
Die Transferstrategie von Real Madrid hat schon länger nichts mehr mit dem zu tun, was es noch zu Jahren der Jahrtausendwende war. Es werden kaum bis gar keine fertigen Spieler mehr gekauft.
Stattdessen wollen die Königlichen ihre Superstars von Morgen früh scouten, damit man diese mittel- bis langfristig in den Kader einbauen kann. So geschehen bei Marco Asensio oder einem Dani Carvajal, der zwischenzeitlich in Leverkusen spielte.
Während in den letzten eineinhalb Jahren die beiden jungen Brasilianer Rodrygo Goes (18) und Vinícius Juníor (19) in der Offensive auf sich aufmerksam machten, steht seit dem 19. Januar nun offiziell ein neues Talent in den Startlöchern.
Einen Tag nach seinem 18. Geburtstag nämlich wurde Reinier Jesus Carvalho offiziell von Real Madrid vorgestellt. Die Ablösesumme von 30 Millionen Euro ist für solche Supertalente aus Südamerika mittlerweile fast schon lächerlich gering.
Zum Vergleich: Vinícius Júnior, der ebenfalls beim amtierenden Copa-Libertadores-Sieger Flamengo ausgebildet wurde, kostete 15 Millionen Euro mehr. Sein Landsmann Rodrygo ebenso.
Der in der brasilianischen Hauptstadt Brasília geborene Zehner wechselte 2011 als Elfjähriger nach Rio de Janeiro in die Jugend von Vasco da Gama. Nach weiteren Kurzstationen bei Botafogo und Fluminense schloss er sich 2014 Flamengo an.
Reinier fühlt sich aber anders als seine brasilianischen Kollegen nicht am Flügel, sondern in der Mittelfeldzentrale zu Hause, auch wenn er sich auf der Pressekonferenz variabel zeigte: “Offensiv spiele ich alle Positionen: rechts, links, in der Mitte, in der Spitze. Alles. Ich habe da keine Probleme.” Nur einmal setzte ihn Trainer Jorge Jesus in der letzten Saison am linken Flügel ein.
Eine Mischung aus Ceballos und Kaká
Hier glänzte er in insgesamt 15 Einsätzen mit sechs Treffern und zwei Vorlagen und konnte sich bereits mit 17 Jahren brasilianischer Meister und Copa Libertadores Gewinner nennen.
Für sein Team ist der Brasilianer dann am wertvollsten, wenn er als freies Radikal im Mittelfeld agieren kann. Wie für einen Straßenfußballer aus Südamerika typisch besitzt er eine sehr gute Ballbehandlung und kommt stark über seine Improvisationskünste.
Wenn man ihn so spielen sieht, fühlt man sich in erster Linie an Dani Ceballos erinnert. Ähnlich wie der Exil-Madrilene kann Reinier ein dominanter Akteur im Spielaufbau sein, der mitunter eine unsaubere Positionierung an den Tag legt.
Will heißen, dass er sich mit ungünstigem Blickfeld zum Spielfeld anbietet und sich im Ballbesitz zu nah an den eigenen Kollegen positioniert. Das hat zur Folge, dass der 18-Jährige schon in der brasilianischen Série A hin und wieder Ballverluste provozierte.
Diese brenzligen Szenen konnte er aber vermehrt dank seiner guten Fähigkeiten im Dribbling auflösen. Reinier ist ein sehr explosiver Mittelfeldspieler, der jedoch nicht so wuselig ist wie zum Beispiel ein Takefusa Kubo oder Isco.

Mit 1,85 Metern Körpergröße ist er groß genug, um sich körperlich zu behaupten aber auch nicht zu groß, um als Schlaks durchzugehen.
Dadurch kann er sich im Dribbling einerseits in der Enge behaupten und andererseits im Konterspiel eine echte Waffe darstellen – in den Umschaltmomenten liegt die größte Stärke des Neuzugangs.
Erhält er im Konter den Ball, bedeutet das vor allem Gefahr für den Gegner. Reinier besitzt mit Ball am Fuß ein ungeheures Tempo und eine Direktheit, die an Kaká erinnert. “Kaká ist ein Vorbild für mich. Ich habe ihn immer spielen sehen”, sagte Reinier selbst.
