Es ist zwar völlig irrelevant über Ablösesummen zu sprechen, aber es ist durchaus bezeichnend, dass die Skeptiker so verbissen auf diese 38 Millionen sind. Nochmals für alle: Illarramendi hat den Verein unter dem Strich 32 Millionen Euro gekostet. Er hat für sechs Jahre unterschrieben und sein Nettogehalt ist mit 1.5 Millionen im Jahr sehr wenig...
Was macht denn Xabi in EUREN AUGEN so speziell? Seine Austrahlung, Erfahrung, seine charakteristischen langen Bälle, seine gewonnenen Titel?
Ich zitiere (mal wieder) den Kommentar von René Maric:
Zwei weitere hochinteressante Akteure spielten direkt vor der Abwehr. Asier Ilarramendi verrichtet seine Aufgabe immer unauffällig, ist aber ein herausragender Fußballer mit extremer Spielintelligenz. Zur Leistung gegen Deutschland schrieb ich
bei Spielverlagerung folgendes über ihn:
„Ein „Balancespieler“ sorgt dafür, dass einzelne zu übertrieben ausfallende, monotone Synergie-Auswirkungen, zu dominante Spieler oder eine zu große Zahl an ähnlichen Spielertypen (und daraus resultierend ähnliche Bewegungsmuster oder Sackgassen im kollektiven Denken und in Mustern der Entscheidungsfindung) passend ergänzt werden. Bei Illarramendi war dies in dieser Partie nicht nur am stärksten ausgeprägt, sondern auch am besten zu sehen.
Im Aufbauspiel bot er sich für die Innenverteidiger an. Er stand zentral auf seiner Position als alleiniger Sechser, schaffte Verbindungen zwischen den beiden Innenverteidigern und den Mittelfeldspielern. Meistens stand er zwischen Holtby und Volland, konnte von beiden aber wegen seines umsichtigen Bewegungsspiels und seines intelligenten Passspiels kaum gepresst werden. Zusätzlich harmonierte er gut mit seinen Mitspielern.
Kippte Thiago nach hinten ab, so orientierte sich Illarramendi nach vorne und zog im Idealfall auch noch Gegenspieler weg, um Räume zu schaffen. Zusätzlich suchte er sich dann schnell eine Position, aus der er angespielt werden konnte und erzeugte somit eine leicht veränderte Stellung im Mittelfeld. Weiters wies er seine Mitspieler an, was sie zu tun und zu lassen haben – in einer Situation sprach er sich mit Thiago ab, der dann nicht aufrückte, sondern kurzzeitig in seiner abgekippten Position verharrte. In einer anderen Szene kippte er weiter nach hinten als üblich und der Innenverteidiger Spaniens schob mit Ball am Fuß nach vorne.
Doch die Rolle als Balancegeber beschränkte sich nicht auf das Aufbauspiel. Hatten die Spanier dann in höheren Gefilden den Ball, so bot sich Illarramendi immer in der richtigen Position an und gab damit eine sichere Anspielstation, um das Spiel mit ein paar Kurzpässen zu verlagern oder dem gegnerischen Pressing die Dynamik zu nehmen.“
Gerade die Personalie Modric finde ich in diesem Zusammenhang sehr interessant: Weil Alonso unter Mourinho durch seine vielen langen Bälle in die Spitze viele Umschaltmomente provozierte und dadurch dem Spiel von Real Madrid eine stark chaotische Note gab, war Khedira die viel geeignetere Personalie als Modric. Alonso war zu dieser Zeit DER Spieler von Real Madrid, ohne ihn war das Spiel tot und er war unglaublich dominant. Doch wieso war Khedira der geeignetere Mann in dieser Philosophie? Durch die hohen Bälle und das chaotische Spiel erforderte die Rolle neben Alonso unglaubliche Laufbereitschaft. Khedira war zu dieser Zeit nicht umsonst unverzichtbarer Motor der Mannschaft, durch seine physische Präsenz war er ausserdem im Kampf um die vielen zweiten Bälle extrem wichtig.
