
Jetzt ist es offiziell. Und es ist, wie so oft, ein super komplexes Thema. Hätte Real Madrid nicht doch irgendwie noch ein Auge zudrücken können? Ja. Hätte aber auch Sergio Ramos längst seinen Worten Taten folgen lassen können, um das geringere Angebot doch noch anzunehmen? Que si!
Es ist komplex und geht wie immer im Fußball um einiges: Geld, Gier, Macht und viel Stolz, speziell bei Real Madrids bis hierhin dienstältesten Spieler. Als Sergio Ramos im Sommer 2005 zu Real Madrid gewechselt ist, war manch ein Fan noch gar nicht geboren – nicht weniger als eine der erfolgreichsten Ären des Klubs später kommt es nun zu einer Trennung. Einer Trennung mit Hindernissen und Ansage. Und gewiss „Fehlern“ auf beiden Seiten.
Wäre ohne die Corona-bedingten Finanzprobleme noch Geld für ein erhöhtes Angebot da? Möglicherweise. Hätte Ramos speziell als Kapitän auch auf die zehn Prozent verzichten können, so wie es der andere Oldie Luka Modrić getan haben soll? Auch. In dieser Causa gibt es eigentlich nur Verlierer, aber während Real Madrid einen seiner größten Kapitäne und Legenden verliert, verliert Sergio Ramos noch etwas mehr – er ist auch dafür verantwortlich, dass sein Traum, die Karriere in Madrid zu beenden, nicht wahr wird. Zu viel ist dafür passiert, die Fronten längst verhärtet. Ramos und sein Bruder und Berater René haben zu hoch gepokert und verlieren in meinen Augen nun mehr als die Königlichen.
Zu viele Gerüchte von interessierten Vereinen wurden lanziert, um doch noch ein besseres Angebot (angeblich ein Jahr zu gleichen oder zwei Jahre zu verringerten Konditionen) von Real zu erhalten, jetzt muss der 35-Jährige zusehen, wer sein galaktisches Gehalt übernimmt. Mal von der Finanzkrise abgesehen – wie konnte es so weit kommen? Schon 2015 hatte Ramos für ein besseres Vertragsangebot mit Manchester United geflirtet, wonach Real Madrid ihm noch entgegen kam. „Ich habe einen Moment lang daran gedacht, eine Luft-Veränderung vorzunehmen“, bestätigte Ramos vor sechs Jahren selbst und Rio Ferdinand warf ihm sogar vor: „Er hat United nur benutzt, um einen besseren Vertrag bei Real zu erhalten.“
Diesen Flirt nahmen ihm einige Madridistas schnell übel – gleiches bei dem, was 2019 passiert ist. Da liebäugelte er sogar mit einem Wechsel nach China (angeblich aufgrund eines Verlusts durch ein Immobilienprojekt) und bat angeblich (!) sogar darum, dass sein Arbeitgeber ihn gratis gehen lassen solle. Eine Kopfwäsche später und Florentino Pérez bestellte seinen Kapitän vor die Presse, damit der sein Image noch retten konnte: „Ich würde hier auch ohne Bezahlung spielen“, erklärte Ramos auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz großspurig und versuchte die China-Gerüchte aus der Welt zu schaffen: „Ich habe dem Präsidenten vom Angebot erzählt, doch das heißt noch lange nicht, dass ich gehen wollte.“
#LaPortada “Jugaría gratis en el Madrid” pic.twitter.com/T561mADHIt
— MARCA (@marca) May 30, 2019
Zwei Jahre später ist von dem berühmten MARCA-Cover nichts mehr übrig – Ramos geht des Geldes wegen. Und des Ehrgeizes wegen, das zeigte speziell die vergangene Saison: Für einen Nationalmannschaftsrekord riskierte er im März eine weitere Verletzung, schon um in der Supercopa gegen Athletic dabei zu sein, übertrieb er es und fiel im Anschluss länger aus. Auch sein Einsatz im Chelsea-Rückspiel kam zu früh – er schien weder körperlich noch mental auf der Höhe. Sportlich sind Ramos’ große Zeiten vorbei. Dazu kommen Erinnerungen wie seine extra eingeholte Gelbe-Sperre 2019 gegen Ajax Amsterdam, nur um im Rückspiel von Amazon gefilmt zu werden, wie seine Mannschaft ohne ihn unterging. Vorbildkapitän Ramos (laut Toni Kroos der “beste Kapitän meiner Karriere”) hat seine Mannschaft mittlerweile mehrfach im Stich gelassen, sein Bruder den Vertragspoker längst in die Öffentlichkeit übertragen, mal werden „Pro Ramos, gegen Real“-Tweets geteilt, mal auf einmal diversen PSG-Profis gefolgt und so weiter. Die Stimmung bei den Fans ist längst gekippt, und nachdem sowohl Nacho Fernández als auch Éder Militão 2020/21 ihre bislang beste Saison in Madrid erlebten und mit David Alaba sowohl Erfahrung als auch Weltklasse für die Abwehr dazu geholt wurde, war Ramos für den Klub nicht mehr unverzichtbar – von den sieben Ausfällen (kein Blanco hatte mehr Ausfälle) und daher nur 21 von 52 möglichen Einsätzen mal abgesehen.
Ramos hat sich verzockt und ist daher in meinen Augen ein größerer Verlierer als der Verein. Diesmal rettet keine 93. Minute den Spanier, diesmal muss er sich eingestehen, dass er doch nicht unschlagbar ist. Auch wenn er dank 22 Titeln für immer unsterblich sein wird im Klub – und doch wird er eine Legende mit Makel sein. Eine Legende, die das Angebot zum Karriereende in Madrid ausschlug, um mit 35 woanders einen Neuanfang zu wagen.
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