Kommentar

Dreckwäsche à la Barça: Vize Cardoner holt Franco-Märchen raus

Drei Tage vor dem Clásico (Samstag, 20:30 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker) setzt es den nächsten Giftpfeil aus Barcelona. Doch nicht ein aktueller oder ehemaliger Spieler der Culés schießt gegen Real Madrid, sondern in Jordi Cardoner ein Offizieller. Dass mal wieder das Märchenbuch mit Kapitel Franco aufgeschlagen wird, macht die Attackte von Barças Vize-Präsident umso peinlicher, zumal Hinweise eher darauf hindeuten, dass nicht die Königlichen, sondern die Blaugrana vom spanischen Diktator profitierten. REAL TOTAL-Redakteur Nils Kern reicht’s jedenfalls.

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real madrid gegen barcelona, el clásico
Nicht nur während, sondern schon vor dem Hass-Duell setzt es Tritte aus Barcelona

Barça-Vize jammert: „Franco bevorzugte Madrid“

BARCELONA. Was wäre ein Clásico, ohne dass im Vorfeld diverse Märchenbücher aufgeschlagen werden? Vor allem mit Geschichten vom angeblichen „Franco-Klub“ Real Madrid und der vermeintlichen finanziellen wie sportlichen Bevorzugung des spanischen Diktators wappnen sich Gegner des spanischen Rekordmeisters nur zu gerne. Dass es weder Beweise (beispielsweise in Form von Dokumenten oder Fotos) noch sonstigen begründeten Verdacht gibt, Spaniens von 1939 bis 1975 amtierender Diktator Francisco Franco habe wirklich die Königlichen bevorzugt, verdrängen Herrschaften von Seiten Atléticos oder aktuell Barcelonas nur zu gerne. Und dennoch ließ es sich Barças zweiter Vizepräsident nicht nehmen, vor dem Clásico (Samstag, 20:30 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker) Dreckwäsche auszupacken: „In der Ära von Franco gab es ein bevorzugtes Team, das Europapokale gewann, das war Real Madrid. Und dadurch litten wir sehr“, wird Jordi Cardoner im argentinischen Magazin Clarín zitiert. Dass Spanien nicht allzu stolz auf die Zeit des Franquismus’ ist, dürfte man im deutschsprachigen Raum verstehen, wie kein anderer. Aber sportlich gelitten, weil vernachlässigt?

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Weder Cardoner noch sonst wer haben Beweise

Derartige Attacken seitens der komfortabel vorne liegenden Katalanen, so kurz vor einem sportlich gesehen kaum noch bedeutsamen Duell, kommen leider wenig überraschend. Was deren Unbegründetheit noch schlimmer macht. Während Real Madrid als Klub einer der größten Barça-Legenden – Johan Cruyff – zuletzt die letzte Ehre erwies und die königliche „Abteilung Attacke“ unbesetzt erscheint, hagelt es von der Costa Brava regelmäßig Giftpfeile – ob durch den des Kläffens nie müde werdenden Gerard Piqué (MEHR) oder zuletzt in Person des sonst so respektierten und mit allerlei Orden ausgezeichneten Xavi Hernández (MEHR).

Die Franco-Beschuldigungen bilden ein ganz anderes Level. Und sind schlichtweg nicht begründet! Drehen wir mal den Spieß um, und schauen uns sportliche Fakten an. Wie lief es denn in den ersten Jahren unter Franco? Von 1939 bis 1953 dominierten zwei Klubs die Primera División, und davon war keiner Real Madrid. Fünf Mal wurde Barcelona Meister, vier Mal Atlético (welches, um sich vor dem Ruin zu schützen, 1939 einen sportlich wie finanziellen erfolgreichen Deal mit der spanischen Luftwaffe schnürte und zu „Atlético Aviación“ umbenannte). Und die Blancos? Null! Was soll diese angebliche „Bevorzugung“ beinhaltet haben? Stahlkappen-Stollenschuhe und Trainingseinheiten auf dem Minenfeld? Nun gut: Dass in Francos ersten 15 Jahren kein Klub mehr feierte als der FCB, ist nun belegt.