Na super. Neuzugang und Wunderkind Reinier erinnert also an zwei Spieler, deren Zeit bei Real Madrid alles andere als rosig war.
Madridistas können sich dennoch, oder gerade deswegen auf den Brasilianer freuen. Denn er bringt mit seinen Fähigkeiten genau das mit, was Real in den nächsten Jahren gebrauchen könnte.
Im Mittelfeld werden die Spielgestalter der vergangenen fünf Jahre, Luka Modrić (34) und Toni Kroos (30), nicht mehr ewig dreimal innerhalb einer Woche spielen können.
Reiniers Rolle bei Real Madrid
Mit einem Federico Valverde hat man bereits einen Ersatz gefunden, der schon jetzt einen Leistungsträger darstellt. Je nachdem wie man im Benabéu mit Martin Ødegaard plant, könnte Reinier mittelfristig eine entscheidende Rolle im Mittelfeld einnehmen.
Da sich Real Madrid in Zidanes zweiter Ära im Konterspiel weiterentwickeln konnte, wäre ein Umschaltspieler im Mittelfeld, der den Ball mit starken Dribblings nach vorn trägt, wichtig.
Der Flamengo-Neuzugang wäre hier prädestiniert, um Angriffe nach vorn zu tragen. Er kann mit einer Aktion gleich mehrere Gegenspieler auf sich ziehen und aussteigen lassen, wodurch Raum für die anderen Kollegen frei wird.
Da er darüber hinaus eine sehr gute Reichweite im Passspiel hat, kann er die Angreifer auch mit sehenswerten Pässen aus der eigenen Hälfte füttern.
Als Vollstrecker definiert sich Reinier vorrangig über eine tolle Schusstechnik bei Fernschüssen. Gerade bei den U-Nationalmannschaften überraschte er so manchen gegnerischen Keeper mit urplötzlichen Schüssen aus vollem Lauf.
Rund um den Sechzehner verfügt er bereits über ein gutes Raumgefühl und Timing beim Einlaufen. Bei Rückpässen setzt er sich clever nach hinten ab oder stiehlt sich im Rücken des Gegners davon.
Gut möglich, dass er dadurch auch als Mittelstürmer oder hängende Spitze eingesetzt wird. Hier muss man aber abwarten, inwieweit Zidane am 4-3-3 der letzten Jahre festhält oder eben nicht.
Fazit
Zunächst soll Reinier bei Real in der Castilla zum Einsatz kommen. Schwer vorstellbar jedoch, dass er dort lange adäquat gefordert wird. Zwar ist er erst 18 Jahre jung, aber im Grunde kann er sich schon jetzt auf Erstliga-Niveau beweisen.
Der Schritt in die erste Mannschaft Reals kommt für ihn wohl noch zu früh. Seine Spielweise ist noch zu unbekümmert und inkonstant und Reals Kader zu groß, als dass er in dieser Saison Einsätze in LaLiga erhalten wird.
Er muss sicherlich noch ein ganzes Stück reifen, was für einen Teenager völlig normal ist. Gerade im zentralen Mittelfeld werden Ballverluste oder ähnliches schneller bestraft als auf dem Flügel.
Insofern wäre es völlig vermessen zu behaupten, dass Reinier kurzfristig die Fäden in Reals Mittelfeld ziehen wird. Geduld ist gefragt. Gebt ihm Zeit sich zu entwickeln.
In der Castilla könnte er schnell mit guten Leistungen auf sich aufmerksam machen. Eine zukünftige Leihe zu einem ambitionierten Europa-League-Team würde ihm im Sommer dann sicher guttun.
Und wer weiß, vielleicht hat Real Madrid auf absehbare Zeit dann eine fulminante brasilianische Offensive aus Vinícius, Reinier und Rodrygo…
Hala Madrid y nada más pic.twitter.com/iXy2RVbXqI
— Reinier Jesus (@ReinierJesus_19) February 18, 2020
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