Kommentar

Fußballrückkehr gut oder schlecht? Ein Kommentar

Das Bundesliga-Comeback naht, jenes in LaLiga ebenso. Doch während deutsche Fans und Experten eher gegen den Wiederanpfiff sind, herrscht in Spanien fast durchgängig Optimismus. Und Sehnsucht. REAL TOTAL-Chef Nils Kern sucht Gründe für die Unterschiede in beiden Ländern und erklärt, warum man dem Fußball trotz der Vorfälle in Berlin und Köln eine Chance geben sollte.

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Die Fußballrückkehr sorgt für große Diskussionen – Foto: imago images / eu-images

LaLiga kann aus Bundesliga-Fehlern lernen

LaLiga bietet sich eine große Chance. Die Chance, es besser zu machen als die Bundesliga. Denn DFL und Co. haben in ihrer Vorreiterrolle nicht unbedingt dafür gesorgt, dass in Deutschland mehr Opti- als Pessimismus bezüglich der nahenden Fußballrückkehr herrscht. Von früh verpassten Maulkörben und der Schulterschlüsse mit der Politik (Laschet-Watzke und Söder-Rummenigge) über die Vorfälle in Köln (erst drei positive Corona-Tests, dann die Verstraete-Aussagen) und Berlin (der Fall Kalou zeigte einerseits, wie verantwortungslos manche Profis mit der Krise und deren Maßnahmen umgehen und andererseits wie schnell Verein und Verband ein Thema ad acta legen können) vernehme ich in deutschen Kreisen mehr Abpfiff- als Anpfiff-Forderungen. In Spanien ist das gefühlt anders. Ganz anders.

Während in der Bundesliga ab 15. Mai die Bälle wieder rollen sollen, könnte es in LaLiga erst am 5. oder 12. Juni soweit sein. Spanien – vom Coronavirus wesentlich härter gebeutelt als die Bundesrepublik – scheint sich mehr nach der Fußballrückkehr zu sehnen. Klar: Da Spanien in der Corona-Entwicklung bezüglich Lockerungen zwei, drei Wochen hinter Deutschland liegt, konnte auch noch kaum etwas Negatives passieren. Während Hertha und Co. seit Wochen trainieren, haben sich die LaLiga-Klubs erst am Mittwoch wieder getroffen, da konnte es noch zu gar keinen Vorfällen à la Kalou kommen. Trotzdem können die anderen Top-Ligen aus den möglicherweise vorschnellen Schritten der DFL lernen.

Noch keine Fehltritte, fast nur Sehnsucht

Noch keine Fehltritte sind die eine Seite, warum ich in Spanien mehr Fußballbefürworter wahrnehme. Die andere: das kulturelle. Ja, Fußball hat auch eine wirtschaftliche Bedeutung (in Spanien 1,37 Prozent vom BIP), aber eben auch eine sehr große gesellschaftliche. Während die Deutschen in den letzten Wochen immer noch spazieren und sporteln konnten, hocken die Spanier seit der Ausrufung des Alarmzustands am 15. März Zuhause. Und das wie oft üblich in Spanien in eher großen Familien auf eher kleinem Lebensraum. Familien bleiben länger zusammen, und normalerweise eigentlich den ganzen Tag draußen – in Corona-Zeiten entdecken 47 Millionen Spanier eine nochmal andere „neue Normalität“ als wir in Deutschland.

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„Jeden normalen Tag in Madrid sieht man Senioren in der Sonne spazieren, Kinder herum rennen, Familien und Freunde an Tischen außerhalb Bars und Restaurants sitzen. Alles was man im Leben wollen kann, kann man in Madrid finden: Sonne, Sport, Kultur, Nachtleben, Essen … vor allem Essen! Es ist eine andere Welt. Und die Leute hier wissen, wie man es genießt“, fasste es Roberto Carlos zuletzt treffend zusammen. Auch in Spanien genießt man mittlerweile mehr und mehr Lockerungen, endlich wieder Sonne auf der Haut, und doch bleibt die große Sehnsucht nach Ablenkung. Nach Fußball.

