Reportage

Ein Warnschuss zur rechten Zeit? Ancelotti deutet Umdenken an

Real Madrid gelingt nach einem erneuten Kraftakt gegen UD Almería abermals die späte Wende, doch der Auftritt gegen den Tabellenletzten sorgt auch für nachdenkliche Minen bei den Königlichen. Insbesondere Carlo Ancelotti zeigt sich im Anschluss an die Begegnung extrem selbstkritisch. Möglicherweise könnte die Partie gegen die Andalusier ein Warnschuss zur rechten Zeit gewesen sein, um für die finale Phase der Saison ein paar Anpassungen vorzunehmen.

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Carlo Ancelotti Real Madrid Startelf
Ancelotti zeigte sich nach dem 3:2 selbstkritisch – Foto: Yasser Bakhsh, Alex Caparros/Getty Images

Ancelotti spart nicht mit Selbstkritik

Carlo Ancelottis Pressekonferenzen sind nicht gerade dafür bekannt, der Ursprung großer Sensationsmeldungen zu sein. Dafür ist der Italiener viel zu diplomatisch und zu lange im Geschäft. Nach dem hart erkämpften 3:2-Erfolg über Schlusslicht UD Almería machte der 64-Jährige jedoch eine Ausnahme und nahm kein Blatt vor den Mund – in seine eigene Richtung. So zeigte sich Reals Cheftrainer schonungslos selbstkritisch und bezeichnete die gewählte Aufstellung nach den Strapazen der letzten Wochen mit Supercopa und Pokal als „schlecht“: „Ich bin auf mich wütend. Ich glaube alle Spieler wollen spielen und sagen, es geht ihnen gut. Aber wir, die Trainer und Ärzte müssen am Ende über den Zustand der Spieler entscheiden und wir haben schlecht entschieden.“

Ancelotti legte sogar noch nach und gab offen zu Protokoll, dass er einige falsche Entscheidungen bei der Wahl der Startelf getroffen habe. Der Dreifach-Wechsel zur Pause sei deswegen nur folgerichtig gewesen. „Das einzige, was ich tun konnte, war wechseln, um die Dynamik des Spiels zu ändern und frische Spieler hineinzubringen. Einige Spieler haben extrem viel Kraft in der Copa del Rey gelassen und das war mir nicht bewusst. Ich habe mich in der Aufstellung geirrt. Ich wollte eine andere Aufstellung machen mit frischen Spielern und die die dann in Halbzeit zwei kamen haben frischen Wind hineingebracht.“

Mehr Rotation in den kommenden Wochen?

Tatsächlich war es vor allem die abermals mangelnde Rotation, die schon vor Spielbeginn für ein wenig Verwunderung sorgte. Schließlich beorderte Ancelotti trotz der zurückliegenden Strapazen in Superopa und Pokal mit zwei Verlängerungen sieben Spieler in die Startformation, die bislang die meisten Minuten in dieser Spielzeit gesammelt haben. Den zuletzt erfrischend aufspielenden und spritzig wirkenden Brahím Díaz, Eduardo Camavinga und Daniel Ceballos blieb abermals nur ein Bankplatz. Eine Entscheidung, die sich im Nachhinein nicht als sonderlich glücklich herausstellen sollte und bereits zur Halbzeit korrigiert wurde.

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Aber auch hier redete Ancelotti nicht lange um den heißen Brei herum: Als wir dann in die Kabine gegangen sind, habe ich mit den Spielern gesprochen, um ihnen zu sagen, wie wir weiterspielen werden. Aber ich war nicht wütend, denn der erste, denn derjenige, auf den ich sauer sein musste, war ich selbst. Wir haben das System geändert, denn klar, mit Joselu und Brahim haben wir versucht, mehr über die Außen zu kommen und Bellingham mehr in den Strafraum zu ziehen. Ich glaube, das hat gut funktioniert. Viní hat sich mehr nach innen fallen lassen, damit Fran über die Seite nach vorn stoßen konnte. Auch die Wechsel von Ceballos und Camavinga haben für mehr Energie auf dem Feld gesorgt. Die eingewechselten Spieler haben bewiesen, dass sie auch von Beginn an spielen können.“

