Interview

Ex-Scout Corrochano schützt Zidane: „Keinen Glanzfußball erwarten“

Ist von Zinédine Zidanes Umbruch nun viel zu sehen oder nicht? Kam Luka Jovićs Transfer zu früh? Oscar Corrochano (43) nimmt die Königlichen in Schutz. Der deutsch-spanische Fußballtrainer war ein Jahr als Scout bei Real aktiv, empfahl damals unter anderem Sami Khedira, und beobachtet als Frankfurter die Geschehnisse rund um den spanischen Rekordmeister – im Interview mit REAL TOTAL steht der Frankfurter Rede und Antwort.

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Fußballtrainer Corrochano nimmt Zidane in Schutz – Pierre-Philippe Marcou/AFP/Getty Images & Joern Pollex/Bongarts/Getty Images

REAL TOTAL: Herr Corrochano, bis 2009 haben Sie bei Real Madrid als Scout gearbeitet. In den zehn Jahren danach ist viel passiert: Sie haben sich als Trainer spezialisiert und Real Madrid? Legt man dort immer noch viel Wert auf gutes Scouting?

Corrochano: Innerhalb von zehn Jahren hat sich im Scouting viel verändert. Interne Prozesse kenne ich nicht, aber ich weiß natürlich, dass dort noch ein Scouting-Netzwerk besteht, sich aber auch viel geändert hat: Durch Statistiken und immer mehr Daten sowie Videoanalysen kommt man immer besser an alle Spieler ran. Trotzdem: Chefscout Juni Calafat ist beispielsweise bestens vernetzt im südamerikanischen Bereich und sehr fleißig und viel unterwegs. Dank ihm hat Real überhaupt Vinícius Júnior und Rodrygo Goes.

Im Interview vor zwei Jahren sagten Sie „Real kauft lieber fertige Spieler, oder junge, die schon weiter sind, wie Isco oder Asensio.“ Sehen Sie das heutzutage nach Transfers von Vinícius Júnior und Co. auch noch so?

Diese Definition passt noch. Denn diese Spieler sind zwar hochtalentierte Jugendspieler, das hat aber nichts zu sagen, dass sie mal den Durchbruch bei den Profis oder so einem Top-Klub schaffen. Real holt sich Diamanten, die noch geschliffen werden müssen. Und dann gibt es viele Faktoren: In Madrid ist der Druck größer, da muss man erstmal stand halten, auch mit den Medien. Da ist dann die Frage, wie der Spieler das verarbeitet und sich nicht von seiner Linie abbringen lässt.

Was ist dann der ideale Weg für die Entwicklung: Beim Klub behalten wie Rodrygo Goes oder Brahim Díaz oder verleihen wie Andriy Lunin oder Takefusa Kubo?

Das gehört auch zur neuen Scouting-Strategie: junge Spieler zu anderen Klubs verleihen. Achraf Hakimi ist auch ein Beispiel. Das Problem ist nicht, das Talent zu erkennen, sondern das Talent auszubauen. Und das passiert gerade bei Hakimi, der in Deutschland seine Leistung bringt und Tore schießt. Einen idealen Weg gibt es nicht, Spielpraxis ist im Endeffekt mit das Wichtigste. Es gibt Spieler, wenn die zu einer Mannschaft gehen mit hohem Trainingsniveau, verbessern sie sich automatisch jeden Tag. Talente muss man fördern und fordern.

Einen weiteren Weg für Talente kann die Castilla darstellen.

Die Spieler dort stehen absolut im Fokus, die Castilla hat sich über Jahre einen Namen gemacht. Wie viele Spieler da in Profi-Ligen sind, über 170! Als ich da war, gab es beispielsweise Ádám Szalai, der mittlerweile in Mainz spielt. Er ist kein Superstar, aber er hat trotzdem seinen Weg gemacht. Die Castilla ist ein absolutes Sprungbrett in Europas Top-Ligen. Dazu kommt Raúl als super Vorbereiter. Welche besseren Hinweise kann man bei Real Madrid als Spieler bekommen, als von Raúl?

