
Ancelotti braucht (noch) keinen Mbappé
BILBAO. Wenn Carlo Ancelotti zuletzt Fragen der Presse zu beantworten hatte, dann galt es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass ein Reporter ihn fragen wird: Kommt Kylian Mbappé? Doch die Antwort Ancelottis fiel in den letzten Wochen stets ähnlich aus. „Ich glaube nicht“, dass es der Verpflichtung eines Mittelstürmers bedürfe, beteuerte Real Madrids Trainer erst am Freitag im Rahmen einer Medienrunde.
Seine Mannschaft sei „sehr gut aufgestellt“, versicherte der 64-Jährige. Er besäße „einige Optionen“, bekräftigte er und stellte abermals klar: „Ich bin sehr zufrieden mit dem Kader, der mir viel Hoffnung macht.“ Wohlgemerkt besitzt Ancelotti aber nur vier nominelle Offensivspieler im Aufgebot. Karim Benzema? Marco Asensio? Eden Hazard? Alle weg! Dafür hat der spanische Rekordmeister den offensiven Mittelfeldspieler Brahim Díaz, der auch auf den Flügeln zum Einsatz kommen kann, und Mittelstürmer Joselu zurückgeholt.
Variabilität – und Spiel auf Bellingham zugeschnitten
Allerdings verpflichtete Real Madrid das Duo nicht mit der Aussicht, dass einer der beiden Spieler sofort Teil der Startelf sein würde. Wohingegen beim über 100 Millionen Euro teuren Einkauf Jude Bellingham dahingehend keine Debatte vonnöten ist. Klar, dass der Engländer erstmal gesetzt ist – er überzeugt ja auch. Oder besser gesagt: „Er ist“, um Ancelotti beim Wort zu nehmen, „herausragend“.
Bellinghams Qualitäten und der Verlust der Benzema-Tormaschine hat Ancelotti dazu veranlasst, zu improvisieren. Eine Abkehr vom gewohnten und meist erfolgreich ausgeübten 4-3-3 zu einem 4-4-2 mit Raute. Dabei stehe auch fest, „dass es diese Saison nicht nur ein System geben wird“, so Ancelotti. Doch erst mal erprobt sich der Italiener als Improvisateur – mit 4-4-2 und Raute. In den USA erstmals getestet und damit zwei Partien gewonnen und zwei verloren, ließ Ancelotti zum LaLiga-Auftakt gegen den Athletic Club in Bilbao mit ebenjener Formation spielen.
Auch ohne Kroos und Modrić hatte Real „viel Kontrolle“
Bellingham spielte wie erwartet auf der Zehn, denn „seine beste Qualität“, erklärte Ancelotti bereits im Vorfeld, „sei das Eindringen in den Strafraum“. Bereits in den USA hatte Bellingham gegen Manchester United getroffen, in Bilbao erzielte er nach einer Ecke das 2:0 (36.) – sein erstes Pflichtspieltor für Real Madrid. Ganz vorn setzte Ancelotti wenig überraschend auf Vinícius Júnior und Rodrygo Goes. „Sie müssen ihre Entwicklung einfach fortsetzen“, so Ancelottis vor dem Saisonstart ausgesprochene Hoffnung. Vinícius blieb in Bilbao zwar unter den Erwartungen, Rodrygo glänzte dafür als Torschütze zum 1:0 (28.).
„Wir hatten viel Kontrolle“, konstatierte Ancelotti nach dem ersten Pflichtspielsieg der Saison. Dabei hatte er mit einer überraschenden Entscheidung vor Anpfiff für Aufsehen gesorgt: Die erfahrenen Mittelfeldroutiniers Toni Kroos, 33, und Luka Modrić, 37, standen nicht in der Startelf – und mussten im San Mamés erst mal auf der Ersatzbank Platz nehmen. Ein mutiges Statement. Wobei sich zeigen sollte: Die neue Mittelfeldriege um Federico Valverde, Aurélien Tchouaméni und Eduardo Camavinga vermochte zu überzeugen.
Ancelotti ist zufrieden mit dem, was er sieht
Die Startelf, die Ancelotti zum LaLiga-Auftakt aufbot und zu der auch der 23-jährige Rückkehr-Neuzugang Fran García zählte, war so gerade mal 24,27 Jahre alt – keiner war älter als 31! Wobei klar, dass könnte bereits kommende Woche gegen Almería (Samstag, 19:30 Uhr) schon anders aussehen. Denn Ancelotti stellte Kroos und Modrić in Aussicht, dass sie im nächsten Spiel potentiell wieder zum Anfangsaufgebot zählen könnten, was den Altersdurchschnitt selbstverständlich heben würde.
Aber Ancelotti könnte auch ein weiteres Mal auf die altgedienten Veteranen verzichten – weil Real Madrid in Bilbao bewiesen hat, dass es auch ohne sie erfolgreich läuft. Insgesamt hat Ancelotti mit einem neuen System, Mut und Improvisation viel Positives gesehen – auch deshalb, weil die Defensive im Vergleich zur Vorbereitung sortiert stand. Bloß „vorn fehlte uns ein bisschen die Abschlussgenauigkeit, wir haben ein paar Bälle verloren“, analysierte Ancelotti. Doch die ihm zur Verfügung stehenden Stürmer seien „gefährlich“ – und solang dies der Fall ist und der Erfolg der Gegenwart angehört, wird seine Antwort auf Mbappé-Fragen dieselbe bleiben. Denn bislang rechnet Ancelotti mit einer erfolgreichen Saison.
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