
Die Rückkehr des Königs
MADRID. Zwei Jahre ist es her, als Zinédine Zidane zu Real Madrid zurückkehrte. Dabei liegt seine erste Ära noch gar nicht so weit zurück: Anfang 2016 wurde er von der Castilla in die erste Mannschaft befördert als Ersatz für den glücklosen Rafa Benítez. Was dann folgte, war eine fast beispiellose Titelsammlung, vor allem auf der größten aller Fußballbühnen, der UEFA Champions League. Aber nach dem dritten Triumph in der Königsklasse hintereinander schockte der Franzose die Fußballwelt, indem er plötzlich sein Amt aufgab. Damals hatte er als Grund für seine Entscheidung „natürlichen Abnutzungserscheinungen“ genannt.
Der Weltmeister von 1998 sah wohl das Unheil kommen. Die hochdekorierten Stars um Toni Kroos, Sergio Ramos, Weltfußballer Luka Modrić, Gareth Bale und Karim Benzema konnten in der Saison nach dem Weggang von Zidane und nach dem Abschied von Superstar Cristiano Ronaldo nur selten an die Leistungen früherer Jahre anknüpfen. Der Höhepunkt der Krise wurde zwischen Ende Februar und Anfang März 2019 erreicht: Innerhalb von nur sechs Tagen scheiterten die Blancos durch deutliche Heimpleiten gegen Barcelona (0:3) und Ajax (1:4) sowohl im spanischen Pokal als auch in der Champions League. In diese kurze Zeitspanne fiel auch eine 0:1-Liga-Heimniederlage gegen Barça, mit der man praktisch auch alle Chancen auf den Liga-Titel verspielt hatte. Santiago Solari sollte es besser machen als Julen Lopetegui, konnte nach dieser Horror-Woche aber nicht mehr gehalten werden.
Am 11. März 2019 war es dann soweit: Der Verein gab nicht nur die sofortige Beurlaubung des Argentiniers bekannt, sondern gleichzeitig auch die spektakuläre Rückkehr des Zinédine Zidane. Nur 284 Tage nach seinem Rücktritt!
#OTD in 2019…
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— Nils Kern (@nilskern17) March 10, 2021
„Wir werden Dinge ändern“
Als „Zizou“ dann plötzlich wieder da war, drehte sich Vieles um die Fragen: Was verspricht er sich von seiner Rückkehr? Und was kann er dabei gewinnen, nachdem er nur ein Jahr vorher gestand, dass die Mannschaft neue Impulse benötige? Dieses stille Fußball-Genie umgab schon immer ein Hauch des Eigenwilligen und Mysteriösen, aber diesmal ließen seine Antworten wenig an Klarheit zu wünschen übrig. „Ich bin sehr glücklich, wieder zu Hause zu sein. Ich bin hier, weil der Präsident mich gerufen hat“, sagte der Franzose auf der Pressekonferenz. „Ich konnte nicht Nein sagen zu dem Klub, den ich liebe.“
Wie gewohnt gab er sich bescheiden, aus eigenem Antrieb erinnerte er mehrfach daran, dass er in seinem letzten Jahr in der Meisterschaft ebenso weit abgehängt wurde (17 Punkte) wie nun seine Nachfolger (19 Punkte). Im vergangenen Sommer habe er seinen Rücktritt als das Beste für alle Seiten eingeschätzt, so Zidane.
Auf die Frage, ob er eine Erneuerung des Kaders durchführen werde, erklärte er: „Man muss einige Dinge ändern, aber darum geht es zunächst nicht.“ Das kurzfristige Ziel war es, die Saison würdig zu beenden.
Mit fünf Siegen, zwei Unentschieden und sogar vier Niederlagen in den restlichen elf Spielen gelang das mehr schlecht als recht. Auch unter dem erfolgsverwöhnten französischen Coach wirkte die Mannschaft verbraucht, ausgelaugt und ohne Perspektive.
Titel statt Umbruch
Die überraschende Rückkehr weckte vielerorts die Vermutung, dass Zidane primär die Vorstellung reizte, erstmals in seiner Trainerkarriere ein eigenes Team aufbauen zu können. Spätestens das Ende der Saison 2018/19 verdeutlichte die Notwendigkeit eines klaren Umbruchs des Kaders und einer Neuordnung der Mannschaft. Und in der Tat zeigte Real Madrid im Sommer 2019 auf dem Transfermarkt erstmals nach vielen Jahren Aktivitäten größeren Umfangs – mit über 300 Millionen Euro gab es nie einen teureren Sommer in Madrid.