Je nachdem wie lange Raúl Castilla-Coach bleibt, ist doch die erste Mannschaft sein großer Traum. Wird dieser Traum mal in Erfüllung gehen?

Ohne Wenn und Aber, damit rechne ich auch. Raúl wird da jetzt seine Erfahrung machen, das ist Gold wert. Er wird seinen Stil für sich suchen und finden und seinen Weg gehen.

Hervorstechen konnte einer bei den Profis noch nicht: Wie ist Ihre Meinung als Frankfurter zur Situation von Luka Jović nach bisher sieben Einsätzen (nur zwei von Beginn an) und keiner Torbeteiligung?

Er ist kurz davor, er braucht einfach ein Erfolgserlebnis. Aber man sollte nicht nach jedem Spiel bewerten. Er ist immer noch ein junger Spieler, der vor sich Spieler hat mit jahrelanger Champions-League-Erfahrung, das muss man alles in Relation setzen. Wie viele Top-Teams gibt es, wo 20-Jährige sich schon durchsetzen. Er ist kurz davor.

Dann kam der Jović-Transfer nicht zu früh?

Nein, nicht zu früh. Außenstehenden muss man erklären, dass er trotzdem noch in der Entwicklung ist. Bei so einem großem Klub, klar hat man da viel Druck und es zählen nur Ergebnisse, aber da muss er sich adaptieren und mit wachsen. Vor allem kommt er nicht in eine Phase rein, die total harmonisch ist, sondern in einen Umbruch, wo sich vieles finden muss.

Und generell Reals Entwicklung? Von Zidanes angekündigtem Umbruch scheint noch nicht allzu viel zu sehen, sowohl am alten System als auch an alten Spielern scheint er noch festzuhalten.

Ich glaube schon, dass es einen Umbruch gibt. Aber ob man das nun groß oder klein an Zahlen festmachen kann? Im Kader gibt es auch sechs Neue. Auch an Eden Hazard sieht man: Er hat jetzt getroffen, aber alle brauchen ihre Anlaufzeit. Wichtig ist, dass das Klima in der Mannschaft positiv ist – das ist eine gute Voraussetzung für die weitere Entwicklung. Deswegen macht es Zidane gut, und nicht gleich alles ändert. Das sind immer noch Spieler, die viele Titel gewannen, die haben auch Schwankungen, das ist ganz normal, bei anderen Top-Teams ebenso. Ja, Real Madrid ist immer was anderes, aber von der Realität darf man sich nicht verblenden lassen. Real Madrid darf auch nur mit elf Spielern spielen, daher muss man diese Jungs auch mit anderen Jungs auf internationalem Top-Level vergleichen.

Viele werfen Zidane vor, zu viele Junge, speziell Mittelfeldspieler abgegeben zu haben: Marcos Llorente, Dani Ceballos, Mateo Kovačić – hätte da nicht einer bleiben müssen oder soll man Reisende nicht aufhalten?

Man muss immer abwägen: Ich finde auch, wer nicht bleiben will, da muss es eben stimmen. Heutzutage wird nichts verschenkt, und wer nicht mit Kopf und Herz dabei ist, und sich nicht mit Klub identifiziert, das ist enorm wichtig. Wenn das einer nicht mehr macht, kann er auch keine Top-Leistungen bringen. Und so ein Mateo Kovačić, der war und ist auch nicht der absolute Stammspieler bei Chelsea, und Real Madrid ist immer noch etwas anderes als Chelsea.

Mit nur einer Niederlage aus den ersten zehn Spielen ist die Saison 2019/20 eigentlich eine ordentliche, und doch sind nicht viele Fans zufrieden. Wie sehen Sie Zidanes zweite Ära in Madrid?

