
Typischer Spruch von „Frente Atlético“: „Madrid hasst Real“…
„Madrid odia al Real“, ein Banner mit den Schriftzug „Madrid hasst Real“, das auf einer Brücke aufgehängt wurde, kann man wohl noch unter „normale“ Derby-Brisanz abstempeln. Wenn es nur bei dem Banner mit weißen Lettern auf rotem Grund geblieben wäre. Denn unten an der Brücke baumelte etwas. Eine Gummipuppe. Mit einem Trikot. Nicht ganz einfach zu erkennen, aber es handelt sich um eine Puppe mit dunkler Hautfarbe und Name und Nummer (20) auf der Rückseite des Trikots lassen wenig Zweifel zu: Die Atlético-„Fans“ (er)hängen Vinícius Júnior.
…aber darunter baumelt eine eindeutige Puppe
Erneuter Rassismus-Eklat in Spanien? Ganz offensichtlich, nur diesmal eben nicht im direkten Umfeld des Spiels, also nicht wie beim letzten Derby im Civitas Metropolitano, als ebenfalls vor dem Stadion eine Puppe in typischer Sklaven-Optik mit Vinícius-Trikot hochgehalten wurde. Jetzt baumelt so eine Puppe von einer Brücke in der Nähe des Madrider Messegeländes und damit auch in der Nähe des königlichen Trainingsgeländes in Valdebebas – möglicherweise auf Vinícius’ Arbeitsweg.
Was sagt das über Fußballspanien und die spanische Gesellschaft aus? Nichts gutes. Noch weniger über die spanische Justiz, die hielt nach dem Derby im September die Vorfälle vor dem und im Stadion für nicht schwer genug, stellte die Untersuchungen ein mit der Begründung, die Aktionen seien nur kurz gewesen und „während eines Spiels mit maximaler Rivalität getätigt“. Und was sagt das über die Fan-Gemeinde speziell Atléticos aus? Noch schlimmeres. LaLiga hat ein Rassismus-Problem, Atlético – allen voran der Fanklub „Frente Atlético“ – scheint in der Tabelle sogar Spitzenreiter zu sein.
Nun kann man natürlich den Anhängern der „Rojiblancos“ nicht direkt die Schuld an dieser abscheulichen Aktion zuweisen – zumindest juristisch. Denn theoretisch hätte jeder Plakat und Puppe, die möglicherweise rein zufällig ein Vinícius-Trikot trägt, aufhängen können. Aber speziell der Spruch „Madrid odia al Real“ ist bekannt von den sowohl als rechtsradikal als auch gewalttätig bekannten „Frente Atlético“. Berüchtigt ist der bei Atético nach wie vor akzeptierte Fanklub (zum Vergleich: Real Madrid hat die Ultras Sur seit Jahren aus dem Stadion verbannt) speziell für zwei Morde: 1998 wurde ein Fan von Real Sociedad erstochen, 2014 wurde ein Fan von Deportivo bei einer Massenschlägerei schwer verletzt in den Fluss Manzanares am ehemaligen Calderón-Stadion geworfen, er starb später. Übrigens: Im März 2022 kam es selbst bei einem U19-Derby zu Rassismus, als Reals Nachwuchsspieler Peter González mehrfach rassistisch beleidigt wurde – offensichtlich ebenfalls von „Frente Atlético“.
Nächste Stufe der Eskalation – Polizei ermittelt wohl
Jetzt scheint die nächste Stufe der Eskalation erreicht zu sein, wenn es nicht mehr „nur“ Rassismus ist, sondern die Puppe ganz offensichtlich erhängt wurde. Laut MARCA ermittelt inzwischen sogar die Polizei. Die nächste Stufe auf einem Weg der Schande für Atlético und ganz Spanien. All das, weil der wertvollste Spieler der Liga, der meistgefoulte Kicker in Europas Top-5-Ligen seine Tore gerne tanzend bejubelt. Dies veranlasste unter anderem Koke zu Aussagen, die das Feuer bei den rot-weißen Anhängern noch mehr anfachte. Was am 6. Spieltag zu gipfeln schien – neben der Puppe gab es sowohl vor als auch während des Spiels Affenlaute sowie Gesänge „Vinícius, du bist ein Affe“, und das nicht nur im Bereich der Ultras, sondern in vielen Teilen des Stadions – hat nun einen weiteren, traurigen Höhepunkt erreicht. Nach dem Liga-Derby war es zu weiteren rassistischen Beleidigungen gekommen, unter anderem in Valladolid, wonach Vinícius selbst in die Offensive ging. Seine Worte, LaLiga „unternimmt weiterhin nichts“, konterte Liga-Präsident Javier Tebas wenig später und führte erst einige Maßnahmen auf, schlussendlich sogar noch neue Maßnahmen ein. Liga-Verband LFP mag etwas inzwischen mehr tun, aber offensichtlich noch nicht genug – zumal das aktuelle Pokalspiel unter das Hoheitsgebiet von Verband RFEF, dem spanischen DFB fällt. Aussicht auf Folgen oder Konsequenzen für diese Aktion? Sehr überschaubar. Genauso wie die Aussicht, dass diese schändliche Aktion das Ende einer beschämenden Geschichte im spanischen Fußball darstellt.
Stellungnahmen von Atlético und Real
Update: Im Laufe des Nachmittags haben dann beide Vereine jeweils eine Stellungnahme veröffentlicht. In 199 Wörtern schreibt Atlético unter anderem, dass diese Tat „absolut widerwärtig und unzulässig“ ist und sie „eine Schande für die Gesellschaft“ darstellt, aber mögliche Konsequenzen oder Folgen wurden nicht genannt, geschweigedenn eine Entschuldigung bei Vinícius, ebenso wenig wurde eine Geste der Atlético-Mannschaft vor dem Anstoß angekündigt. Viel Blabla also? Immerhin: Atlético hofft auf die Polizei und schreibt: „Wir hoffen, dass es den Behörden gelingt, den Vorfall aufzuklären und dass die Justiz dazu beiträgt, diese Art von Verhalten zu verbannen.“
Official statement:
— Atlético de Madrid (@atletienglish) January 26, 2023
Real Madrid selbst bedankt sich bei der „Unterstützung und den Sympathiebekundungen“, die es „nach dem bedauerlichen und widerwärtigen Akt des Rassismus, der Fremdenfeindlichkeit und des Hasses gegen unseren Spieler Vinicius“ gab. Der Klub verurteilt die Handlungen und vertraut darauf, „dass diejenigen, die sich an einer solch abscheulichen Tat beteiligt haben, zur Rechenschaft gezogen werden.“ Fans hatten bereits in den letzten Tagen gefordert, der Verein möge sich stärker hinter seinen Spieler stellen, unter anderem weil Medien wie die MARCA Vinícius als Provokateur statt als Opfer darstellen.
Comunicado Oficial.#RealMadrid
— Real Madrid C.F. (@realmadrid) January 26, 2023
Gegen 14 Uhr, also noch vor den beiden Klubs hatten sich noch weitere Offizielle geäußert. Verband RFEF veröffentlichte eine nicht unbedingt detaillierte Mitteilung, in der Unterstützung für Vinícius ausgesprochen wurde. Liga-Verband LFP und ihr Präsident Javier Tebas versuchten es wenig später mit etwas deutlicheren Worten, aber die Vermutung liegt nahe, dass Team Tebas nicht allzu traurig darüber ist, dass dieser Vorfall nicht im Rahmen von LaLiga, sondern von seinem “besten Feind” Luis Rubiales, dem RFEF-Präsidenten, passiert ist.
Community-Beiträge