Interview

Ein Interview und seine Folgen

Lange hat ein Interview nicht für ein derartiges Durcheinander gesorgt wie jenes, das Carlo Ancelotti der englischsprachigen Dubai-Zeitung GULF NEWS während Madrids Doha-Aufenthalts Anfang Januar gab. Seltsam dabei und der Stein des Anstoßes: Was hat der 54-Jährige gegenüber GULF NEWS sagte, reproduzierte GULF NEWS anders wieder. Der Real-Coach habe angeblich mitgeteilt, den Verkauf von Mesut Özil zu bedauern, was er schließlich aber ausdrücklich dementierte. Apropos dementieren: Pressesprecher Carlos Carbajosa schob in einer Mitteilung nicht nur den Aussagen über Özil, sondern gleich mal dem ganzen Gespräch einen Riegel vor und trat damit deswegen ins Fettnäpfchen, da die Sportzeitung AS Tonbänder der Unterhaltung veröffentlichte. REAL TOTAL rollt auf und erklärt.

457
Carlo Ancelotti
Carlo Ancelotti wurden Worte in den Mund gelegt

Interview: ja – Reue wegen Özil-Verkauf: nein

MADRID/DUBAI/DOHA. Trauert Carlo Ancelotti Spielmacher Mesut Özil hinterher? Zumindest laut einem Interview, das der Übungsleiter der Königlichen GULF NEWS zu Beginn des Monats im Rahmen des Testspiels in Doha gegen Paris St. Germain (1:0) gab, tut er das. „Ich denke, dass wir einen Fehler begangen haben, indem wir Özil die Möglichkeit gaben, den Klub zu verlassen“, wurde der 54-Jährige kürzlich von der englischsprachigen Zeitung aus Dubai zitiert. Plötzliche Reue, nachdem er seit dem 50-Millionen-Euro-Verkauf des Spielmachers an Arsenal doch stets zu hundert Prozent zu seiner Entscheidung, lieber einen Ángel Di María anstatt Özil in der Mannschaft zu haben, stand? Und das auch noch in aller Öffentlichkeit gegenüber einem nicht weiter bekannten Blatt?

[advert]

Für nicht wenige schwer vorstellbar. „Carletto“ bestätigte sie in ihrer Skepsis und ärgerte sich am vergangenen Freitag auf der Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel bei Betis Sevilla (5:0) darüber, wie nicht nur GULF NEWS, sondern auch spanische Sportgazetten über dieses Gespräch berichteten – allesamt nichts als böse Zungen, so Ancelotti: „Es ist weder das erste noch das letzte Mal, dass Aussagen von mir erfunden werden. Mich hat es überrascht, dass ein Journalist das erfunden hat. Das ist ein klares, abgeschlossenes Thema und das habe ich mehrere Male erklärt. Über Özil gibt es nichts mehr zu sagen. Das Thema ist aus der Welt geschafft.“

Nach dieser Klarstellung des italienischen Fußball-Lehrers wurde nicht nur das angeblich über den „Gunners“-Star Gesagte mit einer immer fragwürdigeren Miene betrachtet – zugleich mehrten sich auch die Zweifel, dass Ancelotti überhaupt auch nur ein Wort mit GULF NEWS wechselte. Die Zeitung eilte zur Ehrenrettung und teilte daraufhin via Twitter ausdrücklich mit: „Manche Berichte zitieren Real Madrid, in denen es heißt, Gulf News Sport hatte kein Interview mit Ancelotti. Wir trafen ihn in Doha und haben ein Interview auf Band.“ 

