Ich verstehe manche Sehnsucht nach neuen Impulsen und sehe vor allem die geänderten Kriterien sehr kritisch, die notwendig sind um sich überhaupt zur Wahl stellen zu dürfen.
Was mir nicht zusagt ist der Umstand, dass Boluda aus dem Dunstkreis von Ramon Calderon, unserem Schuldenpräsidenten kommt, er war glaube ich unter ihm Vizepräsident und trug damit auch Verantwortung für die finanzielle Misere unter Calderon.
Ich würde Perez bis zum Stadion- und Mannschaftsumbau gerne noch im Amt sehen, ich habe nur den Wunsch nach einem Sportdirektor mit Befugnissen und hätte dann gern mal einen ehemaligen Spieler als Präsidenten, mit Kontakten und Kenntnissen zur und von Wirtschaft/Finanzen.
In wirtschaftlicher Sicht ist Perez mit Jose Angel Sanchez sehr kompetent und ich sehe auch den eingeschlagenen Talenteweg nicht so kritisch, vor allem in Anbetracht der steigenden Ablösesummen und größerer Konkurrenz, durch Scheichs und PL.
Ich habe schon wesentlich kritischer zu betrachtende Präsidenten erleben müssen, seit dem Beginn meiner Liebesbeziehung, Mitte der 80iger Jahre...
Aus meiner Sicht müssen sich 2 Dinge drastisch ändern.
1. Die Machtstruktur innerhalb des Vereins.
2. Die Wahrnehmung des Vereins, nach aussen, aber vor allem auch gegen innen in die Führungsetage.
Beides schliesst Perez als Präsident/Führungsmitglied nicht zwingend aus. Allerdings wurde/wird beides von ihm wesentlich mitgestaltet und blockiert. Wenn sich also irgendwas ändern soll, muss der Impuls und die Bereitschaft dazu auch von ihm kommen. Ein Umbruch mit Perez in heutiger Form mit dem derzeitigen Selbstverständnis ist nur sehr schwer vollziehbar.
Das ist die eine Sache, aus der ich nicht schlau werde. Alle wollen den Umbruch und neue Impulse, zurecht. Aber gleichzeitig wird der grösste Faktor, der mit verantwortlich ist für die aktuelle Situation und von dem aus der Impuls für einen Umbruch kommen müsste, permament ausgeklammert. Man kann es drehen und wenden wie man will, Perez ist der mit Abstand mächtigste Mann in diesem Verein und trägt letztendlich als dieser auch irgendwo die Verantwortung für den Laden. Viele kontroverse Entscheidungen gehen auf seine Kappe, Carlos Entlassung, Rafa, Zidane zum 1ten, CRs ersatzloser Verkauf, das Festhalten an Bale, Lope, Lopes (zu?) frühe Entlassung, Solari statt Conte, Solaris Entlassung, Zidane zum 2ten.
Seit Zidanes erfolgreicher erster Amtszeit befinden wir uns etwas in einem Teufelskreis. Man versucht mit allen Mitteln, der Erfolg mit ähnlichen Trainermitteln (Vergangenheit im Verein, Castilla Trainer, nicht sehr erfahren) zu wiederholen. Gleichzeitig klammert man sich an den CL Helden fest, entfernte zumindest bis letzten Sommer jegliche Konkurrenz für sie und hat ein mehr schädliches als nützliches Selbstverständnis vom besten Verein Europas, für den es eine Schande ist, wenn es halt mal nicht jede Saison das Triple gib, man verdiente CL Helden ausmustern muss oder einem Trainer die entsprechenden Kompetenzen geben muss, seine eigene Entscheidungen zu treffen,auch potentiell schmerzvolle. Mit Perez in dieser Situation/Wahrnehmung, Lope/Solari an der Seitenlinie und dieselbe Stammelf ohne CR kann ein "Umbruch" ja irgendwo nicht aufgehen, und ist es auch nicht.
Mittlerweile wird zum Glück mehr und mehr davon zerbrochen. Zidane mach bei aller Kontroverse vieles richtig. Die Ablösung im Tor hat endlich stattgefunden, Hazard als neuer Superstar ist da, festgefahrene Strukturen in der Stammelf wurden von Mendy, Valverde, Vini und Rodrygo aufgebrochen. Man hat wieder sehr viele talentierte Spieler mit Potential und ins Stocken geratene Leistungsträger wie Varane, Case oder Kroos zeigen wieder bessere Leistungen. Soweit so gut, aber es sollte nicht über letzte Saison und festgefahrene Strukturen im Verein hinwegtäuschen. Dass jemand wie Zidane 3facher Weltfussballer, Vereinslegende und als Trainer 3facher CL Sieger werden muss, um irgend ein Mitspracherecht zu haben und dass man eine solche Saison wie die letzte, die jeder mit etwas Fussballverständnis vorausgeahnt hat, mit "wir sind 3facher CL Sîeger, wir schon schiefgehen"-Selbstverständnis in Kauf nimmt, sagt sehr vieles. Schade, dass es soweit kommen musste, dass es irgendwo mal klick macht.
