Interview

Higuaín: „Du bist wie eine Einwegflasche, sie werfen dich weg“

Dass der Beruf Profi-Fußballer nach wie vor zu den Träumen vieler kleiner Jungs zählt, ist völlig klar. Auch Gonzalo Higuaín träumte davon und gehörte zu den Glücklichen, die es geschafft haben. Seine vermeintliche Traumkarriere, glich für den heute 34-Jährigen jedoch eher eine Achterbahnfahrt. „Das macht dich kaputt!“, recht er bei UNIVISIÓN mit dem Fußballgeschäft ab und stellt klar: „Meine Zukunft ist weit weg vom Fußball.“

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Gonzalo Higuaín
Higuaín spielt seit Herbst 2020 in Miami – Foto: IMAGO / Icon SMI

„Die Leute haben gar keine Ahnung, was Fußballer sein, heißt“

„Pipita“ hatte immer schon einen schweren Stand als Fußballer, war mehr als ein Mal scharfer Kritik ausgesetzt und gab schon in der Vergangenheit mehrere Interviews, in denen er auch über seine Ängste als Profispieler sprach. Bereits mit 28 dachte der Stürmer zum ersten Mal darüber nach, seine Fußballschuhe an den Nagel zu hängen, nachdem er insgesamt drei Finalspiele mit Argentinien verloren hatte (WM-Finale 2014 gegen Deutschland, Copa America 2015 und 2016). Denn es war der Argentinier, der die ganze Kritik abbekam. „Die Leute haben gar keine Ahnung, was es bedeutet, Fußballspieler zu sein. Sie glauben, wir spielen einfach nur Fußball und das war’s. Du bist interessant, solange du spielst, danach kräht kein Hahn mehr nach dir. Das ist mir schon seit Jahren klar.“ Auch die Erfolge, die er mit allen Vereinen feierte, scheinen in diesem Fall nicht aufzuwiegen, was den Stürmer die ganzen Jahre über so belastet hat. Drei Mal italienischer Meister mit Juventus Turin, drei Mal spanischer Meister mit Real Madrid und noch mehr Trophäen stehen auf seiner Liste, und dennoch: „Du bist als Spieler wie eine Einwegflasche. Wenn sie leer ist, treten sie drauf und schmeißen sie weg.“ Klare Worte des 34-Jährigen, der seit September 2020 in der Major League Soccer bei Inter Miami CF zwar noch spielt, aber deutlich weniger unter Beschuss steht.

„Meine Zukunft ist ganz klar weit weg vom Fußball“

Wo auch immer der Mittelstürmer Fuß fassen wollte, nirgends wurde er so richtig glücklich. Auch beim FC Chelsea litt er unter dem Druck, der von Außen kam. Sogar so sehr, dass sich der damals 31-Jährige aus Angst vor der Reaktion der Kritiker nicht aus dem Haus traute. Im Gegensatz zu vielen Ex-Spielern, die auch nach Karriereende weiter mit dem runden Leder arbeiten, sieht sich Gonzalo Higuaín wahrscheinlich überall, aber nicht dort: „Meine Zukunft ist ganz klar weit weg vom Fußball. Sehr weit weg. Ich werde den Fußball genießen, wenn ich spiele, aber danach will ich ganz weit weg davon. Das macht dich kaputt. Es ist kein Schmerz oder Unbehagen, ich fühle nur, dass es nicht die Welt ist, in der ich leben möchte.“

„Wenn du anfängst, denkst du dir: ‚Oh wie schön‘“

In all den Fußballer-Jahren hat der heutige MLS-Spieler seine klare Priorität gefunden: „Ich habe alles, was ich brauche, und das Wichtigste sind meine Frau und meine Tochter. Sie sind das Beste, was mir der Fußball gegeben hat, auch wenn ich dafür einen hohen Preis zahlen musste, was mein Leben betrifft.“ Auf alles andere blickt „el Pipita“ sehr kritisch und schon fast warnend zurück: „Wenn du mit Fußball anfängst, denkst du dir: ‚Oh wie schön das alles ist.‘ Aber wenn du so langsam die Hintergründe kennenlernst, die Schlechtigkeit, der Neid, die Eifersucht… Das zur Schau stellen und die ganze Zeit verurteilt zu werden. Warum sollte ich mich wieder in diese Blase begeben? Nein!“

