte und vito für die RV hochgezogen. Alavaro öfter mal richtig spielen lassen und das MF immer mind. aus 2 dynamsichen MF spielern zu besetzen. Es braucht einfach einen trainer der die eier hat auch mal die jüngeren spieler, spielen zu lassen. Kroos und modric haben diese saison schon gezeigt wie gut sie noch sind, leider setzt carlo sie ständit falsch ein, besonders bei kroos ist es schlimm wie verblendet carlo ihn immer durchspielen lässt obwohl er wohl der MF spieler im kader ist der am wenigsten offensiv beiträgt.

hätte nichts dagegen tuchel zu holen und ihn raul als co trainer an die seite zu stellen. Wäre sicherlich ein sehr schöne kombi aus taktik fuchs und mentalitätsmonster. Dazu kommt das raul sehr viel lernen könnte.
 

Verwandte Artikel

Reals Titel-Fundament: Warum die Defensive den Unterschied macht

Real Madrid brennt in dieser Saison (noch) kein Offensivspektakel ab. Doch während...

Trotz García-Aufschwung: Real muss einen Linksverteidiger holen

Die bisherigen Auftritte von Real Madrid bei der FIFA Klub-WM haben einige...

Güler blüht auf: Wie Alonso den Spielmacher der Zukunft formt

Real Madrids 1:0-Erfolg über Juventus Turin im Achtelfinale der Klub-WM war kein...

Klub-Überblick: Basketballer historisch, Blancas vor Umbruch

Real Madrid besteht aus mehr als nur den Profis der ersten Fußball-Mannschaft....