Marcelos letztes Jahr: Stiller Abgang zum Ende einer Ära?
Marcelo ist dienstältester Blanco, Publikumsliebling und Kapitän. Dennoch stehen nach der 16. Saison an der Concha Espina alle Zeichen auf Abschied für den sympathischen Lockenkopf. REAL TOTAL blickt auf die Errungenschaften des Brasilianers und wagt einen Blick auf die mögliche Zukunft der Vereinslegende.
Trotz des neuen Kapitänsamts führte Marcelo seine Kollegen zuletzt nur selten auf das Spielfeld – Foto: IMAGO / Sportimage
Galicien, 7. Januar 2007: Ein kalter Abend im Riazor-Stadion zu A Coruña. Ortszeit, kurz nach 20:15 Uhr. Ein wenig amüsierter Fabio Capello sieht sich zum Handeln gezwungen, hatte seine Mannschaft gerade erst das zweite Gegentor hinnehmen müssen. Eine Entscheidung war klar, für die Offensive sollte Ronaldo (der Brasilianer) kommen. Der Stürmer ersetzte Fernando Gago. Da zuvor ein gewisser David Beckham bereits für Guti ins Spiel kam, sollte der letzte verfügbare Wechsel wohl überlegt sein – und Capello entschied sich: Die Wahl fiel auf einen Jüngling, ein Knabe mit kurzem „Rabbo”-Haarschnitt und verschmitztem Grinsen. Ein Brasilianer, der erst vor einer knappen Woche aus seinem Heimatland an die Concha Espina gewechselt war, sollte nun die Wende bringen. Er kam für Míchel Salgado und feierte sein Debüt im weißen Dress. Das Spiel ging zwar dennoch verloren, was damals jedoch noch niemand wusste: Diese Einwechslung sollte der Startschuss für die Ära eines der prägendsten Real-Spieler dieses Jahrtausends werden. Die Rede ist natürlich von Marcelo.
Angreifer im Körper eines Abwehrspielers
Trotz der Niederlage konnte Real Madrid am Ende dieser Saison 2006/07 Meister werden. Aufgrund anfänglicher Anpassungsschwierigkeiten waren die ersten Monate in der spanischen Hauptstadt noch nicht die des Marcelo Vieira da Silva Júnior, wie er mit bürgerlichem Namen heißt. Seine große Zeit sollte aber noch schlagen – wie wir es heute alle besser wissen. Bis in die Gegenwart sind seit dem Debüt damals in A Coruña nahezu 15 Jahre verstrichen, in denen der Linksverteidiger voller Inbrunst und Herzblut das Wappen der Königlichen verteidigte. 532 Spiele bestritt der Brasilianer seitdem, worin er beachtliche 38 Tore und 101 Vorlagen vorweisen konnte – schier unfassbare Zahlen für einen Verteidiger. Doch gerade das zeichnete ihn aus: Der unbändige Drang nach vorne und das stete Einbringen im Offensivspiel. Das größte Beweisstück? Vermutlich der Auftritt in der Champions League 2017 gegen den FC Bayern München, als er sich selbst ein Denkmal baute. Er agierte wie das Paradebeispiel eines Außenverteidigers à la Real Madrid. Vergleiche mit Klub-Legende Roberto Carlos, dessen große Fußstapfen er füllen sollte, brauchte Marcelo nicht zu fürchten – alleine seine Erfolge sprechen für sich.
In 15 Jahren bei den Blancos sammelte Marcelo 22 Titel und hatte viele Anlässe zum Feiern mit seinen Kollegen – Foto: Cordon Press
Marcelo prägte eine Ära, avancierte vom „Früchtling” zum Führungsspieler und blieb während seiner Entwicklung auch immer einer der Publikumslieblinge. Seit dieser Spielzeit 2021/22 ist er zudem Kapitän der Mannschaft. „Es macht mich stolz und ist eine sehr große Verantwortung, der Kapitän des besten Vereins der Welt zu sein”, sagte der Brasilianer demütig vor der Saison über sein neues Amt. Nach vielen Jahren voller Erfolge, wobei er unter anderem fünf Mal spanischer Meister wurde, vier Mal die Königsklasse und zwei Mal die Copa del Rey gewann, behielt er sich immer den Charakter eines Lausbuben bei, der innerhalb der Mannschaft für gute Laune zu sorgen wusste, auf dem Rasen aber erbarmungslos mit seinen Gegenspielern umging, diese zuweilen gar düpierte. Er paarte gekonnt das brasilianische “Jogo Bonito” mit der europäischen Disziplin des Verteidigens und blieb dabei ein Spaßvogel durch und durch – auf und neben dem Feld. Womöglich lag darin sogar sein Erfolgsrezept.