Der Stürmer hatte nur einen Wunsch, nämlich Ruhe zu finden und weg von all dem Trubel zu kommen. Im Dezember 2021 verriet er dem argentinischen Fernsehsender F90 ESPN  (übersetzt: TyC Sports) noch, dass er all das bei Miami endlich gefunden habe und auch seinen Vertrag, der bis Ende 2022 läuft, erfüllen möchte. Doch bei aller Freude: Auch außerhalb Europas bleibt der Argentinier nicht vom Leistungsdruck verschont. Phil Neville, ehemaliger Manchester United-Spieler und aktueller Trainer von Inter Miami machte erst diesen Monat deutlich, dass Gonzalo Higuaín abliefern muss: „Damit wir Erfolg haben, muss er für das Team Leistung bringen. Seine Rolle hat sich nicht geändert. Er ist unser bester Stürmer. Von ihm verlangen wir am meisten Tore und die meisten Vorlagen.“

Wie es aussieht, wird die ehemalige Nummer 20 von Real Madrid erst vollständige Ruhe finden, wenn er seine Karriere beendet – und dem Fußball fernbleibt.

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Kommentare
Ich empfinde seine Aussagen als naiv und larmoyant, jeder sollte doch darum wissen, dass der Profifußball die höchste Stufe des permanenten Leistungsgedanken ist. Mit welchen Methoden, außer noch mehr Geld, sollte man den die beste Leistung aus den Spielern herauskitzeln. Für mich ist es eigentlich nicht mal eine ernsthafte Kritik, sondern vor allem eine Beschwerde, über das permanente einfordern von Leistung. Das die Medien und Fans sich zum Teil unangenehm gerieren, erklärt sich von selbst, aber dies widerfährt nahezu allen öffentlichen Personen (was ich nicht gutheiße, sondern vollends missbillige). Er ist gesund und kann mit finanzieller Absicherung, seine Karriere jederzeit beenden und überall auf der Welt privatisieren, kein Mensch erwartet von ihm, seinem dann ehemaligen Berufsleben verbunden zu bleiben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sie wissen es vorher was auf sie zukommt wenn sie zu großen Vereinen wechseln. Wenn es zu stressig wird, können Sie ja bei kleinen Vereinen spielen.
Sie wissen DAS es auf sie zukommen wird,aber sie wissen deswegen noch lange nicht ,wie man damit umgeht ,bzw.wie man das alles bewältigt.Es gibt genug negativ Beispiele aus der fussballwelt ,sei es spieler oder auch Schiedsrichter ,die eben nicht mit dem Druck zurechtkamen .Deswegen sollten solche Interviews immer wieder zum nachdenken anregen.den ,wie schon geschrieben,auch Fußballer sind Menschen.Aussagen wie „ die armen Millionäre „ sind dahingehen kurzsichtig ,da der Gesundheitszustand selten was mit dem Bankkonto zutun hat.
 
Schneller, höher und weiter - das ist doch ein gesellschaftliches Problem. Der große Unterschied ist nur, dass die innerhalb eines Jahrzehnts zu Multimillionären werden. Währenddessen andere trotz immenser körperlicher und psychischer Belastung 40 Jahre knechten und eine Rente erhalten, die kaum zum Überleben reicht. Möchte man über die "handelsüblichen" Jobs vermögend werden, kann man sich in den meisten Jobs auf eine 65-80h Woche einstellen. Die Leistungserbringung beginnt dann ebenfalls unmittelbar im Abitur. Was sich Medien und Fans manchmal herausnehmen, ist unmenschlich, keine Frage. Das lässt sich auch nicht damit relativieren, dass sie Millionen verdienen. Allerdings bewegen sie sich bewusst in solchen Sphären, sprich in der "Elite" ihrer Profession. Niemand hindert sie daran, zwei oder drei Gänge zurückzurudern. Bei einem mittelklassigen Club verdienen sie immer noch ein Vermögen, haben allerdings deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit etc. Wenn ich als Investment Banker zu Goldman Sachs möchte, kann ich mich nicht über die Arbeitsbedingungen beschweren.
 
