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Ex-Scout Corrochano: Asensio kann in Ronaldos Fußstapfen treten

Oscar Corrochano arbeitete ein Jahr lang als Scout für Real Madrid. Im Interview mit REAL TOTAL berichtet der deutsch-spanische Fußball-Lehrer über seine Zeit bei den Königlichen, erklärt die Scouting-Politik unter Florentino Pérez, bricht eine Lanze für Trainer Zinédine Zidane und lobt Marco Asensio in den höchsten Tönen.

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Marc Koeppelmann/Bongarts/Getty Images
Oscar Corrochano arbeitete zuletzt bei Eintracht Trier – Foto: Marc Koeppelmann/Bongarts/Getty Images

REAL TOTAL: Herr Corrochano, Sie waren zwischen 2008 und 2009 als Scout für Real Madrid tätig. Wie kam der Kontakt zustande?

Oscar Corrochano: Das war noch unter dem alten Präsidenten Ramon Calderón und der alten sportlichen Leitung Predrag Mijatovic und Miguel Ángel Portugal. Eines Tages rief mich Miguel Ángel Portugal an und fragte mich, ob ich Interesse hätte, als Scout für den Klub zu arbeiten.

REAL TOTAL: Führten Sie auch Gespräche mit Präsident Calderón?

Corrochano: Nein. Miguel Ángel Portugal war mein Hauptansprechpartner. Er war der Chefscout und baute für den Klub ein Scouting-Netzwerk in Europa auf. Dazu zählte natürlich auch Deutschland. Ich hatte auch einen engen Draht zu Míchel (José Miguel González; d. Red.), dem damaligen Verantwortlichen für die Castilla. Ich verstand mich sehr gut mit ihm.

REAL TOTAL: Was waren ihre Aufgaben als Talentsucher der Königlichen?

Corrochano: Ich wurde hauptsächlich in Deutschland und deutschsprachigen Ländern eingesetzt. Ich besuchte viele Jugend-Spiele, Junioren-Länderspiele und -Turniere. Diese bewertete ich und flog einmal im Monat nach Madrid zu einer Sitzung, in der ich meine Eindrücke schilderte. Ab und zu kam Miguel Ángel Portugal auch nach Deutschland. Das ging über zwölf Monate…

REAL TOTAL: …und dann?

Corrochano: Gab es einen Führungswechsel. Florentino Pérez wurde Präsident. Und ich musste ja auch für mich entscheiden, wie es weitergeht. Scouting allein war für mich nicht die Zukunft. Ich sehe mich als Trainer. Scouting ist zwar ein Teilbereich dessen, aber ich arbeite lieber auf dem Platz mit den Spielern. Und dann bot sich mir ja auch die Möglichkeit, fest im Nachwuchsleistungszentrum von Eintracht Frankfurt zu arbeiten.

REAL TOTAL: Welche bekannte Spieler haben Sie Real denn so empfohlen?

Corrochano: Ich habe natürlich viele deutsche Mannschaften beobachtet. Die U19 gewann die EM 2008 und die U21 die EM 2009. Da spielten zum Beispiel Sami Khedira oder die Bender-Brüder mit.

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REAL TOTAL: Wer übernahm Ihren Posten nach Ihrem Weggang?

Corrochano: Niemand. Das von Miguel Ángel Portugal aufgebaute Scouting-Netzwerk wurde aufgelöst. Man entschied sich damals für mehr Videoanalysen von Madrid aus. Wie genau der Verein heute scoutet, kann ich nicht sagen, da meine Zeit bei Real jetzt schon einige Jahre zurückliegt. Aber die Philosophie des Vereins ist unter Pérez eine andere als unter Calderón. Sie kaufen heute lieber fertige Spieler – oder junge, die schon etwas weiter sind und von anderen Klubs ausgebildet wurden. Zum Beispiel Isco oder Marco Asensio.

REAL TOTAL: Sie sprechen Asensio an. Sind Sie überrascht, dass der junge Spanier in seiner ersten Saison bei Real so überzeugt?

Corrochano: Überhaupt nicht. Was Asensio macht, ist kein Zufall. Als er 2015 bei der U19-EM in Griechenland auftrumpfte, wollte ihn auch die Bayern und andere Top-Klubs, aber Real hatte seine Verpflichtung bereits zuvor unter Dach und Fach gebracht. Er hat das Potential und das Talent, ein ganz Großer zu werden.

REAL TOTAL: Wie groß?

Corrochano: Das werden wir sehen. Er zeigt konstant gute Leistungen auf dem höchsten Niveau, was für sein Alter beeindruckend ist. Sein linker Fuß ist eine Waffe, er hat Ballsicherheit, Spielwitz und Zug zum Tor. Für ihn spricht auch, dass er kein Egoist ist, sondern seinen besser postierten Mitspieler sieht. Wenn Asensio dem Druck in Madrid standhält und seine Leistungen richtig einordnet, kann er in die Fußstapfen eines Raúl oder Cristiano Ronaldo treten. Vorausgesetzt, es werden ihm keine millionenschweren Stars vor die Nase gesetzt.

REAL TOTAL: In Frankfurt wurden Sie 2013 Co-Trainer der Profis unter Armin Veh. Sie lernten dort auch ein Eigengewächs von Real Madrid kennen…

Corrochano: Joselu!

REAL TOTAL: Genau. Was halten Sie von ihm?

Corrochano: Er hat voll in die Bundesliga gepasst, weil er nicht der typische spanische Spieler ist. Er ist kein großer Techniker und auch nicht der Schnellste, aber willensstark, kopfballstark und kaltschnäuzig.

