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Boykott statt Fußballfest: Union-Fans beklagen sich über spanische Polizei

Man stelle sich vor, der eigene, geliebte Verein hat sein Champions-League-Spiel und das direkt im Estadio Santiago Bernabéu – aber man selbst boykottiert das Spiel wieder, weil das Drumherum untragbar war. So war am Mittwoch für manche Union-Fans eher Boykott statt Fußballfest angesagt, Schuld daran ist wohl die spanische Polizei, die nicht zum ersten Mal für Negativschlagzeilen sorgt.

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Union Berlin Fans im Bernabéu
Nicht alle Union-Fans waren im Gästeblock dabei – Foto: OSCAR DEL POZO/AFP via Getty Images

Wegen Polizei: Union-Fans boykottierten ihr CL-Debüt

„Union in Madrid“, beginnt der Bericht der Unioner Fan-Gruppe „HammerHearts 2004“. So richtig zu fassen war es tatsächlich nicht: Vor fünf Jahren noch in der zweiten Liga gespielt, erlebte der 1. FC Union am Mittwoch sein allererstes Champions-League-Spiel – und das direkt zu Gast beim 14-fachen Rekordsieger Real Madrid. Ein Traum für die Fans? Eigentlich ja, aber das erhoffte Fußballfest entwickelte sich für manche zu einem kleinen Albtraum. Und schuld daran war mal wieder die spanische Polizei, die in der Vergangenheit immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt hat, speziell wenn deutsche Klubs zu Besuch waren – und das nicht nur im Bernabéu.

So berichten die „HH04“ von einer „erhabenen Herrschaftsgewalt, die mit aller Macht gegen den Pöbel vorgeht“. Denn nicht alle Union-Fans konnten oder wollten dem Spiel beiwohnen, so berichtete auch DAZN-Kommentator Uli Hebel während der Partie, dass der Gästeblock nicht komplett gefüllt war, weil es Streit wegen einer angeblich gewaltverherrlichenden Zaunfahne gab. Auslöser für die Szenen rund um den Gästeblock „waren nicht zuletzt wir, da unsere Zaunfahne neben der des TSK nicht den Weg in den Block fand. Grund dafür war die Gewaltverherrlichung, welche man in den abgebildeten Fratzen sah“. Schlichtungsversuche haben nichts gebracht, stattdessen berichten die Union-Fans von eskalierenden Situationen: „Die Ansagen kamen energisch auf Spanisch und direkt danach folgte der Knüppel. Nicht um zu drohen, sondern um ihn in einer kooperierenden Menge auch auf Kopfhöhe einzusetzen. Im Zuge sämtlicher Maßnahmen kam es zum vollkommen überraschenden Einsatz von stark reizendem Pfefferöl ohne erkennbares Ziel.“

Knüppel, Pfefferöl, Schrotgewehre

„Ihre wahre Macht demonstrierten die Bullen dann aber mit dem im Anschlag halten von Schrotgewehren, befüllt mit Gummigeschossen, in ihren ersten Reihen. Nochmal: Ohne, dass vor Ort Gewalt unsererseits angewandt wurde.“ Als dann klar war, dass das mitgebracht Material tatsächlich nicht zugelassen wird, kam es in der zehnten Minuten zu einem Boykott und manche Union-Fans verließen Block und Stadion. „Die ganzen Mythen um das Bernabeu, das Kribbeln an diesem Tag und die Belohnung für die Treue in der jahrelangen sportlichen Bedeutungslosigkeit: Alles hin. Doch es gibt Dinge, die wichtiger sind und dabei können wir zusammenfassen, dass unsere Fratze nicht gewaltverherrlichend ist, sondern für Haltung, Selbstbestimmung und Werte steht.“ All das übrigens im Rahmen eines sportlich nicht ganz so brisanten ersten Gruppenspieltags zwischen zwei Vereinen, die sich noch nie begegnet sind und zwischen denen keine Fan-Feindschaft oder sonstige unterschiedlichen politischen und ethischen Ansichten herrschen. Auch sonst ist die Unioner Fanszene nicht als gewaltbereit bekannt.

Dabei waren die Szenen im Bernabéu nur der traurige Höhepunkt von dem, was sich direkt vor dem Spiel und vor dem Stadion angebahnt hatte. Zwar sah es tagsüber am Mittwoch und auch an den Tagen zuvor noch nach einem Fußballfest aus und die Union-Fans wurden in Madrid empfangen, aber in der Nähe des Bernabéus war es dann offensichtlich vorbei mit Gastfreundschaft. So wurde auch REAL TOTAL von einem Fan berichtet, der Gäste-Einlass sei „maximale Schikane. Wir werden hier wie Schwerverbrecher zusammengepfercht.“ Zwar fallen aufgrund der noch bis Dezember anhaltenden Umbauarbeiten gewisse Ein- und Zugänge aktuell etwas schmäler aus, aber der Gäste-Zugang auf der nördlichen Straße „Calle de Rafael Salgado“ hat schon oft für Probleme gesorgt. Einerseits weil spanische Polizisten, bei denen nicht alle Englisch sprechen können oder wollen, nach dem Motto „lieber auf Nummer sicher gehen“ zu agieren scheinen, andererseits weil man in Spanien mehr als tausend Gäste-Fans nur selten gewohnt ist. Aus Berlin waren aber deutlich mehr als 4.000 angereist, in den am Mittwoch ausverkauften Gästeblock passen aktuell 3.840 Zuschauer und Zuschauerinnen. Dazu kommt: Im Bernabéu ist seit einigen Jahren das Aufhängen von Fahnen und Bannern nicht mehr gestattet (außer im Block der vereinseigenen „Ultras“, den Grada Fans RMCF), einerseits um Sponsoren-Logos nicht zu überdecken, andererseits wohl auch um möglichen politischen Statements vorzubeugen.

Nicht die ersten Probleme im Bernabéu – welche Schuld hat Real?

Welche Mitschuld der Verein nun selbst an den immer wieder eskalierenden Szenen im Gästeblock trägt – in Erinnerung bleibt auch der Sturm des Gästeblocks einer gewalttätigen Polizei-Hundertschaft gegen die Bayern-Fans im Jahr 2017 – ist nicht klar. Zwar sind Polizei und UEFA primär für die Sicherheit und Abstellung der Polizei zuständig, aber auch Real Madrid hat die Organisation rund um den Gäste-Einlass mit zu verantworten. Unions CL-Debüt sollte ein Fußballfest werden, aber gewisse Dinge haben das verhindert. Und das unter anderem, weil die „Policia“ ihren berüchtigten Ruf, nicht zimperlichen zu sein, mal wieder bewiesen hat – zum Leidwesen der mitgereisten Fußballfans.

https://www.youtube.com/watch?v=oQ9osB4AXWk

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von
Nils Kern

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Kommentare
Peinlich und Real Madrids nicht würdig. Da sollte man besser auf seinen Ruf achten. Gastfreundschaft ist ja wohl das Mindeste.
 
Peinlich und Real Madrids nicht würdig. Da sollte man besser auf seinen Ruf achten. Gastfreundschaft ist ja wohl das Mindeste.
Was hat Real Madrid mit der Polizei und deren Umgang ausserhalb des Stadions zutun ? Du denkst doch nicht,das Real Madrid die Polizei angewiesen hatte ,die Union Fans extra zu schikanieren.
 
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