Ein Hinweis, dass in den kommenden Wochen mit mehr Rotation zu rechnen ist? In Anbetracht der Strapazen der letzten Wochen sowie der bald wieder beginnenden Königsklasse ist hier definitiv ein Umdenken erforderlich. So war es Ancelotti selbst, der unmittelbar im Anschluss an den Supercopa-Finalsieg über Barcelona sagte: Bis jetzt haben wir es sehr gut gemacht. (Aber) wir müssen schlau sein, wenn es gefährlich wird.“ Jener Zeitpunkt scheint nun gekommen. Selbstredend sollte durch einen schwachen Auftritt nicht in Vergessenheit geraten, dass die aktuelle Spielzeit – vor allem in Anbetracht der zahlreichen Verletzungen in der Hinrunde – bislang eine sehr gute ist. Dennoch wäre es fahrlässig die gute Ausgangsposition in der Liga und eventuell sogar das Weiterkommen in Europa aufgrund mangelhafter Belastungssteuerung zu verspielen. Zumal die Spieler aus der zweiten Reihe zuletzt immer wieder schlagkräftige Argumente lieferten, um auch mal das Vertrauen von Beginn an zu erhalten.

Setzt Ancelotti jetzt öfters auf Joselu?

Was neben der fehlenden Frische zudem extrem auffiel: Insbesondere in der ersten Halbzeit taten sich die Königlichen gegen einen kompakt verteidigenden Gegner (nicht zum ersten Mal) schwer, klare Torchancen zu kreieren, weil der Neunerraum vor allem bei Durchbrüchen über Außen nur unzureichend besetzt war. Keine zwangsläufig neue Problematik, die sich mit der Einwechslung Joselus aber schlagartig änderte. Ebenfalls nicht das erste Mal, speziell gegen Gegner aus der unteren Tabellenregion.

Dass Ancelotti in den großen Spielen gegen mitspielende Gegner die mobilere Variante mit Vinícius und Rodrygo bevorzugt, ist nachvollziehbar, zumal Joselu in solchen Spielen auch von der Bank wertvollen Input liefern kann. In Spielen wie gegen Almería könnte der Canterano als Brecher und starker Kopfballspieler jedoch auch mal die Lösung von Beginn an sein – zehn Tore und vier Vorlagen in gerade einmal 1305 Einsatzminuten sind durchaus ein gewichtiges Argument. Ob Reals Cheftrainer dies in den kommenden Wochen ebenfalls öfters mal in Erwägung zieht?

Ancelotti bewies bereits nach der ersten Niederlage in dieser Spielzeit gegen Atlético (1:3), dass er zu Anpassungen bereit ist und sich keineswegs davor verschließt, Dinge zu überdenken. Möglicherweise war der Auftritt gegen Almería hier letztlich ein weiterer Warnschuss zu rechten Zeit, der sich im Nachhinein durchaus als hilfreich herausstellen könnte.

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

Kommentare
Ich hoffe das er jetzt wirklich die richtigen Schlüsse zieht und endlich entdeckt das man dem Gegner angepasst rotieren kann. Denken tu ich allerdings das wir die selbe Diskussion in spätestens 3 Wochen wieder führen werden.

Denn schon alleine wenn Rotation angesprochen wird, heißt es: "es geht nicht darum jemanden Minuten zu geben". Bei sinnvoller Rotation geht es grundsätzlich schon nicht darum jemandem Minuten zu geben sondern die Belastung zu steuern und dem Gegner angepasst aufzustellen.
 
Sehe ich genau so wie du. Carlo wird das in seinem Trainerleben nicht mehr lernen. Er hat eine bestmögliche 11 im Kopf und immer wenn er die Möglichkeit hat diese aufzustellen, dann macht er es auch. Abgesehen von Sperren und Verletzungen werden (bis auf Modric) keine Spieler geschont. Fran, Tchouameni (als IV), Modric, Brahim, Joselu und Ceballos gehörten gestern in die Startelf. Nacho, Mendy, Valverde, Kroos, Bellingham und Rodrygo auf die Bank!
Ich hoffe das er jetzt wirklich die richtigen Schlüsse zieht und endlich entdeckt das man dem Gegner angepasst rotieren kann. Denken tu ich allerdings das wir die selbe Diskussion in spätestens 3 Wochen wieder führen werden.

Denn schon alleine wenn Rotation angesprochen wird, heißt es: "es geht nicht darum jemanden Minuten zu geben". Bei sinnvoller Rotation geht es grundsätzlich schon nicht darum jemandem Minuten zu geben sondern die Belastung zu steuern und dem Gegner angepasst aufzustellen.
 
Schwierig, das wird sich bei Carlo in diesem Leben wohl nicht mehr großartig ändern, fürchte ich. Ich lese aus seinen Worten auch, dass der ein oder andere gemeint hat, fit zu sein, es aber nicht 100% war - und er (Carlo) sauer ist, auf sie gehört zu haben? Oder interpretiere ich da zu viel rein?
 
währenddessen holte Leverkusen mit ihrer B-Elf den Gruppensieg in der EL.
 

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