
1. Madrid braucht einen weiteren Mittelstürmer
Es war das große Streitthema im Sommer und sollte den Königlichen am Ende tatsächlich auf die Füße fallen: Man ließ mit Álvaro Morata einen der besten Scorer der Spielzeit 2016/17 und mit Mariano Díaz auch noch dessen potentiellen Ersatz ziehen, bemühte sich aber nicht um adäquaten Ersatz für das Sturmzentrum. Stattdessen ging man lediglich mit Karim Benzema als einzigen nominellen Stürmer in die Saison und vertraute auf die „Notlösung“ mit Cristiano Ronaldo in der Spitze sowie den sehr unerfahrenen Borja Mayoral als dritte Option. Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich insbesondere während der holprigen Hinrunde zeigen sollte. Abgesehen davon, dass Benzema eine auch für seine Verhältnisse äußerst schwache Torquote an den Tag legte (elf Tore aus 48 Partien), ging dem Spiel der Blancos insbesondere in Abwesenheit von Ronaldo die nötige Durchschlagskraft vor dem gegnerischen Gehäuse ab. Und das aus einem ganz einfachen Grund: Weil man die offensiven Räume, vor allem im Strafraum, nicht entsprechend besetzt bekam und dem Madrider Spiel so ein dringend benötigter Zielspieler fehlte.
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Die fehlende Torgefahr beziehungsweise mangelnde Durchschlagskraft dabei alleine an Benzema festzumachen, ist jedoch zu einfach – und würde der Nummer 9 der Blancos auch nur bedingt gerecht werden. Schließlich ist der Franzose nicht erst seit gestern dafür bekannt, sich vermehrt im Zehnerraum aufzuhalten und eher der mitspielende Typus des Mittelstürmers zu sein, der einen funktionierenden Partner an seiner Seite braucht. Vielmehr muss man an dieser Stelle den Madrider Verantwortlichen vorwerfen, den Kader nicht mit den nötigen Optionen ausgerüstet zu haben, um auf etwaige Ausfälle wie den von Ronaldo oder entsprechende Spielsituationen reagieren zu können. Moratas Tore und auch Jokerqualitäten wurden oftmals schmerzlich vermisst und waren letztlich wohl auch einer der Hauptfaktoren, weshalb man es dieses Jahr eben nicht schaffte, sowohl in Liga als auch Copa del Rey bis zum Ende um den Titel zu spielen.
Mit Blick auf die kommende Saison muss es also das Ziel sein, dieses bestehende Vakuum im Kader zu füllen. Dabei geht es jedoch keineswegs darum, Benzemas Daseinsberechtigung im königlichen Kader in Frage zu stellen, sondern der Offensive eine weitere Handlungsoption mit den gefragten Qualitäten hinzuzufügen. Ob diese dabei im ganz großen Rahmen ausfallen wird oder eher „gemäßigt“, beispielsweise durch den Rückkauf eines Mariano Díaz, liegt allerdings in den Händen von Zidane und Florentino Pérez.
2. Nur mit „jungen Wilden“ geht es nicht
Eine (schmerzhafte) Erkenntnis dieser Spielzeit: Nur mit dem Jugendweg geht es nicht. Funktionierte Zidanes B-Elf-Konzept 2016/17 – der ersten großen Double-Saison seit 1958 – vor allem deshalb so gut, weil auch die zweite Reihe nahezu durchweg mit gestandenen Spielern á la James, Morata und Pepe bestückt war, musste die junge zweite Garde der Merengues in dieser Spielzeit oftmals Lehrgeld bezahlen. Bei allem Talent, das Daniel Ceballos, Achraf Hakimi und Co. zweifelsohne mitbringen, zeigte sich in vielen Situationen, dass der Schritt zu Real Madrid möglicherweise doch ein wenig zu früh erfolgte. Natürlich muss man in diesem Zusammenhang auch das B-Elf-Konzept des Franzosen hinterfragen, da die zweite Garde oftmals ohne Spielpraxis auflief und so kaum Chancen hatte, den entsprechenden Rhythmus zu finden, dennoch war die fehlende Erfahrung in vielen Situationen, insbesondere beim bitteren Pokal-Aus gegen Leganés, durchweg offensichtlich.

Auch wenn das Experiment, überwiegend auf eine zweite Reihe mit „jungen Wilden“ zu setzen, mehr oder weniger schief ging, muss Reals neu eingeschlagener Weg, vermehrt auf spanische Talente und den eigenen Nachwuchs zu bauen, nicht wieder komplett umgeworfen werden. Denn wie heißt es so schön: Auf die Mischung kommt es an. Durch geschickte Leihgeschäfte und moderate Anpassungen in der Kaderstruktur sollte man auch in dieser Hinsicht zur kommenden Spielzeit wieder schlagkräftig aufgestellt sein.
3. Real mangelt es an Kreativität und Torgefahr aus dem Mittelfeld
Auch wenn sich die Königlichen in der Rückrunde zunehmend stabilisierten, zog sich eine Schwäche wie ein roter Faden durch die gesamte Spielzeit: Vor allem gegen tiefstehende Gegner mangelte es im letzten Drittel an Kreativität und Überraschungsmomenten, zu oft vermisste man den berühmt berüchtigten letzten Pass beziehungsweise verlor sich in uninspiriertem Flankenspiel. Ein Problem, das vermehrt auf die vorhandenen Spieltypen im Kader zurückzuführen ist: Mit Toni Kroos, Luka Modrić, Mateo Kovačić oder auch Dani Ceballos oder Marcos Llorente hat man überwiegend strategisch veranlagte zentrale Mittelfeldspieler in den eigenen Reihen, bis auf Isco findet sich kein vermeintlicher Kreativspieler wieder. Das Ergebnis war ein oft statisch anmutendes Offensivspiel ohne Überraschungsmomente.
Zieht man noch Reals mangelnde Torgefahr aus dem (offensiven) Mittelfeld hinzu, zeichnet sich ein klares Bild: Es fehlt ein Spielertyp, der kreative Momente und Torgefahr verbindet und durch Rhytmuswechsel für Chaos in den gegnerischen Abwehrreihen sorgt – so wie es 2016/17 noch James Rodríguez tat. Mit Neymar oder auch Eden Hazard schwirren aktuell allerdings schon reichlich prominente Namen durch die Gerüchteküche, sodass damit zu rechnen ist, dass die Königlichen einen Spieler dieses Profils auch verpflichten wollen.
Unser Fazit
Real benötigt keineswegs einen Umbruch, sondern gezielte Investitionen an den richtigen Stellen. Dass diese Anpassungen, beispielsweise auf der Stürmerposition, durchaus in die Dimension eines Galáctico-Transfers vorstoßen können, ist auf alle Fälle denkbar, eigentlich sogar sehr wahrscheinlich. Zudem ist davon auszugehen, dass einige junge Spieler den Klub (auf Leihbasis) verlassen werden und die Kaderstruktur im nächsten Jahr ein wenig überarbeitet wird. Eine groß angelegte Revolution wird es allerdings nicht geben. Diese ist genau genommen aber auch nicht nötig.
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