
364 Tage danach
DORTMUND. 9. April 2013: Champions League. Viertelfinale. Nach einem 0:0-Unentschieden im Hinspiel empfing Borussia Dortmund den FC Málaga zur alles entscheidenden zweiten Partie im heimischen Westfalenstadion. Bis kurz vor Schluss schien die Truppe aus Andalusien diejenige zu sein, die als strahlender Sieger vom Platz schreiten würde. Sie führte auswärts mit 2:1. Doch dann: Nachspielzeit, Marco Reus zum ersten, Dortmunds damaliger Innenverteidiger Felipe Santana zum zweiten. 3:2 für die Borussia. Das Stadion kochte nicht, es brannte förmlich. Es geschah das schier Unmögliche, es geschah, was keiner mehr für möglich hielt: ein Wunder. Der BVB im Halbfinale, Málaga fassungslos. Und ausgeschieden.
Heute ist der 8. April 2014. Fast ein Jahr ist vergangen. Und schon wieder war ein spanischer Vertreter im Rahmen des Champions-League-Viertelfinal-Rückspiels zu Gast im Hexenkessel des deutschen Traditionsvereins. Diesmal Real Madrid, das die Akteure von Jürgen Klopp in der ersten Begegnung 3:0 geschlagen hat. Halb Europa war sich sicher: Die Messe ist gelesen, die Wiese gemäht. Denkste. Wie vor 364 Tagen erlebte die Fußball-Welt ein weiteres Drama.
Verschossener Elfmeter gibt Spiel totale Wendung
Doch der Reihe nach. Auf Seiten der Merengues wirkte Superstar Cristiano Ronaldo, der das Abschlusstraining aufgrund von Schmerzen in der Patellasehne im linken Knie nach 20 Minuten abbrechen musste, wie es zu erwarten war nicht von Anfang an mit. Für den Portugiesen schickte Trainer Carlo Ancelotti Asier Illarramendi ins Rennen und beorderte Ángel Di María nach langer Zeit wieder in die Dreier-Angriffsreihe neben Karim Benzema und Gareth Bale. Das Mittelfeld füllten neben Illarramendi Xabi Alonso und Luka Modric aus, im Abwehrverbund verteidigten Daniel Carvajal, Pepe, Sergio Ramos und Fábio Coentrão vor Torwart und Kapitän Iker Casillas.
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Hinein ins Spiel, hinein in spannende und dramatische 90 Minuten. Real Madrid begann die Partie gut, agierte souverän. Die Strategie: Den Ball in den eigenen Reihen halten und den Gegner durch ein hohes Passspiel laufen lassen. Die erste Viertelstunde lang ging das so. Die Königlichen wussten, dass die Dortmunder auf ein frühes Tor pochten und konnten sie so lange vom eigenen Tor fernhalten. Führte auch dazu, dass sich das Spiel in der Anfangsphase vornehmlich im Mittelfeld abspielte. Viele Zweikämpfe, einige Foulspiele. Richtiger Fluss kam nicht in die Partie – bis zur 16. Minute, als Di María und Benzema gut von rechts übers Zentrum kombinierten und der mit nach vorne gerückte Linksverteidiger Coentrão den Ball erhielt, eine Flanke schlug und BVB-Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek sie unglücklich an die Hand bekam. Schiedsrichter Damir Skomina blies in seine Pfeife und zeigte auf den Punkt – zurecht Elfmeter für die Gäste aus Spanien! Weil Ronaldo nicht von Beginn an mitwirkte, durfte Di María zum fälligen Strafstoß antreten. Aber: Er scheiterte vor der mächtig gefüllten und lautstarken Südtribüne an Roman Weidenfeller (17.). Der Argentinier rutschte auf dem nassen Rasen aus, schoss nicht mit vollster Präzision in die rechte Ecke. Weidenfeller der gefeierte Held!
