
Die Causa Karim Benzema spaltet den Madridismo. Zum achten Mal in dieser Saison wird er ein Spiel verpassen. Das kann passieren. Auch, dass er in den letzten fünf Partien nur 26 Minuten auf dem Platz stand. Viele Madridistas machen sich nicht nur Sorgen um den Franzosen, es gibt auch Vorwürfe, Benzema schone sich eher für etwas anderes, habe eher die WM als seinen Verein im Kopf.
Diese Vorwürfe wuchsen auch durch Carlo Ancelottis jüngste Aussagen. So handelt es sich bei Benzemas Ausfällen gar nicht zwingend um eine Verletzung, sondern um „kein gutes Gefühl“. Pressekonferenz für Pressekonferenz versucht Ancelotti den Madridismo zu beruhigen und sich selbst auch Hoffnung machen: „Am Donnerstag wird Karim glaube ich dabei sein.“
Fehlanzeige. Benzema fehlt auch im letzte Spiel vor der Weltmeisterschaft. Ob all dieses Hin und Her – mal trainiert Benzema mit der Mannschaft, dann wieder nicht – mit seiner Rücksicht für die WM zu tun hat, lässt sich nicht genau sagen. Ancelotti: „Das ist Blödsinn. Er hat Probleme, die nicht gravierend sind, ihn nicht außer Gefecht gesetzt haben, denn er trainiert individuell. Aber für ein Spiel war das Gefühl nicht gut. Karim selbst ist am meisten enttäuscht.“
Die Fans sind also zwiegespalten. Ich selbst bin es auch. Einerseits sah man jüngst bei Sadio Mané, wie schnell ein WM-Traum platzen könnte. Und Benzema ist immerhin schon 34 Jahre alt. Dass er auch 2026 mit 38 Jahren für Frankreich stürmen wird: unwahrscheinlich. Und da er den WM-Titel 2018 verpasst hat, kommt er erst auf fünf WM-Partien – alle von 2014. Es ist seine letzte große Chance, da kann man verstehen, dass er darauf zumindest etwas Rücksicht nehmen will.
Zwar ist er Real Madrids bester Spieler, trotzdem stehen Ancelotti eigentlich genügend Spieler zur Verfügung, um gegen Girona und Rayo mehr als diesen einen Punkt zu holen – Benzemas Fehlen kann da nicht der Hauptgrund sein. Der Franzose hat genug geopfert, trägt Real Madrid nicht erst seit 2021/22 auf seinen Schultern und zum Erfolg, sondern seit Cristiano Ronaldos Abgang, wuchs er Saison für Saison über sich hinaus.
Und das auf Kosten seiner eigenen Gesundheit. Denn seit drei Jahren schiebt er eine Operation vor sich her. Seit Januar 2019 ist der kleine Finger seiner rechten Hand nicht nur gebrochen, sondern auch gekrümmt, ohne die Bandagen – mittlerweile sein Markenzeichen – steht der Finger unnatürlich ab. Der durch Corona, die EM und nun die WM enorm gestauchte Kalender ließ eine entsprechende Regeneration bisher nicht zu. „Anfangs habe ich mich operieren lassen. Wenn du eine Operation machst, musst du eigentlich zwei Monate pausieren. Ich wollte aber weitermachen, erlitt dann wieder Schmerzen. Ich habe jetzt keine Zeit, um zu pausieren und eine weitere Operation zu machen. Deswegen spiele ich mit dem Verband“, erklärte er im September 2021 bei einer Pressekonferenz.
Benzema hat die letzten Jahre viel geopfert, noch mehr in den Hintergrund gestellt und viel gewonnen, unter anderem den Ballon d’Or. Hat er sich da ein bisschen Rücksicht verdient? Ja. Es muss auch mal ohne ihn gehen. Ging es auch schon: Von den acht Partien ohne ihn (inklusive dem Celtic-Hinspiel, als er früh verletzt ausgewechselt wurde) wurden die ersten fünf gewonnen, aus den letzten drei gab es allerdings nur einen Punkt. Das spricht alles soweit für eine (mögliche) bewusste Schonung Benzemas in Hinblick auf sein möglicherweise letztes großes Turnier.
Und was spricht dagegen? Wie immer: Der Verein ist wichtiger als Nationalmannschaft. Die Mannschaft braucht nicht nur ihren besten Spieler, sondern auch ihren Kapitän. Auf den mitspielenden Angreifer ist das ganze Spiel ausgelegt. Ist er mit seinen Eigenschaften ohnehin schon unersetzbar, gibt es auch nicht wirklich einen adäquaten Backup im Kader – Rodrygo Goes gelingt noch lange nicht alles, Mariano Díaz ist im Spielaufbau nicht zu gebrauchen, Eden Hazard hat null Vertrauen von Ancelotti.
So ist die Gesamtsituation auch etwas die Schuld der Vereinsführung, zu naiv in die Saison gegangen zu sein mit dem Gedanken, Benzema würde so weiter machen wie bisher, wie die letzten Jahre. Vielleicht will der Franzose zu viel, vielleicht würde er auch wenn er eingesetzt wird nicht mit 100 Prozent, sondern etwas Vorsicht spielen. Es muss auch ohne ihn gehen. Es gibt 20 Argumente für die eine und 20 Argumente für die andere Seite. Benzema kann es am Ende nur selbst wissen – wenn er wirklich nicht spielen kann und nicht bei 100 Prozent ist, dann ist es eben so.
Aber wenn er aktuell nicht will und er sich schont, dann ist das ein Fleck auf seiner blütenweißen Weste der letzten zwei, drei Jahre. Und man kann nur hoffen, dass Real Madrid diese Rücksicht und leichter Egoismus in der Liga nur fünf Punkte gekostet hat und nicht noch mehr, sollte es gegen Cádiz einen weiteren Patzer geben. Dann dürfte die Kritik gegen Real Madrids Nummer 9 deutlich lauter werden als jetzt. Noch hat die Mannschaft es aber selbst in der Hand, ihrem Kapitän, der die letzten Jahre so viel geopfert hat, diese Pause ohne schlechtes Gewissen zu gönnen.
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