Khedira arbeitete Alonso die Bälle zu, der diese dann in gewohnter Manier in die gefährlichen Zonen dreschte. Ein Mann wie Modric, der den Ball selber gerne am Fuss hat und eher einer ist, der sich gerne aus gefährlichen Situationen löst und dann clevere Pässe spielt, der hatte es neben Alonso natürlich schwer. Schliesslich war das schnelle Überwinden des Zentrums eine der Grundpfeiler der Mourinho Jahre. U.a. darum wurde ihm vielfach vorgeworfen, er würde das Spiel verschleppen.
Wenn Illarramendi auf der 6er Position spielt, dann werdet ihr keine langen Bälle sehen, dafür unzählige schlaue Kurzpässe, die das gegnerische Pressing ausspielen, raumschaffende Bewegungen, die den beiden Achtern ermöglichen ihre spielerische Klasse besser auszuspielen. Die wenig dominante Art von Illarra führt ausserdem dazu, dass Spieler wie Modric, Di Maria oder Isco den Ball mehr am Fuss haben. Die Fähigkeit Illarras, die mich bisher am meisten beeindruckt hat, ist seine unglaubliche Fähigkeit, nahezu jeden Konter zu vereiteln. Einerseits steht er bei Ballverlusten immer goldrichtig, um den Gegenangriff bestenfalls schon im Keim zu ersticken, gelingt dies nicht, dann drängt er seine Gegner in ungefährliche Positionen ab, in denen er entweder selber oder ein Mitspieler den Ball erobern kann.
Er geht sicherlich viel weniger aggressiv in die Zweikämpfe als Alonso, aber bei der Rückgewinnung des Balles ist er in meinen Augen nicht weniger effektiver. Im Gegenteil. Für ein Ballbesitzorientiertes Spiel ist Illarramendi, zusammen mit Verratti, in meinen Augen der vielversprechendste Deep-lying-Playmaker der Zukunft. Wobei ich Illarra in defensiver Hinsicht bedeutend besser einschätzen, während Verratti dank seiner Qualität am Ball selber Pressingsituationen auflösen kann und u.a. dadurch für die Offensive wertvoller ist. Aber hier seht man deutlich, Modric und Verratti haben in dieser Hinsicht ähnliche Stärken, Illarra ist daher für diese Mannschaft die viel passendere Wahl, weil sich die Stärken besser ergänzen.
Solange jedoch mit Ronaldo, Bale und Di Maria so athletische Konterspieler auf dem Platz stehen, wird es für Illarra schwierig oder besser gesagt unmöglich, sich gegen den Boss Alonso durchzusetzen. Das ist aber keine Frage der mangelnden Qualität, sondern vielmehr des Systems.
Zu dem Fehler von Illarra im Spiel gegen den BVB (ich hab das Spiel nicht gesehen, weil ich auf einer Reise war) möchte ich noch einen differenzierten Kommentar von einem Spielverlagerungautor mit euch teilen:
Find Illaras Fehler da ziemlich überbewertet. Das sieht zwar richtig kacke aus, liegt aber auch daran, dass ihm völlig die Optionen fehlen. Er muss den Pass direkt spielen, weil Kirch direkt an ihm dran ist, als der Ball kommt (allein deshalb kann man schon von Pressingfalle reden), nach vorn kann er nicht (Kirch), nach hinten und zur seite kann er nicht (Reus), Passoptionen sind alle zu. Eigentlich sogar eine sehr gute Entscheidung diesen Pass mit dieser Passtechnik (so angeschnitten) zu spielen, aber ihm gelingt der sehr anspruchsvolle Versuch einfach nicht, also er trifft den Ball nicht richtig – ich glaube auch deshalb, weil er eigentlich den Ball annehmen will, von Kirch überrascht wird und deshalb den Pass hektisch spielen muss und nicht die richtige Balance hat. Das ist ja immerhin ein Direktpass unter Druck aus dem Sichtfeld heraus durch eine Gasse über 20 Meter. Wenn ich den Gegner ständig zu so anspruchsvollem Zeug dränge, dann kommt da irgendwann schon mal eine technische Ungenauigkeit bei rum. Das sind ja nicht alles Iniestas.
Bei der Personalie Illarra genügt es einfach nicht, lediglich seine Aktionen mit Ball zu bewerten, weil seine Stärken gerade im anderen, viel wichtigeren Aspekt des Spiels (allgemein aber insbesondere auf seiner Position) zu finden sind.