Analyse

Drei zentrale Lehren aus Reals schwacher LaLiga-Saison

Mit dem dritten Champions-League-Erfolg in Serie könnte Real Madrid ein weiteres Mal Geschichte schreiben, nichtsdestotrotz sollte die schwache LaLiga-Saison Anlass sein, gewisse Dinge kritisch zu hinterfragen. REAL TOTAL zieht drei zentrale Lehren aus dem schwachen Abschneiden in Meisterschaft und Pokal.

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Reals Saison hinterlässt Fragezeichen – Foto: Christof Stache/Alexander Hassenstein/Bongarts/Aitor Alcalde/AFP/Getty Images

1. Madrid braucht einen weiteren Mittelstürmer

Es war das große Streitthema im Sommer und sollte den Königlichen am Ende tatsächlich auf die Füße fallen: Man ließ mit Álvaro Morata einen der besten Scorer der Spielzeit 2016/17 und mit Mariano Díaz auch noch dessen potentiellen Ersatz ziehen, bemühte sich aber nicht um adäquaten Ersatz für das Sturmzentrum. Stattdessen ging man lediglich mit Karim Benzema als einzigen nominellen Stürmer in die Saison und vertraute auf die „Notlösung“ mit Cristiano Ronaldo in der Spitze sowie den sehr unerfahrenen Borja Mayoral als dritte Option. Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich insbesondere während der holprigen Hinrunde zeigen sollte. Abgesehen davon, dass Benzema eine auch für seine Verhältnisse äußerst schwache Torquote an den Tag legte (elf Tore aus 48 Partien), ging dem Spiel der Blancos insbesondere in Abwesenheit von Ronaldo die nötige Durchschlagskraft vor dem gegnerischen Gehäuse ab. Und das aus einem ganz einfachen Grund: Weil man die offensiven Räume, vor allem im Strafraum, nicht entsprechend besetzt bekam und dem Madrider Spiel so ein dringend benötigter Zielspieler fehlte.

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Die fehlende Torgefahr beziehungsweise mangelnde Durchschlagskraft dabei alleine an Benzema festzumachen, ist jedoch zu einfach – und würde der Nummer 9 der Blancos auch nur bedingt gerecht werden. Schließlich ist der Franzose nicht erst seit gestern dafür bekannt, sich vermehrt im Zehnerraum aufzuhalten und eher der mitspielende Typus des Mittelstürmers zu sein, der einen funktionierenden Partner an seiner Seite braucht. Vielmehr muss man an dieser Stelle den Madrider Verantwortlichen vorwerfen, den Kader nicht mit den nötigen Optionen ausgerüstet zu haben, um auf etwaige Ausfälle wie den von Ronaldo oder entsprechende Spielsituationen reagieren zu können. Moratas Tore und auch Jokerqualitäten wurden oftmals schmerzlich vermisst und waren letztlich wohl auch einer der Hauptfaktoren, weshalb man es dieses Jahr eben nicht schaffte, sowohl in Liga als auch Copa del Rey bis zum Ende um den Titel zu spielen.

Mit Blick auf die kommende Saison muss es also das Ziel sein, dieses bestehende Vakuum im Kader zu füllen. Dabei geht es jedoch keineswegs darum, Benzemas Daseinsberechtigung im königlichen Kader in Frage zu stellen, sondern der Offensive eine weitere Handlungsoption mit den gefragten Qualitäten hinzuzufügen. Ob diese dabei im ganz großen Rahmen ausfallen wird oder eher „gemäßigt“, beispielsweise durch den Rückkauf eines Mariano Díaz, liegt allerdings in den Händen von Zidane und Florentino Pérez.

2. Nur mit „jungen Wilden“ geht es nicht

Eine (schmerzhafte) Erkenntnis dieser Spielzeit: Nur mit dem Jugendweg geht es nicht. Funktionierte Zidanes B-Elf-Konzept 2016/17 – der ersten großen Double-Saison seit 1958 – vor allem deshalb so gut, weil auch die zweite Reihe nahezu durchweg mit gestandenen Spielern á la James, Morata und Pepe bestückt war, musste die junge zweite Garde der Merengues in dieser Spielzeit oftmals Lehrgeld bezahlen. Bei allem Talent, das Daniel Ceballos, Achraf Hakimi und Co. zweifelsohne mitbringen, zeigte sich in vielen Situationen, dass der Schritt zu Real Madrid möglicherweise doch ein wenig zu früh erfolgte. Natürlich muss man in diesem Zusammenhang auch das B-Elf-Konzept des Franzosen hinterfragen, da die zweite Garde oftmals ohne Spielpraxis auflief und so kaum Chancen hatte, den entsprechenden Rhythmus zu finden, dennoch war die fehlende Erfahrung in vielen Situationen, insbesondere beim bitteren Pokal-Aus gegen Leganés, durchweg offensichtlich.

