
Dank der knappen 3:4-Niederlage in Manchester war Real Madrid vor dem Halbfinalrückspiel am Mittwochabend im Kampf um den Einzug in das Champions-League-Finale in Paris noch voll im Geschäft. An einem perfekten Abend für Spieler und Fans kamen mehrere Faktoren zusammen, die die ultimative „Remontada“ ermöglichten.
1. Der Matchplan: Ancelotti hat die richtigen Schlüsse gezogen
Anders als in Manchester wirkten die Blancos über 120 Minuten defensiv deutlich sattelfester. Hatten die Blancos im Ethihad Stadium große Mühe, Citys Tiefenlaufwege und das Überladen der linken Seite zu verteidigen, bekamen sie im Bernabéu deutlich besseren Zugriff auf das Spiel des englischen Meisters. Das lag primär daran, dass Ancelotti mit vier nominellen Mittelfeldspielern begann, wobei Fede Valverde insbesondere in der Vorwärtsbewegung mit vielen Freiheiten ausgestattet war.

Gegen den Ball nahm Casemiro als „Staubsauger“ vor der Viererkette eine Menge Druck von Nacho und Co. Dass Valverde zudem diszipliniert und zumeist souverän die im Verhältnis zum Hinspiel wenigeren Tiefenläufe verteidigte, nahm den „Skyblues“ einen Großteil ihrer offensiven Durchschlagskraft. Zudem agierten auch Toni Kroos und Luka Modrić aufmerksam und mit der nötigen Aggressivität.

Darüber hinaus sind die Königlichen einerseits im Pressing deutlich mutiger gewesen und haben City immer wieder zu im Guardiola-Kosmos ungeliebten langen Bällen gezwungen. Hatten die Hausherren den Ball am Fuß, agierten sie oftmals schnörkellos und vor allem mit der nötigen Intensität, wie etwa vor Vinícius Abschluss in der 18. Spielminute.
2. Die Wechsel: Rodrygo und Camavinga als Gamechanger
Ein weiterer Schlüssel zum Sieg waren Ancelottis Wechsel: Mit zwei Treffern binnen nicht einmal zwei Minuten hievte Rodrygo die Merengues in die Verlängerung – und ist daher auf den ersten Blick der vielleicht größte Faktor für die „Remontada“. Kurz vor dem 0:1 eingewechselt, versprühte der Brasilianer auch in den schwierigen letzten 20 Minuten der regulären Spielzeit Energie. Dass der 21-Jährige zunächst Karim Benzemas Hereingabe gekonnt über die Linie drückte (90.), um wenige Augenblicke eine von Marco Asensio minimal touchierte Hereingabe von Daniel Carvajal mit einem Wahnsinns-Kopfball in Citys Maschen zu bugsieren (90.+1), könnte nach vielen wichtigen Toren in den vergangenen Wochen den von vielen Kritikern erwarteten nächsten Entwicklungsschritt darstellen.

Bei genauerem Hinsehen erscheint aber noch eine Personalie als essenziell für den Bernabéu-Irrsinn: Eduardo Camavinga! So strahlte der Franzose ohne KMC von der ersten Sekunde an Selbstvertrauen, die nötige Ruhe am Ball sowie ein außergewöhnlich gutes Gefühl für den Raum aus. Ob als Beinharter Zweikämpfer (vier Tacklings, zwei Klärungen) oder als Initiator königlicher Angriffe – der Franzose beeindruckte nicht nur den Madridismo, sondern ebenso die Gäste aus Manchester.
Über welche Extraklasse der gerade einmal 19 Jahre junge Mittelfeldmotor hat, unterstrich Camavinga beim 3:1: Erst forderte er den Ball, um das Leder dann in einem irren Tempo etwa 40 Meter in Richtung City-Tor zu treiben, ohne dass Gegenspieler Rodri auch nur ansatzweise folgen konnte. Dann spielte er Rodrygo frei – dessen Hereingabe landete bei Benzema, der schließlich im Strafraum gefoult wurde und den entscheidenden Elfmeter herausholte. Dass der Youngster zudem stets den Ball forderte und auch unter hohem Gegnerdruck fast immer die richtige Entscheidung traf, unterstreicht das immense Potenzial des Sommer-Neuzugangs.
3. Der „ewige Nacho“, „King Karim“ und der „achtarmige Courtois“
Mit Blick auf einzelne Personalien sind die Leistungen von Thibaut Courtois und Karim Benzema ohne Zweifel ebenfalls hervorzuheben. Während Courtois den Rekordsieger mit einigen irrwitzigen Paraden auf Kurs hielt, erarbeitete Benzema sich den finalbringenden Elfmeter zum 3:1 nicht nur, sondern verwandelte diesen auch höchstselbst. Saisontor Nummer 15 in der Königsklasse sind Ausdruck einer bis dato perfekten Saison des Mittelstürmers.

