Eine kurze Rezension…
Nachdem das „Turboverfahren“ nun abgeschlossen ist muss ich für mich persönlich sagen – ich bin doch ziemlich unzufrieden mit dem „Ergebnis“. Dabei geht es mir gar nicht um die Länge der Haftstrafe oder so, sondern um das, was am Ende im Rahmen des Prozesses aufgeklärt und juristisch betrachtet + bewertet wurde. Es gibt nicht wenige die von einem Kuhhandel sprechen, ebenso war die zunächst angekündigte und dann doch sehr schnell zurückgezogene Revision für Beobachter nicht überraschend.
Was mir zum Einen etwas schleierhaft ist und leider auch nicht nachträglich korrigiert wurde, war der Umstand, dass die Daten und Informationen die Ulrich H. dem Richter und der Öffentlichkeit am ersten Prozesstag über die tatsächliche Steuerschuld und die Relationen / Dimensionen, um die es sich handelt(e), offenbarte, scheinbar keine oder nur eine sehr nachrangige Rolle spielten. Viele Experten versicherten, dass es faktisch nicht möglich war all diese Unterlagen und Belege, die eingereicht wurden, in dieser kurzen Zeit zu analysieren, auszuwerten und gegebenenfalls in den Prozess einfließen zu lassen. Eine Verlängerung des Verfahrens – mit dem viele gerechnet hatten nach dem ersten Tag – gab es jedenfalls nicht. Warum? Keiner weiß es oder kann es mir beantworten.
Zum Anderen – und das ist wohl das was mich seit Beginn der journalistischen Ermittlungen im Fall Ulrich H am Meisten verstimmt – ist die tatsächliche Herkunft des Geldes und all das was auch wirklich dahintersteckt. Ich weiß, dass diese Frage angeblich mittlerweile „vollumfänglich aufgeklärt wurde“, juristisch hingegen spielt es durch die Rechtswirksamkeit des Urteils sowieso keine Rolle mehr, auch all das was gegebenenfalls noch durch den Stern oder andere Medien postremo recherchiert und offengelegt wird. Auch die Staatsanwaltschaft hat das Urteil anerkannt. Die Akte ist damit geschlossen.
Ein kleiner Rückblick: zu Beginn kam die Meldung der verstorbene Herr Dreyfus, damaliger Chef von Adidas – hätte Ulrich H. das Startkapital, zumindest teilweise, geliehen. Dem Privatmann Ulrich H., mit dem ihn eine Freundschaft verbunden hatte. Aber ist das wirklich ausreichend? Hätte es dieses Geld auch gegeben, wenn dieser Ulrich H. nicht zufällig Chef des großen FC Bayern gewesen wäre? Tote kann man bekanntlich nicht mehr befragen. Erwiesen soll wohl jedoch sein, dass Nike damals wesentlich mehr geboten hatte als Adidas als es darum ging, Hauptausstatter des Clubs zu werden, den Zuschlag hat jedoch Adidas bekommen. Die Marke, die sich in der Krise befand und mittlerweile Anteilseigner des Clubs ist. Eine unglaubliche Win-Win Situation, für die es damals vielleicht auch den Privatmann Ulrich H. zu überzeugen galt, Worte und Argumente allein reichen da oftmals nicht aus. Wer hier einen Kausalzusammenhang nicht sieht – bzw. dem Möglichen einmal hinterhergeht und versucht tiefer zu graben, der versucht vielleicht bestimmte Bereiche nicht anzutasten. Was mir einfach aufstößt ist diese unwirkliche Trennung des Ulrich H. vom Ulli Hoeneß, die ich nicht zu erkennen vermag. Der angeblich kranke, weil spielsüchtige Ulrich H., der Geläuterte, hatte keinen Nutzen für Dreyfus, Ulli Hoeneß hingegen schon. Andersherum war es ähnlich (z.B. der oben schon angesprochene Insiderhandel). Wenn all das auch nur ansatzweise nicht aus der Luft gegriffen wäre – und es gibt eben viele Indizien, aber auch Fakten, die dafür sprechen – dann hätte nicht nur Ulrich H. vor Gericht stehen dürfen sondern auch Ulli Hoeneß, als noch Präsident und Chef des größten Sportverein Deutschlands.