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Auch wenn das Experiment, überwiegend auf eine zweite Reihe mit „jungen Wilden“ zu setzen, mehr oder weniger schief ging, muss Reals neu eingeschlagener Weg, vermehrt auf spanische Talente und den eigenen Nachwuchs zu bauen, nicht wieder komplett umgeworfen werden. Denn wie heißt es so schön: Auf die Mischung kommt es an. Durch geschickte Leihgeschäfte und moderate Anpassungen in der Kaderstruktur sollte man auch in dieser Hinsicht zur kommenden Spielzeit wieder schlagkräftig aufgestellt sein.

3. Real mangelt es an Kreativität und Torgefahr aus dem Mittelfeld

Auch wenn sich die Königlichen in der Rückrunde zunehmend stabilisierten, zog sich eine Schwäche wie ein roter Faden durch die gesamte Spielzeit: Vor allem gegen tiefstehende Gegner mangelte es im letzten Drittel an Kreativität und Überraschungsmomenten, zu oft vermisste man den berühmt berüchtigten letzten Pass beziehungsweise verlor sich in uninspiriertem Flankenspiel. Ein Problem, das vermehrt auf die vorhandenen Spieltypen im Kader zurückzuführen ist: Mit Toni Kroos, Luka Modrić, Mateo Kovačić oder auch Dani Ceballos oder Marcos Llorente hat man überwiegend strategisch veranlagte zentrale Mittelfeldspieler in den eigenen Reihen, bis auf Isco findet sich kein vermeintlicher Kreativspieler wieder. Das Ergebnis war ein oft statisch anmutendes Offensivspiel ohne Überraschungsmomente.

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Zieht man noch Reals mangelnde Torgefahr aus dem (offensiven) Mittelfeld hinzu, zeichnet sich ein klares Bild: Es fehlt ein Spielertyp, der kreative Momente und Torgefahr verbindet und durch Rhytmuswechsel für Chaos in den gegnerischen Abwehrreihen sorgt – so wie es 2016/17 noch James Rodríguez tat. Mit Neymar oder auch Eden Hazard schwirren aktuell allerdings schon reichlich prominente Namen durch die Gerüchteküche, sodass damit zu rechnen ist, dass die Königlichen einen Spieler dieses Profils auch verpflichten wollen.

Unser Fazit

Real benötigt keineswegs einen Umbruch, sondern gezielte Investitionen an den richtigen Stellen. Dass diese Anpassungen, beispielsweise auf der Stürmerposition, durchaus in die Dimension eines Galáctico-Transfers vorstoßen können, ist auf alle Fälle denkbar, eigentlich sogar sehr wahrscheinlich. Zudem ist davon auszugehen, dass einige junge Spieler den Klub (auf Leihbasis) verlassen werden und die Kaderstruktur im nächsten Jahr ein wenig überarbeitet wird. Eine groß angelegte Revolution wird es allerdings nicht geben. Diese ist genau genommen aber auch nicht nötig.

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

Kommentare
Ja klar stimmt das alles. Aber mal im Ernst jetzt, ist das nicht peinlich für unser große Real Madrid, dass man das jetzt schreiben muss?! Es war doch wohl jedem mit ein wenig Verstand klar, dass es nach diesem Desaster im letzten Transfersommer mit den Verkauf von Weltklasse und dem Ersatz durch diese angeblichen Talente so kommen wird.
Ich kann mich aber noch so gut erinnern als hier Berichte waren, die vermitteln sollten wie klug diese Transferpolitik doch ist und jeder, der diesen offensichtlichen Aderlass an Qualität ansprach als Hater und ich was nicht was abgestempelt wurde.
Man war mit dem CL Sieg und der Meisterschaft dabei eine Ära zu starten und hat das mit Füßen getreten in dem man zB James verschenkte. Man steht jetzt im CL Finale, was für den Stamm der Mannschaft spricht, denn der ist natürlich noch immer top. Leider wird es dann aber eng und sobald Spieler wie Hakimi, Ceballos, Vazquez oder Mayoral ran mussten, war das ein Qualitätsverlust von enormen Ausmaß.
Eine Schande, dass man das nicht richtig einzuschätzen wusste aber ich bin mir fast sicher, dass wird sich diesem Sommer weiterziehen, vor allem wenn wir das Finale gewinnen würden. Einige Entscheidungsträger sind da seit geraumer Zeit ernorm verblendet und auch nicht in der Lage Spieler mit Real-Niveau zu verpflichten, probiert hat man es ja durchaus einige Male.
 
Prinzipiell ein sehr guter Artikel, dennoch fehlt mir noch einer Personalie und die wäre James. Er hatte vorriges Jahr (obwohl als Ersatzspieler!!!) eine enorm gute Torquote und wäre einer dieser "genialen" Spieler, welche neben Isco im Mittelfeld oder auch auf den Außenbahnen glänzen könnte. Ihn abzugeben (wenn auch auf eigenen Wunsch) war meines Erachtens ein schwerer Fehler.

Aber schauen wir mal wie der Sommer so verlaufen wird. Ich glaube es wird die eine oder andere Überraschung auf uns warten :) Hala Madrid!
 