Darauf zielen auch meine oben genannten Punkte, die sich ändern sollten, ab. Es ist einfach immer gefährlich, wenn eine Fraktion oder sogar eine Person sämtliche Macht in der Hand hält. Besagte Person mag noch so kompetent sein, niemand ist perfekt, und im Zweifeslfall wird dann halt "Ich Boss, ich befehle" angewandt, was im Falle Perez oft mehr geschadet als geholfen hat. Die grössten Erfolge mit Perez hatten wir, als er sich auf das Finanzielle konzentriert und das sportliche dem Trainer überlassen hat, Del Bosque, Mou, Carlo, Zidane. Keine seiner sportlichen Eingriffe waren besonders erfolgreich (Makaleles Verkauf, Del Bosques Entlassung, Carlos Entlassung, Di Marias Verkauf, Lope, Solari usw.). Idealerweise hast du ein Gespann aus Präsident, Sportdirektor und Trainer, dass sich auf die jeweilgen Bereiche konzentriert und gegenseitig deckt, nötigenfalls aber auch mal überstimmt. Das funktioniert bei zig Vereinen wunderbar und war auch bei uns immer am erfolgreichsten. Aber es setzt halt voraus, dass sich Perez auf das finanzielle konzentriert und das sportliche dem Trainer und eventuell einem Sportdirektor überlässt. Bestes Beispiel ist der aktuelle Aufschwung. Man lässt Zidane machen und bricht festgefahrene Strukturen auf und siehe da, es funktioniert. Nicht perfekt, aber bei weitem besser als letzte Saison.
Bei "Wahrnehmung" ziele ich vor allem auf das eigene Verständnis des Vereins innerhalb der Führungsetage ab. Globalisierung, Finanzen und Erfolge schön und gut und sicher auch wichtig heutzutage, aber am Ende des Tages bleiben wir in erster Linie ein den Mitglieder gehörender Sportverein und kein Unternehmen. Und so geil die Erfolge der letzten Jahre waren, ein Umbruch setzt halt voraus, dass man verdiente, aber alternde Spieler absetzt und dem Trainer und Jungen Spielern 1-2 Jahren Zeit gibt, sich zu finden. Die Erfolge von 2014-2018 waren das Resultat rigoroser Aufbauarbeit seit 2009, Rück und Fehlschläge inklusive, sowas dauert Jahre, nicht ein paar Wochen. Dementsprechend wir man auch nie irgendwo hin kommen, wenn man alle 3 Monate den Trainer entlässt und an den ewig selben Spielern festhält. Real Madrid 2017-2019 war sehr zynisch betrachtet eine Wohlfühl-Altersresidenz für die CL-Triple Helden. Letzen Sommer hat man zum Glück vieles richtig gemacht und sieht mittlerweile auch Früchte, aber logisch kann man das nicht in 1-2 Jahren komplett korrigieren. Perez finanzielle Kompetenzen und Wertschätzung für die CL-Tripe Helden in Ehren, aber etwas mehr Bodenständigkeit und Besinnung zu den Wurzeln als Sportverein würde manchmal nicht schaden.
Letztendlich geht es nicht darum, Perez Verdienste und Kompetenzen, die er absolut hat und für die ich ihm immer dankbar sein werde, schlechtzureden, sondern den aktuellen Kurs beizubehalten, die noch vorhandenen festgefahrenen Strukturen zu durchbrechen und endlich das volle wirtschaftliche und sportliche Potential dieses Vereins zu nutzen. Wir haben viel erreicht, mit und auch dank Perez, das stimmt. Aber wir stehen und auch verdammt oft selber im Weg rum, auch mit und dank Perez. Wir könnten der mit Abstand beste Verein der Welt sein, würde man mal konsequent und bedacht handeln, dann muss man sich auch nicht mehr wie letzte Saison irgendwas vorlügen.
Vielleicht versteht man eine Allegorie besser. Der Fisch stinkt immer von Kopf her. Man kann das Fleisch darum herum komplett entfernen und neu aufbauen, wenn der Kopf und die Geräte immer noch verfault sind, fällt das komplette Gebilde früher oder später wieder zusammen. Sprich der Kopf (Perez) muss wieder gesund und fit werden oder man baut einen neuen ein.
Ob Boluda eine ernsthafte geschweige den bessere Option wäre, ist eine ganz andere Frage, über die man sicher ähnlich lange Romane schreiben könnte. Etwas Konkurrenz, um mal etwas Bewegung in festgefahrene Strukturen zu bringen und manche auf den Boden der Realität zurückzuholen, kann sicher nicht schaden. Wenn wir den aktuellen Kurs beibehalten und weiter verbessern, ob jetzt mit Perez, Boluda oder sonst wem, ist schon sehr vieles erreicht. Letztendlich steht der Klub über allem, Hala Madrid.