REAL TOTAL: Wenn wir schon bei der Eintracht sind… Was raten Sie Jesús Vallejo? Sollte er im Sommer nach Madrid wechseln oder ein weiteres Jahr in Frankfurt bleiben?

Corrochano: Ich würde sogar sagen zwei Jahre! Die Saison tut ihm sehr gut, aber er hat noch Luft nach oben. Man sieht ja die Spiele. Sein Zweikampfverhalten und sein Spielaufbau sind schon sehr gut, aber man darf nicht vergessen, dass er erst 20 ist. Vallejo wäre gut beraten, wenn er die Nerven behält und noch mindestens eine Saison bei der Eintracht dranhängt.

REAL TOTAL: In einem Starensemble wie Real ist es für junge Spieler ohnehin schwer, regelmäßig zum Einsatz zu kommen. Nehmen wir Álvaro Morata als Beispiel. Sie lernten ihn kennen, als er noch in der Castilla spielte. Können Sie verstehen, dass er unter Zinédine Zidane kaum Chancen erhält?

Corrochano: Jeder will spielen, das ist absolut legitim. Aber bei einem Weltklasse-Team wie Real ist es normal, dass auch einige Weltklassespieler auf der Bank Platz nehmen. Fakt ist, dass die Ziele der Mannschaft über den Zielen einzelner Spieler stehen. Es ist wichtig, dass man sich auch mal unterordnet, vor allem in einer Phase wie der aktuellen. Wenn die Saison zu Ende ist, kann man sich zusammensetzen und Entscheidungen fällen.

REAL TOTAL: Nicht wenige sind der Ansicht, Zidane würde seinen Landsmann Karim Benzema bevorzugen…

Corrochano: Benzema ist jetzt im besten Fußballer-Alter und hat trotz vieler Höhen und Tiefen in den letzten Jahren immer wieder bewiesen, dass er im Strafraum zur Stelle ist. Morata macht mehr Meter um den Strafraum herum, aber Benzema ist einfach erfahrener. Ich denke, dass Madrid mit beiden Stürmern super aufgestellt ist und viel rotieren kann. Es gibt ja auch noch Lucas Vázquez. Solche Spieler garantieren sehr gute Qualität auf höchstem Niveau.

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REAL TOTAL: Was halten Sie generell von Zidane als Trainer?

Corrochano: Er macht seine Sache sehr gut. Er hat unter Carlo Ancelotti sehr viel gelernt. Dass er die Champions League in seiner ersten Saison als Trainer der Profis geholt hat, sagt schon alles aus.

REAL TOTAL: Es gibt aber auch einige Kritiker, die meinen, Zidanes Real habe keinen wirklichen Spielstil und stattdessen eine große Portion Glück…

Corrochano: Letztlich geht es um den Erfolg. Was bringt es dir, einen besonderen Spielstil zu haben, wenn du am Ende keinen Erfolg hast?

REAL TOTAL: Angenommen der Erfolg bleibt aus: Würden Sie an Zidane festhalten?

Corrochano: Absolut. Er verkörpert die Werte des Vereins, war selbst ein Weltklasse-Spieler. Natürlich muss er dazulernen, schließlich ist er noch nicht lange im Trainer-Geschäft. Da sollten alle Kritiker mal den Ball flach halten. Ich bin mir sicher, dass sich mit Zidane eine sehr gute Epoche bei Real entwickeln kann.

REAL TOTAL: Würden Sie eigentlich wieder für Real arbeiten?

Corrochano: Es ist unrealistisch, dass ich bei einem Verein dieser Größenordnung einen Posten erhalte, denn ich bin Fußballtrainer und möchte irgendwo langfristig arbeiten. Deshalb kann ich mir zum Beispiel auch gut vorstellen, wieder in ein Nachwuchsleistungszentrum zurückzukehren.

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Kommentare
"Ich würde sogar sagen zwei Jahre! Die Saison tut ihm sehr gut, aber er hat noch Luft nach oben. "

Luft nach oben? Er war der beste IV der Hinrunde, ich hab bisher ganz, ganz wenige IV gesehen, die in dem Alter schon besser waren. Ich seh echt nicht, wieso er jetzt noch nicht bereit sein sollte für Real Madrid.
 
"Ich würde sogar sagen zwei Jahre! Die Saison tut ihm sehr gut, aber er hat noch Luft nach oben. "

Luft nach oben? Er war der beste IV der Hinrunde, ich hab bisher ganz, ganz wenige IV gesehen, die in dem Alter schon besser waren. Ich seh echt nicht, wieso er jetzt noch nicht bereit sein sollte für Real Madrid.
Na als Mitarbeiter der Eintracht würde er sicher gern Vallejo noch 1-2 Jahre dort behalten, verständlich oder nicht? [emoji28]
 
Na als Mitarbeiter der Eintracht würde er sicher gern Vallejo noch 1-2 Jahre dort behalten, verständlich oder nicht? [emoji28]
Na gut, kann sein, wobei ich auch einige Scouts kenne, denen der Club vollkommen egal ist, für den sie arbeiten :D
 
Schönes Interviwe. Das mit Vallejo sehe ich aber auch nicht ganz, auch wenn der gute Herr da wohl nicht ganz neutral ist wie @hackiminho sagt. :D

Dennoch, der Junge ist schon verdammt stark und weit für sein Alter, erinnert mich sehr and Varane damals. Ich würde ihn zwar auch noch eine Saison in Frankfurt lassen, um ihn weiter Erfahrung als Stammspieler sammeln zu lassen, wo möglich auch international und um Pepe eine letzte Saison zu geben. Allerspätestens dann ist Vallejo bereit für Madrid, er wärs auch jetzt schon.
 

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