1954 änderte sich das. Eine neue Ära begann und Real gewann bis 1980 nicht nur 18 Mal die Liga (mit Francos Tod 1975 endete sein Regime), sondern auch den 1955 eingeführten Europapokal fünf Mal in Folge. Laut Cardoner soll Real also aufgrund Franco diese Europapokale gewonnen haben? Mir wurde in Geschichte gelehrt, Franco regierte nur Spanien, nicht Europa. Vielleicht lernte man in Katalonien etwas anderes? Sei’s drum: Ob diese sportliche Dominanz möglicherweise eher sportlichen statt politischen Ursprungs ist? Immerhin wechselten 1953 mit Alfredo Di Stéfano, Héctor Rial und Francisco Gento drei der besten Kicker der Fußballgeschichte nach Spanien und formten mit beispielsweise Miguel Muñoz eines der besten Teams der Geschichte… doch selbst davon will Señor Cardoner in seiner Verbissenheit nichts wissen. „Wir waren in einer schwierigen Situation und fragten uns, warum Di Stéfano nicht zu uns wechselte, wo er doch schon unser Trikot trug“, jammerte der Barça-Funktionär. Nun stellt das Tauziehen um den einzigen Besitzer des Super Ballon d’Ors auch 63 Jahre danach noch ein Mysterium dar. Denn Di Stéfano absolvierte durchaus Testspiele für die „Blaugrana“, Madrid entschied das Tauziehen aber letzten Endes für sich. Doch zu behaupten, ein Diktator nutzte diesen Zwist, um einem anderen Klub eins auszuwischen, deucht nicht sehr weise. Jordi Cardoner darf letzten Endes sagen, was er möchte, wir leben nicht mehr unter der Tyrannei eines Alleinherrschers. Doch diese Worte sind weder überlegt noch belegt, geschweige denn, dass sie sie den Ruf des derzeit sportlich „leider geil“ agierenden Barças noch seinem persönlichen fördern.

Real der „Franco-Klub“? Indizien deuten eher auf Barcelona

Und da mein Spieß noch umgedreht ist: Es lassen sich durchaus Hinweise finden, Francos Unterhosen (sofern er sich überhaupt für Sport interessierte) waren eher rot-blau. So wird unter anderem gemunkelt, als Barcelona 1951, 1962 und 1965 vor dem Bankrott stand, hauchte die Regierung dem Klub wieder Leben ein. Und auch wenn das noch lange nichts beweist: Von Barças Ex-Präsident Agustí Montal gibt es sehr wohl Fotos mit Franco (siehe Tweet oder diesen anderen Beleg). Mit Offiziellen der Merengues – wie bereits erwähnt – keine. Ein weiterer Indiz: Die Copa del Rey wurde von 1939 bis 1976 in „Copa del Generalísimo“ umbenannt. Und welcher Klub gewann wohl mehr „Franco-Trophäen“? Barcelona neun, Madrid sechs. Aber all das ist eine andere Geschichte (und Spanischsprechenden empfehle ich die Verdachtssammlung von okdiario.com).

Sei’s drum. Ein weiterer Giftpfeil ist abgefeuert, die Welt wird sich auch nach dem Clásico weiter drehen. Ein Konter? Wie es schon die Hymne vorsieht, bleiben die Offiziellen von der Concha Espina ganz „Caballeros del Honor“ (Ehrenmänner) und lassen das alljährliche Keifen aus dem Osten über sich ergehen, ohne gegenzufeuern. In der Hinsicht vertraut man ganz auf seine Spieler. In diesem Sinne: Auf einen mitreißenden, sportlich-fairen Clásico mit einem würdigen Sieger!

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von
Nils Kern

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