Reportage

Finale in der Heimat, Finale im da Luz – Ronaldos ganz große Bühne

Mit dem Einzug ins Champions-League-Finale erfüllte sich für Cristiano Ronaldo ein Lebenstraum. Und nichts wünscht sich der Portugiese bereits seit Teenager-Zeiten sehnlicher, als eines Tages mit seinem Traumverein Real Madrid die Königsklasse zu gewinnen. Morgen könnte dieser Tag sein – und das ausgerechnet in Lissabon, ausgerechnet im Estádio da Luz. Die Stadt, in der er groß raus kam. Und das Stadion, das zu den bedeutendsten seiner Karriere gehört. Ronaldo ist bereits eine Fußball-Legende. Doch er kann genau dort eine noch größere werden, wo für ihn alles begann. Schicksal?

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Cristiano Ronaldo
Gewinnt Cristiano Ronaldo mit den Königlichen im Estádio da Luz die Königsklasse?

Der Champions-League-Traum steht über allem

LISSABON. Gestern Abend machte sich die Mannschaft von Real Madrid auf den Weg nach Lissabon. Dort steigt am morgigen Samstagabend im Stadion von Benfica Lissabon, dem Estádio da Luz, das mit Spannung erwartete Finale der UEFA Champions League, bei dem die Königlichen auf Atlético Madrid treffen (20:45 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker). Ausgerechnet gegen den Stadtrivalen besitzen sie die große Chance, den heiß ersehnten zehnten europäischen Titel zu gewinnen. Mit an Bord: Cristiano Ronaldo – natürlich.

Rückblende: Mit Anzug und Krawatte saß er da, die Basecap auf dem Kopf, die Nervosität im Inneren. Als die Madrilenen und der FC Barcelona sich am 16. April im Finale der Copa del Rey duellierten, war der Portugiese in der ersten Reihe der Tribüne des Estadio Mestalla anzutreffen – nicht aber auf dem grünen Rasen. Ein Ronaldo, der in einem Endspiel nicht mehr als die Rolle des Zuschauers innehat? Das gleicht förmlich einem Verstoß gegen die Gesetze des Fußballs. Rund eine Woche zuvor wurde diagnostiziert: Muskelverletzung im Bereich der Kniesehne und des hinteren Oberschenkels im linken Bein. Etwas zu riskieren und auf Wunderheiler oder Spritzen zum Fit werden zurückzugreifen, kam für niemanden infrage – auch für Ronaldo nicht, dessen Ehrgeiz und Besessenheit es doch eigentlich seit eh und je vorsehen, jedes Spiel zu bestreiten. Egal, wie imposant der Name des Gegners klingt.

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Jeder wusste: Exakt sieben Tage nach dem Match gegen Barça stand das Halbfinal-Hinspiel der Champions League auf dem Programm. Der Kontrahent: kein geringerer als der amtierende Titelträger FC Bayern München! Und auf einen Ronaldo will man in solch großen Spielen absolut nicht verzichten müssen. Auf der Wunschliste des Madridismo steht „la Décima“ ohnehin ganz oben, über allem – und das, sei dazu gesagt, seit dem letzten Triumph im Jahre 2002. Seit zwölf Jahren wartet der Klub nicht nur auf den zehnten Titel auf europäischer Bühne, sondern wartete überhaupt auf eine Teilnahme an der alles entscheidenden Partie, die ihm dank zweier Erfolge gegen die Bayern (1:0, 4:0) nun ermöglicht wird. Erstmals steht er nach so vielen Jahren dort, wo er seinem Anspruch nach alle zwölf Monate stehen muss.

Der Hero des Estádio da Luz – seit Jahren

Wehwehchen plagen CR7 dann und wann auch heute noch. Weil er sich aufgrund von Beschwerden im hinteren linken Oberschenkel nicht bei 100 Prozent fühlte, verzichtete er auf einen Einsatz gegen Espanyol Barcelona oder Celta Vigo und ließ sich beim Spiel bei Real Valladolid nach acht Minuten auswechseln – für die Königsklasse. So sicher wie das Amen in der Kirche ist: die morgige Bühne wird er sich definitiv nicht nehmen lassen! „Ich werde am Samstag bei 100 Prozent sein“, kündigte er am Dienstag bereits selbstbewusst an. Dass ja niemand denkt, dieser große Abend könnte ohne Ronaldo vonstatten gehen! Anzug, Krawatte und Cappy wird er morgen nur so lange tragen, bis er sich für das Aufwärmen im da Luz umzieht. Der Grund zum einen: die Gier, in der fünften Saison bei Real Madrid endlich das große Champions-League-Finale im legendären weißen Trikot zu bestreiten, die Gier, es zu gewinnen. Zum anderen: Portugal, die Heimat. Lissabon, das da Luz.

