Reportage

„Iker sagte mir, seine Zukunft sei nur halb geklärt“

Iker Casillas ist für den FC Barcelona aktuell kein Thema, doch ein Verbleib des fünffachen Welttorhüters bei Real Madrid ist deshalb trotzdem noch lange nicht gesichert. Wie Spaniens Nationalcoach Vicente Del Bosque gegenüber dem Radiosender CADENA SER verriet, sei die Zukunft der 32-Jährigen aufgrund seines Reservistendaseins bei seinem Arbeitgeber „nur halb geklärt“. Casillas, der unter Del Bosque nach wie vor gesetzt ist, leidet jedoch auch unter dem Verhalten mancher Fans.

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Del Bosque
Können miteinander über alles sprechen: Vicente Del Bosque (l.) und Iker Casillas

Trotz Reservistenrolle in Madrid: Del Bosque setzt auf Casillas

MADRID. Würde Vicente Del Bosque noch auf der Trainerbank im Estadio Santiago Bernabéu sitzen, hätte Iker Casillas alleine aus Respekt und Sympathie einen Stammplatz vor Diego López sicher. „Ich bin der Meinung, dass ihm mehr Zuneigung und Respekt entgegengebracht werden sollte. Ich weiß nicht, ob ‚nett‘ das richtige Wort ist, aber ich finde, dass Iker es verdient, dass die Menschen nett zu ihm sind. Er hat so viel erreicht, so oft seinen Wert und seine Wichtigkeit demonstriert – ob für die Selección oder seinen Klub. Zwar sollten wir alle gleich behandeln, doch unter manchen Umständen ist es die größte Ungerechtigkeit. Iker ist nicht mit den Anderen gleichzusetzen, nahm der 62-Jährige das „Denkmal“ der Königlichen bereits öffentlich in Schutz, als Neu-Real-Coach Carlo Ancelotti im ersten Spiel 2013/14 gegen Betis Sevilla auf López baute.

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Als Übungsleiter der spanischen Nationalmannschaft hat Del Bosque jedoch auch ebenso wenig Zweifel an den Fähigkeiten des fünffachen Welttorhüters. Beim wichtigen Qualifikationsspiel gegen Finnland (2:0-Triumph für die Iberer) stand Casillas zwischen den Pfosten, obgleich sich Barças Víctor Valdés zuletzt mit starken Leistungen empfohlen hatte. „Die Zeit bringt jeden wieder an seinen rechtmäßigen Platz“, zeigte sich der Trainer auf der Pressekonferenz nach der Partie fest davon überzeugt, dass Ancelotti bald umdenkt und eine Veränderung zwischen den Pfosten vornimmt.

Nicht mehr alle lieben ihren Kapitän

Hält López allerdings weiterhin so fehlerfrei wie in den vergangenen Wochen und Monaten, dürfte der Italiener keinen Grund dazu haben, Casillas aufzustellen. Schließlich zähle die Mannschaft und nicht der Einzelne, betonte „Carletto“. Del Bosque muss demnach definitiv damit rechnen, dass sein Schützling in einer WM-Saison öfter die Bank wärmt als spielt. Die unangenehme Situation seines Leistungsträgers bereitet dem Fußball-Professor aus Salamanca natürlich Kopfzerbrechen. Dem Radiosender CADENA SER berichtete er am Dienstagmorgen von einer Konversation mit „San Iker“: „Wir haben vor dem Finnland-Spiel geredet und ich fragte ihn, wie es ihm ginge. Ich wollte das natürlich wissen, nachdem es zuletzt für ihn nicht einfach war. Er sagte mir, ihm ginge es gut, er habe schwierige Zeiten überstanden und sei bereit zu spielen. Dennoch teilte er mir mit, dass seine Zukunft nur halb geklärt sei.“

Die Worte Del Bosques bestätigen: Casillas fühlt sich momentan alles andere als wohl. Das liege jedoch nicht nur in erster Linie an seiner Rolle als Ersatz bei Real Madrid, sondern auch an der sich immer weiter ausdehnenden Fan-Kampagne gegen ihn. Galt der Keeper früher als „everybodys darling“ und Madridista von Kopf bis Fuß, ist er heute bei vielen längst nicht mehr der Publikumsliebling. Die einen verehren ihren langjährigen Rückhalt, nicht wenige andere unterstützen hingegen López und fordern gar Casillas‘ Verkauf. Warum? „Als Iker sich mit den Barça-Spielern und vor allem Xavi aussöhnte, fingen all diese Probleme für ihn an“, so Del Bosque, der sich damit auf die umkämpften Clásicos in den Jahren 2010 und 2011 bezog. Um den Zusammenhalt und den damit verbundenen Erfolg in der fast nur aus Madrilenen und Katalanen bestehenden Nationalelf nicht zu gefährden, ging Iker als Kapitän voran und spielte den „Streitschlichter“. Seitdem gilt er für so manchen Madridista auf der iberischen Halbinsel als „Verräter“ und „Barça-Freund“.

Casillas und Xavi
Die Aussöhnung mit Xavi und Co. kostete Casillas Sympathien bei vielen Fans

Dass er mit dem verbitterten Erzfeind eine Friedenspfeife rauchte, soll insbesondere sein Verhältnis zu José Mourinho zerrüttet haben. Als viele Zeitungen hin und wieder Interna aus der Real-Kabine veröffentlichten, munkelte man in Spanien, Casillas habe diese Informationen mithilfe seiner Lebensgefährtin, der Sportjournalistin Sara Carbonero, an die Presse weitergegeben. Die Mourinho-Liebhaber unter den Anhängern gaben ihm daraufhin den Namen „Maulwurf“ und warfen ihm vor, dass er für die schlechte Stimmung innerhalb der Mannschaft sorgte und der „Special One“ maßgeblich wegen ihm nach England zu Chelsea London zurückgehen wollte. Daher unter den „Iker, Iker, Iker“-Rufen im Bernabéu auch die vereinzelten Pfiffe gegen ihn.

Guti: „Er könnte überall hin“

Der von allen geliebte Held ist Casillas nicht mehr. Obendrein findet auch Ancelotti momentan López besser und stärker als ihn. Kein Wunder, dass die Gerüchte um einen baldigen Abgang des Linksfußes ihren Lauf nehmen. Aufgrund der guten Verhältnisse zu den Barça-Akteuren Xavi, Piqué und Co. gilt ein Wechsel gen Camp Nou nicht als unrealistisch – auch nicht nach dem Dementi von Sandro Rosell. Real-Urgestein Guti würde seinem ehemaligen Mitspieler diesen Schritt allerdings niemals zutrauen. Der 36-jährige Jugendtrainer bei PUNTO PELOTA: „Ich habe zwar nicht mit ihm darüber gesprochen, aber er ist sicherlich nicht so verrückt darauf, nach Barcelona zu gehen. Sollte er denn tatsächlich einen Abschied erwägen, könnte er überall hingehen, aber nicht zu Barça.“ REAL TOTAL bleibt dran!

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