Diskrepanz zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Die Vergangenheitsform des Textes mutet an wie eine Ode auf einen Akteur, dessen Karriere bereits vorüber ist. Noch ist die „Ära Marcelo” jedoch nicht beendet, wenngleich dessen Tage – zumindest an der Concha Espina – als gezählt erscheinen. Bereits seit Monaten, fast Jahren spielt die Nummer 12 nicht die Rolle in dem Ausmaß, wie man es ihm wünscht und er es sich selbst sicher auch vorstellen würde. Während in den letzten Wochen viele Spielerveträge verlängert wurden, gibt es bei Marcelo keinerlei Anzeichen für Vertragsverhandlungen, nicht einmal von Sondierungsgesprächen kann berichtet werden. Ein deutliches Signal! In dieser Saison kommt er, auch immer wieder zurückgeworfen von Verletzungen, auf gerade einmal 110 Einsatzminuten, welche sich auf vier Spiele verteilen lassen. Das sind schlappe acht Prozent der maximal möglichen Einsatzzeit. Lediglich einmal stand Marcelo in der Startelf und konnte seine Königlichen als Dienstältester auf das Feld führen. Doch selbst da war nach 66 Spielminuten Schluss für den Außenverteidiger. Unter dem Strich steht also noch kein einziger Einsatz über die volle Distanz. Und wohl der Abschied im kommenden Sommer.
Mit Ferland Mendy steht die Wachablösung von Marcelo unlängst in ihren Startlöchern – Foto: IMAGO / Agencia EFE
Sein Körper lässt es offensichtlich nicht mehr zu, dauerhaft auf dem höchsten Niveau mitzuhalten. Weder die Spielfreude vergangener Tage, noch die Spritzigkeit von einst lässt Marcelo regelmäßig aufleben. Der durchaus jüngere Ferland Mendy hat heimlich, still und leise dem Routinier seinen Rang abgelaufen und erhält von Carlo Ancelotti, wie zuvor schon auch von Zinédine Zidane, deutlich mehr Einsatzzeit. Der 33-Jährige muss sich nicht erst seit dieser Saison vermehrt mit der Rolle als zweite Geige im königlichen Orchester abfinden. Und so stehen die Zeichen für den in Rio geborenen Lockenkopf stark auf Abschied. Für die Verlängerung des auslaufenden Arbeitspapieres gibt es wenig bis keine Argumente, gerade angesichts der Tatsache, dass man mit jungen Spielern nicht nur die Zukunft einläuten kann, sondern sicherlich auch im innermannschaftlichen Gehaltsgefüge neue Optionen schafft – Stichwort Mbappé-Transfer. Miguel Gutíerrez ist zudem so ein Kandidat aus der neuen Generation, der sich zuletzt während der Abstinenz von den verletzten Marcelo und Mendy auf dieser Position empfehlen konnte und in die Rolle als Marcelo-Nachfolger wachsen könnte. Dazu ist Sergio Reguilón noch lange nicht vom königlichen Radar verschwunden. Die Erfolge mit den Blancos wird man dem Brasilianer nie vergessen, aber für den Kader von Ancelotti steht kaum mehr ein Platz zur Verfügung. Das ist diese Saison schon nicht der Fall, kommende Spielzeit dann voraussichtlich noch weniger.
Frage nach dem wie – nicht nach dem wann
Mit der Prämisse, hinter den verschlossenen Türen der Concha Espina steht der Abgang bereits fest, bleiben lediglich zwei Fragen: Wie wird die Abschiedstournee für Marcelo verlaufen und wo schlägt der Brasilianer im Anschluss an die dann über anderthalb Dekaden in Madrid seine Zelte auf? Natürlich existieren bereits Spekulationen, wohin es den vor wenigen Jahren noch zweifellos besten Außenverteidiger der Welt verschlagen wird. Aus seiner Heimat, wo er damals im Januar 2007 von seinem Jugendklub Fluminense für eine Ablöse von 6,5 Millionen Euro hergekommen war, gibt es zwar immer wieder Gerüchte über eine Rückkehr, doch möchte Marcelo augenscheinlich (noch) nicht nach Brasilien wechseln. „Ich mache noch mindestens ein Jahr in Europa weiter”, sagte die Nummer 12 diesen Sommer selbst über seine Zukunft. Damit wird die grundsätzlich denkbare Option, dass er wie einst Roberto Carlos, seinen Karriereabend in einem etwas exotischeren Land verlebt, eher unwahrscheinlich. Vermutlich reizt ihn nochmal eine andere Station auf dem alten Kontinent mit einer frischen sportlichen Herausforderung. Im Sommer wurde hinter vorgehaltener Hand mit Interesse aus England kokettiert, namentlich sollen Leeds United und der FC Everton ihre Fühler ausgestreckt haben. Inzwischen könnte das Neureiche Newcastle United eine Option für den Routinier geworden sein. Wirklich stichhaltige Hinweise gab es allerdings bisher noch keine, sodass rein theoretisch auch das Karriereende nicht völlig auszuschließen ist.