Gulf News Sport Carlo Ancelotti
Tweet von GULF NEWS am letzten Freitag

Real-Pressesprecher dementiert ein Interview, das es gab

Ja, das haben sie. Die spanische Sportzeitung AS wählte kurzerhand die Nummer der GULF NEWS-Redaktion, klingelte in den Emiraten durch und ließ sich die Unterhaltung mit Carlo Ancelotti im Originalton zukommen. In Wirklichkeit reagierte der Übungsleiter auf die Frage, ob er Özil vermisse, zunächst mit einem Lachen, ehe er berichtete: „Nein, denn wenn wir ihn vermissen würden, würde das ja bedeuten, dass wir einen Fehler gemacht haben.“ Kurios dabei ist, dass die Falsch-Aussage bis zum jetzigen Zeitpunkt auf der Website von GULF NEWS präsent ist und nicht korrigiert wurde, wo auf den Tonbändern doch etwas ganz anderes vom Real-Coach zu hören ist. Fragt sich nur: Warum?

Als noch unglücklicher in diesem „Interview-Dilemma“ erweist sich die Reaktion von Reals Pressechef Carlos Carbajosa: Bereits unmittelbar nach Erscheinen wies er nicht nur das Thema Özil, sondern das komplette Gespräch mit dem Dubai-Blatt via SMS ins Reich der Fabeln. Die AS machte die Nachricht von Carbajosa öffentlich: „Hallo Freunde, ich bedaure, euch zu stören, um zu leugnen, dass Carlo Ancelotti weder dem Medium GULF NEWS noch einem anderen ein Interview gegeben hat. Und auch leugnen, dass er in dieser Hinsicht Aussagen über Mesut Özil gefällt hat. Wie ihr gut wisst, war der Diskurs des Trainers bezüglich des Abgangs von Mesut immer derselbe: größter Respekt gegenüber ihm, das Verantwortungsbewusstsein für seinen Weggang von Real Madrid und die Zufriedenheit, auf den Kader zu zählen, den er hat. Es fehlt der geringste journalistische Sinn, um Gegenteiliges zu denken. Sowohl das angebliche Interview als auch der Inhalt sind eine Lüge, wie es die überwiegende Mehrheit es von Minute eins an erraten konnte.“

Sportblatt AS entpuppt sich als stiller Profiteur

Aufgrund der Tatsache, dass Ancelotti sehr wohl mit GULF NEWS sprach, muss man sich auch hier fragen: Warum? Warum dieses Carbajosa-Dementi, wenn Ancelotti das Gespräch nie dementierte, lediglich die zitierten Aussagen? Gab es Kommunikationsprobleme? Oder wusste der Medienvertreter schlicht nichts von Kontakten zwischen dem Nachrichtenblatt und dem 54-Jährigen, was jedoch als unwahrscheinlich gilt? Weil diese Frage offen stehen bleibt, bleibt auch das Bild eines in dieser Posse blamabel wirkenden Real Madrid erhalten.

Klammheimlicher Sieger im wirren Thema ist die AS, die seit geraumer Zeit mit den Blancos und im Speziellen Präsident Florentino Pérez auf Kriegsfuß steht. Erst das Band aus den Emiraten für den einen oder anderen Groschen besorgt, schließlich veröffentlicht und Real Madrid samt dessen Presseabteilung damit in ein schlechtes Licht gerückt. Lediglich Ancelotti konnte seinen Hals aus der Schlinge ziehen, denn gelogen hatte er zumindest nicht…

Folge REAL TOTAL auch auf TwitterFacebookGoogle+ und Instagram

0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes
von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Verwandte Artikel

„Es ist nie zu spät!“ Pochettino weiß dank Mbappé: Träume werden Real

In seiner jüngsten Gastrolle bei El Chiringuito gewährte Mauricio Pochettino, ehemals Trainer...

Sergio Ramos bot sich Real Madrid an: „Tür immer aufgemacht“

Sergio Ramos habe Real Madrid nach eigener Aussage eine Rückkehr angeboten –...

Carvajal spricht offen: „Wechsel war notwendig“

Daniel Carvajal heißt den Wechsel auf der Trainerbank von Real Madrid gut...

Guardiola: „Bin der Trainer mit den meisten Spielen im Bernabéu“

Real Madrid gegen Manchester City - auch in der Champions-League-Saison 2025/26 soll...