
Real Madrid: Clásico-Vibes gegen Chelsea
Als dann endlich Schluss war, sackte einer nach dem anderen zu Boden. Nicht vor Trauer, sondern vor positiver Erleichterung, vor Erschöpfung, jubelnd. Die Profis von Real Madrid hatten vor heimischer Kulisse im Estadio Santiago Bernabéu über weite Strecken ungewollt alles dafür getan, mal wieder für einen besonders schwarzen Tag in der Vereinsgeschichte zu sorgen. Für eine kolossale Blamage, wie man sie ja erst vor wenigen Wochen an Ort und Stelle mit dem 0:4 gegen den FC Barcelona erlebt hatte.
Nach der starken Performance an der Stamford Bridge samt 3:1-Erfolg hatten es eigentlich nur noch die größten Pessimisten für möglich gehalten, dass Real sich dem FC Chelsea in diesem Viertelfinale der Champions League noch geschlagen geben muss.
Um ein Haar wäre es dazu gekommen – weil wieder so viel dem Clásico-Debakel ähnelte: Real tritt offensiv kaum ernsthaft in Erscheinung, hat stattdessen defensiv jede Menge zu tun und kassiert dann auch noch Gegentor um Gegentor. Mit dem 0:3 in der 75. Minute schien der Glaube endgültig verflogen. An diesem Dienstagabend lief so ziemlich gegen das Ensemble von Carlo Ancelotti – zumindest bis dahin.
„Giving up is not an option“
Dann geschah das, weshalb Luka Modrić später zu seinem Handy griff und bei Twitter auf Englisch einfach nur resümierend festhielt: „Giving up is not an option.“ Aufgeben sei keine Option, das hatten sie ja Mitte März auch schon im Achtelfinal-Rückspiel gegen Paris Saint-Germain unter Beweis gestellt. Es sind keine leeren Worte.
Giving up is not an option.
— Luka Modrić (@lukamodric10) April 12, 2022
Der Kroate war es, der das nicht mehr für möglich gehaltene Happy End einleitete – mit seinem rechten Außenrist, dem besten Außenrist der Fußballwelt, schlug er eine Flanke, die der eingewechselte Rodrygo Goes per Direktabnahme zum 1:3 verwandelte. Verlängerung. Dann die 96. Minute: Karim Benzema lässt Vinícius Júniors Hereingabe per Kopfball zum 2:3 im Netz zappeln. Jetzt brachen im Bernabéu-Stadion alle Dämme, und umso mehr dann, als Schiedsrichter Szymon Marciniak das Spektakel dann irgendwann abpfiff.
Wie leichtfertig! Real Madrid verdient auch Kritik
Dem Madridismo fiel eine gewaltige Last ab. Und er konnte nicht so recht glauben, dass das da gerade der Realität entsprach – angefangen mit der summa summarum sehr dürftigen Performance der Mannschaft von Carlo Ancelotti. Sie hat sich die Butter vom Brot nehmen lassen, aus denkwürdigen Begegnungen in der Königsklasse wie der 1:4-Klatsche gegen Ajax Amsterdam im Achtelfinale 2019 (2:1-Sieg im Hinspiel) oder der 1:3-Pleite gegen Juventus im Viertelfinale 2018 (3:0-Sieg im Hinspiel) offensichtlich nicht viel gelernt.
Leichtfertig, nicht abgezockt, im Grunde genommen ja schon amateurhaft: Real wäre dieses Viertelfinale beinahe gewaltig auf die Füße gefallen, es fehlte nicht viel zu einer der denkwürdigsten Blamagen der jüngeren Klubhistorie. Das darf einem Real Madrid beim besten Willen nicht passieren, das darf das Team nun keinesfalls unter den Teppich kehren.
Auf der anderen Seite gilt es aber ebenso festzuhalten: Wenn es diese Mannschaft selbst nach ihrer offensiv wieder zu biederen Leistung schafft, sich so spektakulär im Spiel zurückzumelden, dann ist ihr spätestens jetzt alles zuzutrauen. Um es noch deutlicher zu formulieren: Wer solche Hürden meistert, der hat auch eine realistische Chance auf den europäischen Thron. Fürchten muss Real niemanden.
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