Kaum Gegenstimmen aufgrund hoher Einschränkungen und Kontrollen?

LaLiga wird wohl zurück kommen. Auch weil die wenigen Gegenstimmen kaum wahrgenommen werden – Rayo-Coach Paco Jémez („Wir sind keine Marionette, wenn wir nicht wollen, geht es nicht weiter!“) und die SD Eibar („Wir haben Angst“) stellen die Ausnahmen der wenigen kritischen respektive pessimistischen Reaktionen dar.

Es gibt noch mehr Gründe, warum die Diskussion etwas ruhiger als in Deutschland verläuft: Ein Freund aus Madrid sagte mir, durch die vielen Einschränkungen und Kontrollen traue man sich auch fast kaum, gegen Regeln zu verstoßen. Es fühle sich fast ein wenig einschüchternd an. Da gilt es jedoch anzumerken, dass die streng kontrollierte Hauptstadt mit ihrer prozentual hohen Corona-Quote nochmal eine andere Kategorie darstellt, als wenn man in Mérida auf dem „Land“ wohnt.

Und: Fallen vielen deutschen Fans und Experten bessere Abnehmer als die Bundesligisten für die viel zitierten 21.000 Corona-Tests ein, ist mir eine derartige Diskussion in Spanien gar nicht erst bekannt.

Keine Angst vor Geisterspielen

In meinen Augen kommt dann auch noch dazu: die Erfahrung mit Geisterspielen. Wird in Deutschland immer noch mit ausgestrecktem Zeigefinger vor betrunkenen Ultra-Fans gewarnt, die sich wie beim 2:1 zwischen Mönchengladbach und Köln auch bei den zukünftigen Geisterspielen vorm Stadion versammeln könnten, haben spanische Fans leere Stadien schon oft gesehen. Allein bei Real gab es in den letzten Jahren drei Partien ohne Fans: 2004 in Rom, 2016 in Warschau und 1987 daheim gegen Neapel. Barcelona hatte 2017 sein letztes Spiel vor leeren Rängen gegen Las Palmas, bei Atlético war es 2008 gegen PSV Eindhoven.

Mal davon abgesehen, dass ich davon ausgehe, dass auch in Deutschland mittlerweile die Mehrheit der Fans das Virus nicht mehr auf die leichte Schulter nimmt und es daher nicht zu Fan-Ansammlungen kommen würde, so glaube ich auch, dass ein solches Verhalten eher gegen die spanische Mentalität sprechen würde. Den Fernseher in der Bar oder dem eigenen Haus verlassen, um vor den Toren eines Stadions nichts mitzubekommen? Dafür „leben“ die Spanier in meinen Augen den Fußball anders. Dort füllt der Fußball wirklich ein ganzes Wochenende dank einzelner Spielansetzungen (statt gesammelter Konferenzen) – nach dieser Alltagsflucht sehnen sich die Spanier. Ablenkung von Corona, Arbeitslosigkeit und vielen anderen negativen Themen. “Ich wünsche mir den Fußball zurück”, sagte mir auch Reals Kult-Fan Toñín “el Torero”, einer von tausend Bar-Betreibern in Madrid.

Ich freue mich auf den Fußball

Keiner kann sehen, was in den kommenden Wochen noch passieren wird. Eine zweite Corona-Welle oder zu viele positive Tests bei den Profis könnten alle Pläne und auch meine Sichtweise über den Haufen werfen. Doch noch scheint die Lage – sofern man das jetzt behaupten kann – so unter Kontrolle zu sein, dass auch der Volkssport Nummer eins von Lockerungen profitieren könnte. Daher traue ich mich zu sagen: Ich hoffe und freue mich auf die Rückkehr des Fußballs!

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Das sagt sich leicht, von jemandem, der beruflich abhängig ist vom Fußball – selbst die REAL TOTAL-Existenz steht auf dem Spiel. Aber auch als Fan, der auf viele Dinge verzichtet hat und gerne noch weiter verzichten wird, denke ich, dass man es mit Fußball wieder versuchen kann. Und sollte. Zumindest in den nationalen Wettbewerben! Jedes Thema hat viele Pro- und viele Gegenargumente, für mich überwiegen ganz anti-deutsch die Pro-Fußball-Stimmen. Und die Hoffnung, dass LaLiga aus den ersten Fehltritten der Bundesliga lernt.