Das waren noch Zeiten als er als junger Spieler zwischen RvN und Raul randurfte. Hat damals eigentlich auch gleich viel gespielt und ab 2008 gut getroffen (09/10 sogar mit mehr Liga-Toren als CR). War aber auf Dauer mit CR hald weniger kompatibel als Benzema.
Der kauft sich ne Ranch in Argentinien und grillt danach jeden Tag


Ich erinner mich noch an seine Debutsaison bei uns. Der war echt ein Chancentod hat sich aber dann zu einem mordsmässigen Knipser entwickelt.
 
Schneller, höher und weiter - das ist doch ein gesellschaftliches Problem. Der große Unterschied ist nur, dass die innerhalb eines Jahrzehnts zu Multimillionären werden. Währenddessen andere trotz immenser körperlicher und psychischer Belastung 40 Jahre knechten und eine Rente erhalten, die kaum zum Überleben reicht. Möchte man über die "handelsüblichen" Jobs vermögend werden, kann man sich in den meisten Jobs auf eine 65-80h Woche einstellen. Die Leistungserbringung beginnt dann ebenfalls unmittelbar im Abitur. Was sich Medien und Fans manchmal herausnehmen, ist unmenschlich, keine Frage. Das lässt sich auch nicht damit relativieren, dass sie Millionen verdienen. Allerdings bewegen sie sich bewusst in solchen Sphären, sprich in der "Elite" ihrer Profession. Niemand hindert sie daran, zwei oder drei Gänge zurückzurudern. Bei einem mittelklassigen Club verdienen sie immer noch ein Vermögen, haben allerdings deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit etc. Wenn ich als Investment Banker zu Goldman Sachs möchte, kann ich mich nicht über die Arbeitsbedingungen beschweren.

Ich danke dir.
Endlich ein konstruktiver und trotzdem kritischer Beitrag mit guter Begründung.

Bin echt geschockt von dem ganzen Frust der Anderen hier in den Kommentaren.
 
Ich finde es ein wenig erschreckend wie wenig Empathie ihm entgegengebracht wird. Er sagt selbst, dass zu Beginn seiner Fußballerkarriere er die negativen Seiten noch gar nicht kannte. Und weil er Millionen auf dem Konto hat, darf er keine Gefühle haben? Das ist genau der Neid, den er beanstandet. Fußballer haben auch Gefühle und nicht jeder hat so eine harten Panzer, an dem jegliche Kritik spurlos vorbeigeht. So über ihn herzuziehen finde ich persönlich unfair.
 
Ich erinner mich noch an seine Debutsaison bei uns. Der war echt ein Chancentod hat sich aber dann zu einem mordsmässigen Knipser entwickelt.

Ich muss bei Gonzalo immer sofort an seine Verweigerung des Querspielens auf CR7, 2009 gegen Lyon denken. Ich könnte ihm heute noch an die Gurgel springen, wenn ich daran denke... :D
 
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Du scheinst viel Ahnung von Depressionen und ähnlichem zu haben.

Wo liest Du etwas heraus, was auf Depressionen oder dergleichen schließen ließe. Ich lese lediglich Kritik an dem Leistungsdruck, oder der permanenten Beurteilung seiner Leistungen oder Person heraus. Zum Schluss relativiert er seine Worte ja auch wieder, "Ich werde den Fußball genießen, wenn ich spiele, aber danach will ich ganz weit weg davon. Das macht Dich kaputt. Es ist kein Schmerz oder Unbehagen, ich fühle nur, dass es nicht die Welt ist, in der ich leben möchte."
Im Grunde könnte man auch festhalten, er nimmt sehr gern alle Annehmlichkeiten seines Berufsstandes entgegen, aber mit dem einfordern von Leistung, deren Beurteilung, dem Konkurrenzkampf, dem Medien- und Fanrummel, dem Verlust der Anonymität hat er Probleme zurechtzukommen. Ich verstehe dies zu Teilen, aber er hätte seine Karriere früher beenden können und zudem glaube ich mich zu erinnern, dass sein Vater schon Fußballprofi war, sich dann derart überrascht von den Mechanismen des Geschäfts zu zeigen, ist fragwürdig. Naja, alles Gute Gonzalo und zum Glück hast Du es ja bald hinter Dich gebracht...
 

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