
Dieses Jahr ist alles anders
MADRID. Es ist Mitte April. Ein Zeitpunkt, bei dem man es eigentlich gewohnt ist, im Zusammenhang mit Real Madrid über die heißeste Phase der Saison zu sprechen und besonders vor großen Champions-League-Abenden ein Kribbeln zu verspüren. Dieses Jahr ist aber alles anders. Schon jetzt, weit vor der Sommerpause, befassen sich die Königlichen gedanklich längst mit der nächsten Spielzeit. Sie müssen es. Weil sie in der Königsklasse bereits Anfang März kläglich an Ajax Amsterdam scheiterten und damit nach der Liga und der Copa del Rey auch die dritte Titelchance in den Sand setzten.
Daniel Carvajal hatte so etwas Negatives in seiner Laufbahn bis dato noch nicht erlebt. Mit der Sportzeitung MARCA hat der 27-jährige Spanier über den Horror der zurückliegenden Monate nach dem Weggang von Superstar Cristiano Ronaldo, aber auch über den bevorstehenden Neuanfang gesprochen. Für ihn ist klar: Er will Teil daran haben.
#LaPortada “Ninguno de nosotros ha estado a su nivel óptimo”
Este lunes, en @MARCA, entrevista exclusiva con @DaniCarvajal92 pic.twitter.com/sel4YSShSu— MARCA (@marca) 14. April 2019
DANIEL CARVAJAL über…
…die laufende Saison, die er als „scheiße“ bezeichnete: „Das habe ich nach dem Spiel gegen Ajax im Eifer des Gefechts gesagt. Uns sind die Dinge in dieser Saison einfach nicht gelungen, so ist der Fußball. Aber wir haben allesamt nicht die beste Leistung gezeigt, die wir hätten abrufen können. Niemand von uns war auf seinem Optimal-Level. Wir spielen seit vielen Jahren zusammen und kennen uns. Das ist ein wenig der Schlüssel dafür, dass wir in diesem Jahr um keinen Titel kämpfen.“
…seine eigene Leistung in dieser Saison: „Ich bin nicht so sehr derjenige, der sich selbst Noten gibt. Ich würde mir aber eine Vier geben (in Spanien bedeutet diese Note durchgefallen; d. Red.), eine ungenügende Note. Wir haben es als Mannschaft nicht gut gemacht. Als Profi waren es die schwersten Momente meiner Karriere. Es ist seltsam, wenn du im März schon um keine einzigen Titel mehr spielst, sondern es nur noch um den Stolz und das Wappen auf dem Trikot geht. Das ist eine komische und unangenehme Situation.“
Carvajal se sincera este lunes en @MARCA en una entrevista exclusiva que no te puedes perder… pic.twitter.com/vqLQyv3Lcc
— MARCA (@marca) 14. April 2019
…das Champions-League-Achtelfinal-Ausscheiden gegen Underdog Ajax Amsterdam (2:1, 1:4): „Als wir mit einem 0:2-Rückstand in die Halbzeit gingen, wussten wir alle, dass wir uns aufrütteln müssen. Ich denke, das 0:3 hat uns dann gekillt. In dem Moment mussten wir drei Tore erzielen. Uns ist nichts gelungen, Ajax hat dafür alles gegeben. Emotional bin ich in solchen Momenten etwas geschwächt. Es tut mir sehr weh. Mein Kopf begreift das Verlieren, das so frühe Ausscheiden nicht. Ich war wütend, habe in der Nacht nach dem Spiel sehr kurz geschlafen. Die zwei oder drei Wochen nach dem Champions-League-Aus sind mir schwer gefallen. Ich kam nach Hause und war gereizt. Nach einer Zeit nimmt man die Situation an und denkt bereits an die nächste Saison.“
…das Fehlen des abgewanderten Cristiano Ronaldo: „Es ist klar, dass man die 50 Tore, die ein scheidender Spieler hinterlässt, auf eine andere Art auffangen muss. Es gab in der Saison Momente, wo wir viele getroffen haben. Es gab auch welche, in denen wir gar keine Tore gemacht haben. Die Erkenntnis, dass wir diesen Spieler, der aus dem Nichts Tore gemacht hatte, nicht mehr haben, hat uns Angst eingeflößt und viele Punkte gekostet.“

…den Zusammenhalt nach dem Versagen: „Wir sind ein gut funktionierendes Team. Wenn du nicht erfolgreich bist, ist die Stimmung nicht dieselbe, aber das ist logisch. Wir stehen nach wie vor zusammen und sind uns alle bewusst, dass wir nach vorne blicken müssen. Wir müssen unseren Geist auffrischen und nächste Saison mit viel Power zurückkehren.“
…den von den Medien erwarteten radikalen Umbruch: „Wenn man im März um nichts mehr spielt, dann scheint es, als müsste man alle verjagen, eine Säuberung betreiben. Und am Ende ist das auch logisch. Es gibt immer Spieler, die kommen und gehen. Erst recht, wenn man erfolglos ist. Wenn man das ist, ist alles wunderbar und niemand möchte gehen.“