"bis auf Isco findet sich kein vermeintlicher Kreativspieler wieder."

wie kann man bitte das beste mittelfeld trio der welt als nicht kreativ bezeichnen? Isco ist ein dribbler auf engen raum aber sicherlich keinen deut kreativer als ein modric oder kroos im gegenteil isco macht oft die immer gleichen fehler das hat für mich nix mit kreativität zu tun. Ein modric lässt eine komplette abwehr mit einem genialen außenristpass stehen oder macht mit einer halben bewegung das komplette pressing vom gegner zu nichte. Kroos schafft es mit einpaar langen bällen das komplette spiel neu zu gestalten und lenkt unsere angriffe aus der tiefe. Das ist für mich eine enorme kreativität.

Unser mittelfeld ist sicherlich nicht schuld an der verkorksten la liga saison, wir waren in nahezu jedem spiel spielerisch besser, das problem ist wie im ersten teil beschrieben, wenn vorne kein 9er ist der die bälle annehmen kann dann können die mittelfeldspieler logischerweise auch niemanden anspielen. So waren wir gezwungen immer wieder flanken ins nichts zu schlagen.

Das einzige was wir sehr dringend brauchen ist ein weltklasse 9er besonders einen der benzema mal richtig dampf machen kann. Diaz ist gut, aber er ist auch nicht besser als morata und wird sicherlich auch nicht mehr vertrauen von ZZ bekommen als Morata. Ich will da vorne jemanden haben den man auch mal in einem classico bringen kann, richtige konkurrenz! Benzema hat jetzt schon 2 jahre ferien auf der 9er position gemacht wäre nett mal wieder einen richtigen motivierten spieler zu haben der die ganze saison über dampf macht und nicht erst in den letzten 10spielen.
 
Hmm, da ließ nochmal Punkt 3 ;)

Prinzipiell ein sehr guter Artikel, dennoch fehlt mir noch einer Personalie und die wäre James. Er hatte vorriges Jahr (obwohl als Ersatzspieler!!!) eine enorm gute Torquote und wäre einer dieser "genialen" Spieler, welche neben Isco im Mittelfeld oder auch auf den Außenbahnen glänzen könnte. Ihn abzugeben (wenn auch auf eigenen Wunsch) war meines Erachtens ein schwerer Fehler.

Aber schauen wir mal wie der Sommer so verlaufen wird. Ich glaube es wird die eine oder andere Überraschung auf uns warten :) Hala Madrid!
 
Es war 2017 ein schlechter Transfersommer. Aber ich glaube der Vorstand weiß, dass sie Mist gebaut haben und gibt daher Zidane keine Schuld. Selbst bei einer Finalniederlage in der Champions League wird man ein Auge zudrücken und Zidane nicht entlassen. Mit einem schlechterem Kader als in der Vorsaison kann man sich halt schwer verbessern.
 
Kann da nur voll Zustimmen. Die Kreativität und Torgefahr im Mittelfeld hat definitiv gefehlt. Man muss es ja nur an der Preisstatistik ablesen, dass unser Mittelfeld oft die sicheren Pässe wählen. Diesen Überraschungsmoment gibt es nicht wirklich oft. Wobei das Spielsystem eigentlich so ausgelegt ist, dass es auch ohne diesen gut auskommen sollte. Wenn man es ganz runter rechnet, gab es 2 Probleme: 1. zu Saisonbeginn hat Ronaldo nicht getroffen. (Benz lass ich mal aus) und die 2. Garde hat nicht so überzeugt, wie letztes Jahr.

Das Problem erkennen, ist das eine, eine Lösung zu finden aber ganz was anderes. Auch wenn man Real Madrid ist und sicher genug Geld auf der Kante hat, wird es schwer, ein Upgrade für Benzema zu finden. Er müsste spielerisch gut sein, Bälle halten können und noch dazu irgendwie am markt sein. Alles über 27 fallt mMn auch schon weg. Da bleiben dann Dyballa, Mbappe, Kane und vielleicht Jesus und Icardi und (mit Abstrichen).

Könnte ich mir etwas aussuchen? Dann wären es Hazard (Kreativität), Mbappe (Torabschluss) und De Gea (Fußballerisch)
 
Ich bin sowas von gespannt, wie wir uns diesen Sommer am Transfermarkt anstellen werden. Klar 2mal die CL nacheinander zu gewinnen ist schon eine Hausnummer aber jetzt noch zum dritten Mal in Folge und insgesamt zum 4mal in 5 Jahren wäre unbeschreiblich. Dennoch sollten sich die Verantwortlichen im Klaren sein, was letztes Jahr falsch gemacht wurde, um nicht den gleichen Fehler zu wiederholen...
 
Es liegt an der schwachen Bank.
Man muss sich ja nur beim fast ungeschlagenen Meister umsehen. Die weltklasse Bank um Mina, Digne, Paulinho, André Gomes, Denis Suarez und Paco Alcacer machts möglich.
 

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