Reportage

„Es ist lustig, Real zu sehen und alle Geheimnisse der Spieler zu kennen“

Der Fußball ist im 21. Jahrhundert nicht bloß ein Spiel. Er ist ein Geschäft, das vom Geld bestimmt wird. FOOTBALL LEAKS stört sich daran und will der Welt mit diversen Enthüllungen vor Augen führen, „dass dieses Business zu einer großen kriminellen Organisation geworden ist“. Den Aufdeckungen zum Opfer fiel bis dato vor allem Real Madrid.

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Gareth Bale
FOOTBALL LEAKS enthüllte unter anderem, dass Madrid für Gareth Bale 100,7 Mio. Euro zahlte

FOOTBALL LEAKS mischt Fußballwelt auf

MADRID. Stillschweigen hier, Stillschweigen dort. Die Zeiten, in denen Vereine die wichtigsten Modalitäten bei ihren Transfer-Geschäften publik machten, sind inzwischen längst passé. Welche Abmachungen hinter den Kulissen getroffen werden und wie viele Millionen tatsächlich fließen, ist für die breite Öffentlichkeit kaum noch zu erfahren. FOOTBALL LEAKS will dem ein Ende bereiten. War der Name der Enthüllungsplattform zu Beginn des Jahres noch niemandem ein Begriff, ist er es jetzt definitv.

Die Organisation stellte in den vergangenen Wochen bereits zahlreiche Verträge auf ihrer Website zur Schau und informierte die Interessenten des Sports damit, wie das Geschäft heutzutage läuft. Betroffen ist insbesondere Real Madrid. Die Dokumente von neun Deals wurden bis dato veröffentlicht, an denen der spanische Rekordmeister oder einer seiner Stars beteiligt war – so viel wie von keinem anderen Klub.

„Wir können nichts über unsere Identität sagen“

Welche Personen hinter der Initiative FOOTBALL LEAKS stecken, ist nicht bekannt. Das ist geheim. Deshalb gibt sich der Sprecher in einem Interview mit dem SPIEGEL auch lediglich als „John“ aus. „Es ist ein lustiges Gefühl, Real Madrid zu sehen und alle Geheimnisse der Spieler zu kennen“, sagt er, als er sich die Champions-Leauge-Partie der Königlichen gegen den AS Rom ansieht. FOOTBALL LEAKS operiert von Portugal aus, so viel dürfe noch verraten werden. „Wir arbeiten vollkommen unabhängig und bekommen für unser Engagement bei FOOTBALL LEAKS kein Geld. Da wir den Fußball mit unseren Veröffentlichungen aber ziemlich aufgewühlt haben, müssen wir jetzt feststellen, dass wir einige mächtige Feinde gegen uns aufgebracht haben. Deshalb können wir nicht mehr über unsere Identität sagen, wir müssen uns schützen“, sagt John.

„Wir sind uns der Risiken, insbesondere der rechtlichen, durchaus bewusst. Die Fußballlobbyisten haben auch sehr großen Einfluss auf die Ermittlungsbehörden, wir würden deshalb auch niemals einen fairen Prozess bekommen. Unsere Homepage wurde angegriffen, es wurde versucht, uns mit Löschprogrammen unter Druck zu setzen. Unser russischer Provider hat unsere Cloud geschlossen und uns anschließend Dokumente einer Sportrechte-Agentur gezeigt, die ihn massiv dazu gedrängt hat. Wir sind jetzt Opfer der Zensur“, berichtet er.

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„Wir haben unterschiedliche Quellen“

John ist ein leidenschaftlicher Anhänger des Fußballs – kein ehemaliger Funktionär eines großen Verbandes, kein früheres Mitglied einer Berater-Agentur oder dergleichen. Umso dringender stellt sich dementsprechend die Frage: Wie kommen er und seine Kumpanen an das heikle Material? „Der Vorwurf, dass wir jemanden gehackt haben, ist lächerlich. Wir haben unterschiedliche Quellen, die uns mit den Verträgen und Vereinbarungen versorgen. Unser Netzwerk ist sehr stabil“, erklärt John, ohne dabei Details zu nennen.

Selbst könnte er mit dem, was er tut, ebenfalls ein großes und lukratives Geschäft machen. Jemand, der sich als Berater ausgibt, habe die gesamten Dokumente kaufen wollen, verrät der Portugiese. John schätzt den Wert auf etwa 650.000 Euro, lässt sich aber auf einen Deal nicht ein. „Wenn ich mich verkaufe, dann wäre ich nicht besser als all die anderen da draußen“, betont er.

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„Wir wollen die Augen der Menschen öffnen“

Während der zurückliegenden Monaten habe sich John gefühlt, als würde er Drogen zu sich nehmen. „Ich habe nie mehr Adrenalin erlebt“, gab er zu. „Es gibt viele Menschen, die eine Menge dafür tun werden, damit FOOTBALL LEAKS aufhört, zu existieren. Wir wollen die Augen der Menschen öffnen, ihnen zeigen, dass das gesamte Geschäft zu einer großen kriminellen Organisation geworden ist. Kein Transfer läuft mehr ohne eine Illegalität. Wir haben seit längerer Zeit über dieses Projekt nachgedacht. Irgendwann begannen wir, Dokumente aus dem Business zu sammeln und auf den richtigen Zeitpunkt einer Veröffentlichung zu warten. Im vergangenen Sommer war es dann soweit: Auf dem portugiesischen Transfermarkt gab es etliche fragwürdige Spieler-Wechsel, wir wollten die vielen Lügen und Widersprüche entwirren. Je mehr Dokumente wir erhielten und analysierten, desto mehr wurde uns klar, dass diese intransparente Branche Hilfe braucht.“

„Denen das Handwerk legen, die sich am Fußball bereichern“

John weiter: „Wir wollen, dass das Transfersystem transparenter, dass der Einfluss von Spielerberatern und Investmentfonds, die zunehmend den Fußball beherrschen, verringert wird. Wünschenswert wäre eine öffentlich zugängliche Datenbank, in der alle Transferdetails wie Ablösesummen, Handgelder, Klauseln und Beteiligungen an Spielern aufgeschlüsselt werden würden. Unser Antrieb ist es, all denen das Handwerk zu legen, die sich zu Unrecht an dem Volkssport Fußball bereichern. Wir wollen zudem eine neue Ära im Fußball einläuten: die Zeit der Transparenz. Wir selbst sind große Fußballfans und wollen in erster Linie anderen Fußballfans helfen, dieses verschlossene Fußballgeschäft besser zu verstehen. Klauseln, Verträge, Beraterhonorare – all das ist im Fußball tabuisiert. Der Sport braucht eine öffentliche Diskussion, um sich von dieser Geheimniskrämerei zu lösen. Ein solch intransparentes Geschäft wie der Fußball ist ein Paradies für Korruption, Geldwäsche und Steuerbetrug. Jeder dieser Verträge erzählt eine eigene Geschichte, sie zeigen die unendlich vielen Klauseln zu astronomischen Honoraren und versteckten Handgeld-Möglichkeiten. Diese Dokumente sind sehr wichtig, um das heutige Fußball-Business zu verstehen. Wir haben über 500 Gigabyte Material und bekommen ständig neues dazu.“

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

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