…die Verpflichtung neuer Stars: „Der Trainer und der Präsident müssen bewerten, was die Mannschaft braucht und auf welchen Positionen Spieler uns helfen könnten.“
…das Real der nächsten Saison in seiner Vorstellung: „Ein siegreiches und lustvolles Real Madrid, das jeden verschlingt und im April noch um jeden Titel kämpft.“
…die drei Champions-League-Titel in Serie: „Wir haben Fußballgeschichte geschrieben und ich denke nicht, dass das noch einmal passieren wird. Es wird zumindest sehr schwer, eine solche Heldentat zu schaffen. Der Fußball besitzt aber keine Erinnerung, es geht um die Gegenwart. Selbst wenn du an einem Mittwoch ein Spiel verlierst, hast du am Samstag die Chance, das vergessen zu machen. Es ist einfach so. Das zuvor Geleistete zählt nicht.“
…die zwei Trainer-Wechsel im Laufe der Saison: „Das sind Entscheidungen, die getroffen werden. Wir Spieler sind diejenigen, die auf den Platz gehen und erfolgreich sein müssen.“
…Santiago Solari, der mit Isco und Marcelo zwei Leistungsträger degradierte: „Das sind Entscheidungen, die der Trainer getroffen hat. Ich glaube nicht, dass er das gemacht hat, um jemanden zu ärgern. Er versuchte, das umzusetzen, woran er glaubte, was das Beste für das Team war. Das müssen wir als Spieler respektieren. Er war unser Chef.“
…eine zwischenzeitlich mögliche Furcht vor einem Comeback von José Mourinho und Zinédine Zidane, der letztlich Solaris Nachfolger wurde: „Nein, die bestand nicht. Es gab verschiedene Kandidaten, als man gehört hatte, dass Solari nicht bleiben wird. Wenn Mourinho gekommen wäre, hätten wir die Batterien eingelegt und alle gemeinsam um unsere Ziele gekämpft. Angst musste man vor keinem haben. Letztlich kam Zidane. Er war ideal, das Beste, was uns passieren konnte. Dass er die Mannschaft wieder anführt, hat einen sehr, sehr hohen Stellenwert. Es zeugt von einer Menge Mut, die Mannschaft jetzt zu übernehmen, wo das Selbstvertrauen der Spieler im Keller ist. Er kennt uns alle perfekt, weiß, wie der Klub ist. Ich denke, er ist der geeignetste Trainer.“
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…Ex-Real-Coach Julen Lopetegui, den er im vergangenen Herbst als seinen besten Trainer jemals bezeichnete: „Ich versuche immer, mit den positiven Dingen eines jeden Trainers zu verbleiben. Es stimmt aber tatsächlich, dass Julen derjenige ist, der mich schon immer beeindruckt hat. Er lebt den Fußball ähnlich wie ich. Uns hat unter ihm, auch wenn es seltsam klingt, etwas das Glück gefehlt. Es gab Spiele, bei denen wir uns den Sieg verdient gehabt hätten, mit zwei oder drei Toren Unterschied. Die haben wir aber verloren. Der Ball wollte nicht ins Tor. In Madrid zählen die Ergebnisse.“
…die geringen Besucherzahlen im Estadio Santiago Bernabéu: „Es ist verständlich, wenn du für keine Begeisterung sorgst und es um nichts mehr geht. Wir respektieren das, auch wenn ich persönlich ins Stadion gehen würde. Als Madridista, der ich bin. Ich möchte die Fans animieren, dass sie kommen, denn wir geben alles, um erfolgreich zu sein und vor allem, um ihnen für die Unterstützung in dieser Saison zu danken.“
…den bevorstehenden Stadion-Umbau, der 2022 abgeschlossen sein soll, und seine Zukunft: „Es wird großartig sein, ein futuristisches und einzigartiges Stadion. Hoffentlich werde ich dort dann spielen können. Jetzt bin ich 27 Jahre alt. Ich denke, ich kann es schaffen. Um ehrlich zu sein: Ich sehe mich meine restliche Karriere lang im Trikot von Real Madrid spielen. Wenn der Klub es will, werde ich meine Karriere hier beenden. Ich habe in einem Interview mal gesagt, dass ich mich gerne in der Premier League ausprobieren würde, dass sie mich anzieht. Aber wenn man mir sagt, dass ich wählen soll, würde ich ohne Zweifel entscheiden, dass ich hier eines Tages aufhöre. Angebote habe ich mir nicht angehört, weil ich zu keinem Zeitpunkt in Erwägung gezogen habe, zu gehen.“
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