Nach der Katastrophe in Paris (0:3) haben sie sich in Spielen wie gegen Sevilla (1:0) wieder stabilisiert und gezeigt, worum es geht. Es geht nicht alles von heute auf morgen. Stabilität zu finden, das ist ein Weg. Da kann man keinen Glanzfußball erwarten, wenn man sich stabilisieren will, egal ob es ein kleiner oder großer Umbruch ist. Spieler wie Modrić, Kroos oder Casemiro, die in den letzten Jahren immer top spielten, fallen auch mal in ein Loch. Vielleicht kommt da aktuell auch ein bisschen viel zusammen, vielleicht ist das aber auch gut so, so kommt man gemeinsam wieder raus. Und in Sevilla hatte ich ein sicheres Gefühl, das war kein Glanz, aber gegen so ein gutes Team wie Sevilla war es sehr schwer keine Chancen zuzulassen. In der Phase darf man noch keinen Glanzfußball erwarten.

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von
Nils Kern

Du hast Fragen über REAL TOTAL? Da bin ich bin der Richtige: Chefredakteur und erster Ansprechpartner für Medien, Leser, Fans. ¡Hala Madrid!

Kommentare
Ganz ordentliches Interview. Bitte mehr davon :D
 
Zidane hat den Kader seit 2016, ab wann dürfen wir denn den guten Fußball sehen?

Hmm 2018 hat er damit das letzte Mal die Champions-League gewonnen.....
Nachdem ihm das mit dem Team von 2016 auch in 2016 und 2017 gelang.
Komisch das man bei deinem Kommentar das Gefühl hat man würde bereits seit 2016 warten.
 
Hmm 2018 hat er damit das letzte Mal die Champions-League gewonnen.....
Nachdem ihm das mit dem Team von 2016 auch in 2016 und 2017 gelang.
Komisch das man bei deinem Kommentar das Gefühl hat man würde bereits seit 2016 warten.

Wir waren in der Liga Katastrophal und auch in der CL haben wir nicht geglänzt, da war viel Glück dabei. Um zu erkenne, wann eim Team glänzt bzw. eine konstanten Spielstiel mit SYSTEM hat, muss die Liga als Referenz genommen werden.
Auch ein Tottenham hat es ins CL Finale geschafft, in der Liga aber welten hinter City und Pool. Und wer würde man als die bessere Mannschaft eimschätzen? Natürlich, City und Pool, nicht Tottenham. Folglich ist die Liga Aussagekräftig
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
@Juanito
Also können wir die Champions-League abschaffen?
Die letzte Saison war katastrophal und momentan läuft es auch noch lange nicht gut.
Aber nach deiner Aussage müssten wir ja dann momentan top sein, weil wir in LaLiga auf 1 stehen, dafür in der CL scheisse sind.
Jetzt mal ernsthaft 3 mal die CL in Folge gewinnt man nicht einfach so.
Und ja im Moment sind wir noch weit von einer Form, die Real Madrid würdig ist entfernt.
Aber dieses permanente alles schlecht gerede ist doch affig.
 
Hmm 2018 hat er damit das letzte Mal die Champions-League gewonnen.....
Nachdem ihm das mit dem Team von 2016 auch in 2016 und 2017 gelang.
Komisch das man bei deinem Kommentar das Gefühl hat man würde bereits seit 2016 warten.

Netter Versuch von dir :)

Ging um ansehnlichen, nicht erfolgreichen Fußball.

Wünsche dir einen schönen Tag :)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wir waren in der Liga Katastrophal und auch in der CL haben wir nicht geglänzt, da war viel Glück dabei. Um zu erkenne, wann eim Team glänzt bzw. eine konstanten Spielstiel mit SYSTEM hat, muss die Liga als Referenz genommen werden.
Auch ein Tottenham hat es ins CL Finale geschafft, in der Liga aber welten hinter City und Pool. Und wer würde man als die bessere Mannschaft eimschätzen? Natürlich, City und Pool, nicht Tottenham. Folglich ist die Liga Aussagekräftig

Wir waren eine Saison lang in der Liga katastrophal. Man darf nicht vergessen, dass Zizou auch Meister wurde nach 5-jähriger Durststrecke. Etwas was Ancelotti zum Beispiel nicht geschafft hat.

Ansehnlichen Fußball gab es tatsächlich aber nur vereinzelt leider.
 

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