Überraschender kam hingegen die Leistung von Nacho Fernández daher. So zweifelten einige Experten daran, dass der Routinier den Alaba-Ausfall kompensieren können würde. Das Madrider Urgestein strafte die Kritiker jedoch ein weiteres Mal Lügen: Wie schon so oft, wenn der 32-Jährige in großen Spielen gefordert war, lieferte er auch. An der Seite von Éder Militão trieb er Gabriel Jesus und Co. immer wieder in die Verzweiflung. Mit fünf Klärungen und vier Ballgewinnen legte er nicht nur statistisch gute Zahlen auf. Im Unterschied zu seinem mitunter etwas ungestümen Nebenmann wirkte „Nachete“ über 120 Minuten abgeklärt und außerdem körperlich voll auf der Höhe.
4. Mentalität schlägt Klasse
Bei allen taktischen Kniffen oder spielerischen Finessen ist und bleibt Fußball noch immer in erster Linie ein Kampf- und Laufspiel, das zu einem großen Teil von mentalen Komponenten beeinflusst wird. All jene Charakteristika des Fußballsports scheinen die Blancos gegen die „Citizens“ berücksichtigt zu haben. So warfen sich die Ancelotti-Schützlinge in jeden Schuss, spielten sämtliche Zweikämpfe mit höchstmöglicher Intensität – und verloren nie ihren Glauben. Zwar mag Manchester City auf dem Papier über die minimal bessere Mannschaft verfügen – Reals Kämpferherz, die tief verinnerlichte Siegermentalität und die damit verbundene Überzeugung von der eigenen Stärke waren an diesem historischen 4. Mai jedoch dahingehend entscheidend, dass auch die Hürde City erfolgreich genommen wurde. Ancelotti sagte in der Pressekonferenz: „Ich glaube, es ist, weil sie nie aufgeben. Das ist etwas Besonderes. […] Niemand, wirklich niemand glaubte, dass Real Madrid dieses Jahr ein Champions-League-Finale spielen würde. Doch wir sind da.“

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5. Der Hexenkessel Bernabéu
Dass ein Weiterkommen gegen die für viele Experten stärkste Vereinsmannschaft der Welt möglich sein würde, diesen Glauben versprühte der Madridismo bereits vor dem Spiel: Als sich der Mannschaftsbus des spanischen Rekordmeisters in Richtung Stadion bewegte, säumten Tausende Fans die Madrider Straßen und verpassten den Blancos durch die „Quedada Blanca“ einen Extra-Motivationsschub.
Diese Stimmung transportierten die Madridistas in der Folge auch in das Estadio Santiago Bernabéu, ihren Tempel. Von der ersten Minute an peitschten die Fans ihr Team nach vorne. Auch beim Stand von 0:1 standen die oftmals als „Opernpublikum“ titulierten Madridistas hinter ihrem Team – und hatten somit ohne Zweifel auch ihren Anteil an der „Remontada“.
Giganten-Duell im Finale
Somit ist klar, dass es der FC Liverpool, der bereits am Dienstag beim FC Villareal sein Endspielticket löste, im Champions-League-Finale auf Real Madrid trifft. Dieses Duell ist nicht nur das Aufeinandertreffen zweier europäischer Fußballmächte. Zugleich prallen auch zwei unterschiedliche Spielphilosophien aufeinander. Real-Coach Carlo Ancelotti blickt in jedem Fall voller Vorfreude auf das Final-Duell mit Jürgen Klopp und dem LFC: „Ich habe maximalen Respekt vor ihm, seinem Trainerstab und seinem Team. Es wird ein fantastisches Finale mit zwei Teams mit unterschiedlichen Charakteristiken.“ Wenn die Königlichen eine ähnliche Intensität und Leidensbereitschaft wie gegen City an den Tag legen, dann sollte auch die letzte Hürde machbar sein.
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