Bis zur Corona-bedingten Unterbrechung des kompletten Spielbetriebs im März 2020 war von den versprochenen Änderungen jedoch wenig zu sehen. Meist spielten die gleichen im meist gleichen System. Und wenn sich der Franzose doch mal Experimente zutraute, ging es nach hinten los, wie beim 4-4-2 in Mallorca, als Karim Benzema und Luka Jović begannen, aber die 0:1-Niederlage beim Aufsteiger nicht abwenden konnten.
Spektakel wie in Zidanes erster Amtszeit? Undenkbar. Stattdessen versuchte man es mehr und mehr mit minimalistischem Ergebnisfußball. Das erste silberne Ergebnis: die Supercopa de España im Januar 2020.
Der Re-Start der Primera División im Juni 2020 brachte schließlich die endgültige Rückkehr Zidanes zu Altbewährtem: Der 48-Jährige ließ den Liga-Schlussspurt fast die gleiche Mannschaft absolvieren, dessen Kern Akteure aus seiner ersten Amtszeit bei Real bildeten. Der Erfolg gab ihm am Ende wieder mal Recht: Zidanes Mannschaft gewann zehn Ligaspiele in Folge und sicherte sich bereits am vorletzten Spieltag die 34. spanische Meisterschaft. Das Rezept für die Siegesserie war einfach: Die Abwehr war ein kaum überwindbares Bollwerk, das erfahrene Mittelfeld-Trio Modrić-Casemiro-Kroos sorgte routiniert für Ruhe und Kontrolle, während vorne die wenigen Chancen effizient genutzt wurden.
Getreu dem nur allzu bekannten Motto, nach dem die Offensive Spiele, die Defensive aber Meisterschaften gewinnt, holte Zidane einen weiteren großen Titel – seinen elften – nach Madrid und untermauerte seinen Ruf als Titelgarant. Das anschließende Aus in der Champions League verkraftete man in der spanischen Hauptstadt schnell und schmerzlos. Das von Zidane selbst vorab ausgerufene Hauptziel war schließlich die Rückkehr auf den nationalen Thron.

Kein Umbruch – keine weiteren Titel?
Vom nationalen Thron sind die Blancos jedoch mittlerweile wieder weit entfernt. 15 der bisherigen 35 Saisonspiele konnten nicht gewonnen werden, mit Glück reichte das spät für den ersten Gruppenplatz in der Champions League, wohingegen gegen Drittligist Alcoyano nach einer weiteren Blamage früh in der Copa Schluss war. Der Traum von der Titelverteidigung in der Supercopa endete früh, wohingegen der in LaLiga noch nicht ganz ausgeträumt ist – zumindest zeigen sich Trainer und Mannschaft kämpferisch. Und wieder sind es großenteils bis auf Ferland Mendy die altbekannten Gesichter, auch weil der Franzose in der Hinrunde Hoffnungsträger wie Martin Ødegaard und Luka Jović vergrault hat. Ersatzspieler, die inzwischen häufiger hätten helfen können, für dich sich nach erneut anfänglichen Systemexperimenten mit Spielmacher oder Doppelspitze jedoch weiter keine idealen Positionen gefunden hätten.
Zwei Jahre ist Zidanes Comeback her und in den zwei Jahren hat sich Real Madrid nicht bis kaum weiterentwickelt – weder hinsichtlich System, Spielweise noch Spielerpersonal. Mittlerweile wirkt sogar Federico Valverde weiter weg von der Startelf, als Real Madrid von der 35. Meisterschaft.
Am 11. März 2019 unterschrieb „Zizou“ einen Vertrag bis Sommer 2022. Ob er diesen erfüllen wird, ist nicht ganz klar – denn wie schon vor drei Jahren könnte er (mehr oder weniger überraschend) im Sommer seinen Hut nehmen, um dann endgültig Platz zu machen für das Thema Umbruch.
Egal ob 2021, 2022 oder noch später: Zidane ist jetzt schon der Trainer mit den zweitmeisten Titeln und Siegen in Real Madrids Historie. Bis er eines Tages eine dritte Ära wagt…
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