Mein Bauchgefühl zu Beginn, als all dies Stück für Stück an die Oberfläche gespült wurde, hat sich zumindest nach der Urteilsverkündung weder bestätigt noch in Luft aufgelöst. Die (vielleicht bösartige) Vermutung, dass Ulrich H. – dessen Biografie und Status in der Öffentlichkeit sowieso zerstört war (und zukünftig ist?) – seinen Club, sein Lebenswerk, sein Leben geschützt hat und am Ende bewusst als „Bauernopfer“ herhalten wollte/musste um seinen FC Bayern nicht mit in den Abgrund zu ziehen, bleibt bei mir jedenfalls weiterhin bestehen.
Nun wird sich zeigen wie es weitergeht. Ulrich H. wird am Ende nicht lange weggesperrt sein (Stichwort: offener Vollzug + vorzeitige Entlassung), auch eine formale Rückkehr in Amt und Würden im Anschluss wurde von keiner Seite ausgeschlossen. Der Verein stellt sich währenddessen strategisch klug auf, Guardiola als das „Schöne und Feingeistige“ was von all dem Hässlichen genauso ablenkt wie Sammer mit seinen bewusst gestreuten (und teilweise völlig an den Haaren herbeigezogenen) Medienkritiken. Egal, das Ziel von Ulli Hoeneß abzulenken und „das Ei“ (den FCB) zu beschützen wurde erreicht. Die Rollen perfekt nach- bzw. interimsbesetzt. Im Nachgang muss man wohl sogar sagen, dass selbst der am ersten Prozesstag inszenierte Konflikt, als Ulrich H. und sein Staranwalt vor dem Richter über die Läuterung diskutierten und die Fäuste auf den Tisch flogen, als sogar ich getäuscht wurde in der Annahme, zum vielleicht ersten Mal den echten – den authentischen Ulrich H. zu sehen – das selbst diese Momente, perfide und strategisch ausgeklügelt waren - als Teil des nun zu 100% aufgegangenen Krisenmanagements. Dafür Chapeau!
Womöglich wird Ulrich H. die Verteidigung des Triples (Part One wurde ja schon erfolgreich absolviert) von seinem Farbfernseher in seiner Zelle sehen müssen, und nicht in Lissabon oder (wieder) Berlin auf der Tribüne. Ok, das ist sicher für einen wie ihn, der diesen Verein lebt, nicht schön. Aber die Tatsache an sich, dies vielleicht schon in diesem Jahr, oder in all den noch folgenden wieder als Mann mit weißer Weste sehen zu können, mit seinem Lebenswerk an der Spitze des Europäischen- und Weltfussballs – all das dürfte ihm die Zeit da drinnen durchaus sehr angenehm machen, ist er doch womöglich einer derjenigen, der weiß, was noch mehr hinter dieser Causa steckt(e). Und so wird er womöglich lächeln, über den Staat, über die Medien und den Bürger – den Fan auf der Straße. Den, zu dem er auch bald wieder sprechen wird, bei Illner, Lanz, Jauch und Co. Vielleicht über seine Zeit des Zockens, vielleicht über seine Zeit hinter Gittern (die entsprechenden von Ulli Hoeneß gegründeten Stiftungen mit Spendennummer werden parallel eingeblendet). So wird er die Zeit sinnvoll nutzen, sich medial und imgagevermarktend neu zu positionieren und aufzustellen. Der „echte“, der authentische Ulrich H. – der, der vielleicht die Menschlichkeit, die Gleichheit, die Unfehlbarkeit irgendwann verloren hat in all dem Siegen der letzten 40 Jahre, der bleibt für uns wohl weiterhin hinter diesem Schleier versteckt. Ich warte währenddessen schon auf den Tag, an dem ich wieder moralisch mahnende und populistisch wirksame Worte und Beiträge von ihm lesen / sehen / hören „darf“, sei es über Steuern, oder sei es über Umweltverschmutzung, oder sei es über Wirtschaftspolitik oder eben aber sei es über die Verfehlungen von Manager X und die Worte von Trainer Y – so sie womöglich einmal gegen „seinen“ FC Bayern gerichtet sind…