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von
Nils Kern

Du hast Fragen über REAL TOTAL? Da bin ich bin der Richtige: Chefredakteur und erster Ansprechpartner für Medien, Leser, Fans. ¡Hala Madrid!

Kommentare
Eine Papaya wurde auch positiv getestet ne Ziege auch. Also woher kommt der Virus? Oder sind die Tests Vll nicht so gut. Böse Zungen behaupten es gibt keine Pandemie. Alles wird hochgeschaukelt. Viele Professoren und Ärtze meinen der Virus besteht schon seit mehreren Jahren.

Böse Zungen behaupten noch viel, sind etwa dieselben, die auch dachten 2012 geht die Welt unter. Es gibt eine Pandemie, ob es seit Jahren oder seit wenigen Monaten besteht weiss ich nicht, ist mir aber auch erstmal egal um ehrlich zu sein ^^.
 
"Die da oben machen alles falsch". Das ist eben genau das, was seit Jahren in diesem Forum abgeht und da machst du so ein Aufstand über mein Text ?

Finde, dass es einen Unterschied gibt zwischen Fußball und Politik. Fußball ist ein Spiel, da ist die - auch mal unsachliche, irrationale, emotionale - Auseinandersetzung Programm. Bei Politik geht es um Fragen der Gesellschaftsordnung, Machtausübung usw., die sehr komplex sind und Menschenleben verändern. Wie wir gerade in China, UK und US sehen kann schlechte Politik Menschenleben kosten.

Deshalb ärgert es mich, wenn so getan wird, als seien deutsche und insgesamt europäische Politiker Verbrecher, obwohl wir in Deutschland im Vergleich einfach verdammt gut davon kommen zur Zeit, auch weil gute Politik gemacht wird. Außerdem wird mit solchen Kommentaren Verschwörungstheoretikern, wie es sie scheinbar auch hier im Forum gibt (siehe Kommentar von @Koubinho), ein Nährboden bereitet und das ist einfach nur gefährlich.

Das hat einfach eine andere Qualität als Florentions Transferpolitik oder Messis Haarschnitt zu kritisieren.
 
Finde, dass es einen Unterschied gibt zwischen Fußball und Politik. Fußball ist ein Spiel, da ist die - auch mal unsachliche, irrationale, emotionale - Auseinandersetzung Programm. Bei Politik geht es um Fragen der Gesellschaftsordnung, Machtausübung usw., die sehr komplex sind und Menschenleben verändern. Wie wir gerade in China, UK und US sehen kann schlechte Politik Menschenleben kosten.

Deshalb ärgert es mich, wenn so getan wird, als seien deutsche und insgesamt europäische Politiker Verbrecher, obwohl wir in Deutschland im Vergleich einfach verdammt gut davon kommen zur Zeit, auch weil gute Politik gemacht wird. Außerdem wird mit solchen Kommentaren Verschwörungstheoretikern, wie es sie scheinbar auch hier im Forum gibt (siehe Kommentar von @Koubinho), ein Nährboden bereitet und das ist einfach nur gefährlich.

Das hat einfach eine andere Qualität als Florentions Transferpolitik oder Messis Haarschnitt zu kritisieren.

Wobei der Fussball auch immer politischer wird und mehr und mehr von "Spiel" zu einem Geschäft wird. Ich bin kein Anti Kapitalist und wenn ein Fussballer eben 20mio jährlich generiert, dann soll er das Geld eben auch als Lohn erhalten. Aber was für Summen da hin und hergeschoben werden von Vereinen, die von einem Multi Milliardär übernommen wurden sind echt nicht mehr schön. PSG, ManCity und Co.

Aber sonst stimme ich dir zu. Politiker zu sein ist nicht einfach, eigentlich kannst du nur Fehler machen und ein Teil des Volkes wird dich verpönen. Ich wäre definitv lieber Fussballer als Politiker, selbst bei gleich hohem Gehalt.
 

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