Er wird alles dafür tun, dass wir gewinnen! Carlo Ancelotti

[dataset id=25]Das Estádio da Luz – wenn der Team-Bus heute Abend zum Abschlusstraining an der Heimstätte von Benfica Lissabon ankommt, betritt Ronaldo kein Neuland. Ganz und gar nicht. Das da Luz zählt zweifelsfrei zu den bedeutendsten Stadien seiner Karriere. Dort weinte er 2004 als damals 19-jähriger Shootingstar mit den goldenen Schuhen und Ohrringen nach dem verlorenen EM-Finale gegen Griechenland (0:1) bittere Tränen. Dort schoss er seine Nation erst im November des letzten Jahres zum Sieg im WM-Playoff-Hinspiel gegen Schweden. Dort führt er sein Land seit Jahren als Kapitän auf den Rasen. Dort feiert das Fußballvolk ihren Helden, den besten Fußballer der Welt, seit jeher frenetisch. Dort absolvierte er die meisten seiner bis dato 110 Länderspiele. Das da Luz ist für Portugal in etwa so was wie das Wembley für England: das Zuhause der Nationalmannschaft. Die meisten Heimspiele der „Seleção“ finden im prestigeträchtigen da Luz statt. „Das wird ein ganz besonderes Finale, denn es wird im Estádio da Luz ausgetragen. Das ist für jeden in Portugal ein mystisches Stadion. Es steht in meinem Heimatland und ich freue mich sehr darauf“, sagt Ronaldo.

„Nicht nur Fußball erlernt, sondern auch fürs Leben gelernt“

Spektakulär der Gedanke, könnte der Torjäger Real Madrid ausgerechnet dort abermals zum Sieg schießen. Eine entsprechende Hysterie herrscht in Portugal, in Lissabon, in den Gazetten. Und was für ein phänomenaler Sieg das wäre! Ein historischer! Dort, in Lissabon, wo der 29-Jährige als Fußball-Star groß heraus kam. Im Alter von gerade einmal zwölf Jahren wagte Ronaldo 1997 den Schritt von seiner Heimatinsel Madeira in die in Alcochete stationierte Jugendakademie von Sporting Clube de Portugal, dessen Stadion nur vier Kilometer weit entfernt vom da Luz liegt. Kein einfacher Schritt. Er biss sich jedoch durch, auch wenn sich andere Jugendspieler wegen seines Insel-Dialekts eher über ihn lustig machten. Er meisterte den Sprung ins Profi-Team, wechselte mit 18 für beachtliche 17,5 Millionen Euro zum englischen Spitzenverein Manchester United, entwickelte sich dort zum Superstar und Weltfußballer und ging 2009 als teuerster Spieler aller Zeiten in die Geschichte des Fußballs ein. 94 Millionen Euro ließen sich die Blancos die Verpflichtung kosten. Der Ursprung der Bilderbuchkarriere liegt auf Madeira – und in Alcochete unweit vom Zentrum Lissabons entfernt. „In Alcochete habe ich nicht nur das Fußballspielen erlernt. Ich habe fürs Leben gelernt“, verrät er.

Cristiano Ronaldo
2008: Champions-League-Titel mit Manchester United

503,07 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Madrid und Lissabon. Für Ronaldo ist die morgige Partie dennoch kein Auswärtsspiel. Es ist eine Partie in der Heimat. Lissabon, Estádio da Luz… viel mehr Heimat geht nicht. Passend dazu – es klang bereits an – würden Ronaldo-Tore auf dem Weg zum Erfolg gegen die „Rojiblancos“ einem Märchen gleichen. Der Madridismo würde der Nummer 7 zu Füßen liegen. Und Cristiano Ronaldo wäre nicht Cristiano Ronaldo, wenn er im Kopf hätte, nicht nur eine gute Performance hinzulegen, sondern auf seiner ganz großen Bühne das zu tun, was er am besten kann und in der laufenden Spielzeit bereits 50 Mal tat: treffen. 16 Mal bislang alleine in der Champions League – Rekord! Der Goalgetter: „Für mich persönlich läuft es in dieser Champions-League-Saison hervorragend. Ich freue mich sehr über meinen Rekord, obwohl das gar nicht so geplant war. Rekorde sind dazu da, um gebrochen zu werden. Mit jeder Generation muss sich etwas ändern. Aber: Ohne meine Mitspieler hätte ich das gar nicht geschafft. Ein Tor will ich aber mindestens noch machen! Es ist mein erstes Finale mit Real Madrid. Wir werden alles versuchen, um den Titel zu holen. Wir Spieler spüren, dass wir sehr nah dran sind, etwas Besonderes in der Geschichte des Fußballs und in der Geschichte von Real Madrid zu vollbringen. Wir sind einen Schritt davon entfernt. Es wird schwierig, aber ich denke, dass es möglich ist.“

Auf der Gegenseite könnte ihm dieser gesamte Druck allerdings auch zur Last fallen. Oder? Ronaldo bleibt cool und behauptet: „Ich spüre gerne den Druck, denn dann spiele ich besser. Der Druck, zu gewinnen, gehört zu Real Madrid. Und wir sind daran gewöhnt. Wir spüren das Adrenalin und die Energie der Fans. Das ist eine gute Sache.“ Ronaldo ist bereits eine Fußball-Legende. Doch er kann eine noch größere werden, sich seinen Lebenstraum Champions-League-Sieg mit Real Madrid erfüllen und die Sehnsucht des Madridismo stillen. Und das dort, wo für ihn alles begann: in Lissabon. Schicksal?

ANGEBOT: Das Trikot von Weltfußballer Ronaldo für 59 Euro – weißblau oder orange!

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

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