Dortmund wie im Rausch
Fast im Gegenzug passierte das, was im Fußball so häufig passiert: Wer seine eigenen Möglichkeiten nicht nutzt, wird mit Gegentoren bestraft. Robert Lewandowski, beim Hinspiel in Madrid noch gelbgesperrt außen vor, erwischte das Spielgerät im linken Real-Strafraum noch vor der Torauslinie, spielte es zurück auf Henrikh Mkhitaryan, der aus sechs Metern mit rechts nur ganz knapp neben das Gehäuse der Königlichen zielte. Ein großes Raunen ging durchs Westfalenstadion (19.). Die Westfalen ließen sich aber nicht klein kriegen, sie wurden immer offensiver und von ihren Fans getragen. Nur fünf Minuten später (24.) der erste riesengroße kollektive Jubel – auf Seiten der Dortmunder! Einen weiten Ball von Innenverteidiger Manuel Friedrich köpfte der derzeit so starke Pepe unglücklich und viel zu lasch nach hinten Richtung Casillas. Der Schlussmann eilte raus, doch inzwischen eroberte Reus das Leder, ging an Casillas vorbei und verwandelte zur 1:0-Führung. Real verschießt vom Punkt, Dortmund trifft. An Dramaturgie nicht zu überbieten.
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Der BVB kannte in der Folge selbstverständlich nur einen einzigen Weg: den nach vorne, den vor das Tor des neunfachen Champions-League-Triumphators. Eine Torannäherung nach der anderen, eine Chance nach der anderen. Doch immer wieder bewahrte „San Iker“ seine Elf dank herausragender und reaktionsschneller Paraden vor dem nächsten Gegentor – aber fürs Erste leider auch nur bis Minute 37, als sich die Königlichen in Form von Illarramendi abermals einen haarsträubenden Schnitzer erlaubten. Ein Pass geriet erneut viel zu kurz. Reus nahm dem weißen Ballett den Ball wieder ab, lief auf Reals Tor zu, bediente den links mitgelaufenen Lewandowski, dessen Schuss aus sieben, acht Metern und leicht links versetzter Position am rechten Pfosten landete. Casillas noch mit den Fingerspitzen dran! Doch die Situation war noch nicht zu Ende: Von der Stange rollte das Spielgerät vor Reus’ Füße – das 2:0 aus wenigen Metern (37.)! Die Borussia im Rausch, Ancelotti stocksauer, fuchsteufelswild. Der sonst so ruhige Italiener winkte am Seitenrand genervt ab. Auch Ronaldo erhob sich, meckerte und animierte zugleich. Bloß die Nerven bewahren. Dann war Halbzeit.

Versuche der Befreiung
Team und Ancelotti hatten Redebedarf. Und die Elf ging Durchgang zwei verbessert an, hielt den Ball wie zu Beginn des ersten Spielabschnitts mehr in den eigenen Reihen, nahm das Tempo aus dem Spiel, ließ Dortmund laufen, konnte sich vom Druck der Gastgeber befreien. Die heiße Atmosphäre kühlte ein wenig ab. Real wirkte konzentrierter, riss sich am Riemen. Für den schwachen Illarramendi wechselte Ancelotti Isco ein und versprach sich, dass nun auch seine Mannschaft mehr ins Angriffsspiel investieren und nicht sich weiterhin nur hinten rein stellen würde. „Unser Spiel ist offensiv ausgerichtet. Warum sollen wir das nicht auf den Platz bringen?“, erklärte er schließlich auf der gestrigen Pressekonferenz.
Gleich nach dem Seitenwechsel kam Bale gefährlich vor das Tor (49.), Weidenfeller parierte den Schuss des Walisers jedoch ohne Probleme. Eine starke Szene hatte die Nummer 11 ebenfalls, als sie zwei Dortmunder auf der rechten Seite ausstiegen ließ, an der Grundlinie entlang Richtung Zentrum stürmte und Benzema die Hereingabe verpasste (59.). Doch es attackierten eben auch immer wieder die Halbfinal-geilen Borussen in Form von Großkreutz, Reus und Lewandowski. Gefahr um Gefahr! Casillas hatte Schwerstarbeit zu verrichten. Angetrieben von der lautstarken Kulisse drückte und kämpfte der BVB bis zum bitteren Ende – bis das Ausscheiden besiegelt war. Die Sensation war zum Greifen nah, sie lag in der Luft. Hinspiel: Real Madrid 3:0 Borussia Dortmund. Rückspiel: Borussia Dortmund 2:0 Real Madrid. Das macht in der Totalen: Borussia Dortmund 2:3 Real Madrid. Die Spanier haben es geschafft, kommen mit einem „gelben Auge“ davon.
Jetzt weiß der BVB, wie es sich anfühlt, mit einer Energieleistung knapp aus der großen UEFA Champions League auszuscheiden. Stichwort: Halbfinal-Rückspiel 2012/13. Real fehlte damals ein Tor zum Finale. Dortmund heute ein Tor zur Verlängerung. Eine Verlängerung, in der die Westfalen das Momentum definitiv auf ihrer Seite hätten…
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