Marcelo befindet sich in seiner 16. Saison für die Blancos und sein Fehlen ist noch sehr schwer vorstellbar – Foto: IMAGO / Agencia EFE
Doch ganz egal, wie es für den Lockenkopf weitergeht: Der kleine Brasilianer hat bei den Königlichen riesige Spuren hinterlassen und wird mit seinen Verdiensten immer seinen Platz in den Herzen der Madridistas behalten. Im Abschluss an diese Saison wird dann voraussichtlich für Marcelo nach 16 Spielzeiten das Kapitel Real Madrid enden, in welchem die Blancos und der 58-fache brasilianische Nationalspieler Seite an Seite gegangen sind. Eine Verbindung, geprägt durch Beständigkeit, Treue oder auch pure Fußball-Romantik, in einem sonst so wankelmütigen Business. Passend dazu lassen die jüngsten Kurzeinsätze von Marcelo zumindest darauf hoffen, dass es einen gebührenden Abschied geben wird, der sich im Idealfall noch mit dem ein oder anderen Titel vergolden lässt, welchen dann der Kapitän als letztes Geschenk in die Luft ragen darf. Es ist ein bittersüßer Gedanke, der diesen Sommer zur Realität werden könnte.
Anhänger der Königlichen seit dem bitteren Halbfinalaus in der Champions League-Saison 2001 gegen die Bayern und seitdem Verehrer der Klubphilosophie. Spezifische Kenntnisse des Fußballmarktes in Lateinamerika und bekennender Freund der "Joga-Bonito-Kultur".
Marcelo = pionier des modernen aussen-verteidigers x entertainment !
Marcelo hat meilensteine gesetzt und ist zweifels-ohne ein purer Galactico . er hat dies in so einer sympathischen art gemacht , dass er auch bei den Real Madrid haters beliebt ist .
somit hat er einzigartiges geschaffen und sollte als botschafter von Real Madrid erhalten bleiben . er verkörpert die leichtigkeit des spieles , des genusses und des erfolges , nebst all dem ehrgeiz und der harten arbeit . was schliesslich auch zum erfolg beiträgt .
deshalb kann er der mannschaft und dem club noch vieles geben .Marcelo ist ein genuss für jeden fussball-fan . auch heute noch . ganz sicher nicht verkaufen . geht's noch ?
Wie sähe den in deiner Vorstellung, ein gebührender Abschied aus? Blankovertrag so lange er Lust hat Profifußball zu spielen, oder soll Carlo ihn für den Rest der Saison konkurrenzlos aufstellen, mit der evtl. Konsequenz, das wir unsere sportlichen Ziele verfehlen? Welches Signal soll an ein Castilla Talent wie Gutierrez gesendet werden, wenn Marcelo hier nochmals verlängern sollte?
Ich habe bisher auch keinerlei Eindruck gewonnen, dass Marcelo es nicht verstehen könnte, wenn der ganz normale Ablauf aller Dinge geschieht, man kommt, überzeugt und kann verbleiben und geht irgendwann - so ist es Roberto Carlos gegangen und jetzt neigt sich eben Marcelos Regentschaft dem Ende entgegen und Mendy/Gutierrez übernehmen.
Im Grunde musst Du eher mit seinen Nachfolgern Mitleid haben, da er menschlich wie sportlich, die Messlatte so hoch gelegt hat. Wenn es nach mir ginge, bleibt er unserem Verein als Nachwuchstrainer erhalten, von wem sollte junge Spieler mehr lernen können.
Einer meiner absoluten Lieblingsspieler Real Madrids. Für mich so etwas wie der Ronaldinho der Linksverteidiger. Beides Spieler, die in ihrer Prime vielleicht der beste aller Zeiten auf ihren Positionen waren. Beide sogar bei gegnerischen Fans unglaublich beliebt aber eben auch beide unglaublich rapide und schnell abgebaut und mit 30 schon kein Fitnesslevel eines Profifußballers gehabt.
Leider traurig, dass man ihn seit 2019 irgendwie mitschleppt und er einfach mehr Risiko als Bereicherung war. Es wird die Wahnsinnsjahre nicht vergessen machen aber gibt der Legende Marcelo den ein oder anderen Kratzer...
die 4 CL titel in 5 jahren waren ein erfolg der unerreicht ist . und wird es sehr wahrscheinlich auch bleiben . hat Real Madrid unbestritten auf den thron des fussballs gehoben .
auf der anderen seite war der abnützungs-kampf der legenden dieser epoche die konsequenz . samt trainer . das hat gewaltig gezehrt . deshalb ist es nicht verwunderlich , dass Marcelo und zum beispiel SR4 irgendwann einfach stark abgebaut haben . wahrscheinlich hat die defensive sich mehr abgenützt in diesem jahren mit vielen schlachten .
mich wundert es heute noch , dass die anderen legenden wie Case , Mod und Kr8s nicht so viel abbauen . bei Bale wurden die verletzungen ausgeprägter . Benz hat sogar noch zugelegt und tut laufend sehr viel und immer mehr dafür . und was CR7 dafür laufend tut , ist von einem anderen stern .
darum hat es jeder dieser legenden verdient im verein zu verbleiben . in irgendeiner funktion . denn sie haben diesen unangefochten zum grössten fussball club gemacht . und zwar unerreichbar .
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