
Es gibt Spieler, die mit harter Arbeit auf Rückschläge reagieren. Spieler, die Probleme intern ansprechen. Es gibt aber auch Spieler, die ihren Egoismus nicht zügeln können und nach einem Titelgewinn ihre eigenen Interessen öffentlich in den Mittelpunkt stellen. Spieler, die in einer ganzen Auswahl von Ausnahmekönnern einen Stammplatz einfordern. Spieler wie James Rodríguez. Mit seinem explosiven Selbstplädoyer inklusive Wechseldrohung unmittelbar nach dem 4:2-Triumph im Finale der Klub-WM gegen Kashima Antlers in Yokohama hat sich der Kolumbianer bei Real Madrid endgültig ins Abseits gestellt.
Klar: Jeder, der selbst schon einmal gegen das runde Leder getreten hat, weiß, wie schwierig eine Zuschauerrolle in einem derart wichtigen Spiel zu akzeptieren ist. Es war ja auch nicht das erste, sondern schon das dritte Endspiel, in dem James unter der Regie von Zinédine Zidane auf der Ersatzbank schmorte. Bitterer geht‘s kaum. Aber es ist nicht so, als hätte Zidane keinen Grund für seine Entscheidungen contra James. Es kommt nicht von ungefähr, dass andere die Nase vorne haben.
Der Mann mit der Nummer 10 ist längst nicht mehr der Spieler, der bei der WM 2014 in Brasilien alles in Grund und Boden schoss und Real dazu bewog, stolze 75 Millionen Euro an den AS Monaco zu überweisen. Das war ein Höhenflug, der unter Carlo Ancelotti noch eine Saison anhielt. Dieser Höhenflug – und das ist entscheidend – war allerdings kein kollektiver. James ging 2014/15 mit Real unter. Auf eine famose Hinrunde, in der auch dem Star-Neuzugang mit Traumtoren und Zuckerpässen so gut wie alles gelang, folgte ein historischer Einbruch, der in einer titellosen Saison und der Entlassung Ancelottis gipfelte. Seine 17 Tore und 18 Vorlagen brachten James letztlich nichts mehr, da auch er in den großen Spielen wie dem Champions-League-Halbfinale gegen Juventus blass geblieben war.
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Was James dann machte, war sein größter Fehler: Er ruhte sich auf seinen Leistungen aus. Ancelotti-Nachfolger Rafael Benítez setzte ihn wegen körperlicher Defizite nach der Sommerpause auf die Bank, von der er auch nach der kurzen Amtszeit des unbeliebten Spaniers nur selten herunterkam. Denn es lief ja auch ohne ihn. Andere Spieler, vermeintliche Bankdrücker, hatten ihm binnen weniger Monate den Rang abgelaufen. Carlos Casemiro zum Beispiel. Alles andere als ein Edeltechniker, auf den sogar der Verfechter des schönen Spiels, Zidane, prompt setzte.
Oder Lucas Vázquez, der genau das mitbringt, was James fehlt: Tempo, Aggressivität, Leidenschaft. Ohne persönliche Ansprüche kämpfte sich der Canterano ins Team und demonstrierte dem Trainer-Neuling Zidane, dass nur der Name auf dem Trikot keine Titel-Garantie darstellt. Genau das hat mittlerweile auch Isco verstanden. Und dass sogar Mateo Kovačić und Marco Asensio häufiger spielen, zeigt nur, dass sie Zidane im Training mehr überzeugen als James. Der 25-Jährige mag ein Spieler für die Galerie mit Geniestreich-Potenzial sein, aber dieses Talent allein reicht in einem derart stark besetzten Kader nicht aus.

Abgesehen vom Champions-League-Heimspiel gegen Borussia Dortmund Anfang Dezember versäumte es der Linksfuß, seine Chancen in dieser Saison auch nur ansatzweise zu nutzen. Er drückte keiner Partie wirklich seinen Stempel auf. Und Zidane will nun einmal elf Spieler, auf die er sich immer zu hundert Prozent verlassen kann. Natürlich hat James nicht mehr das Selbstvertrauen von 2014, aber der erste Schritt zur Besserung ist Selbstkritik. Er sollte sich in Erinnerung rufen, dass das Wappen über allem steht. Sich ausgerechnet im Moment des Sieges, der ein wunderbares Jahr für den Verein krönte, vor die Pressevertreter zu stellen und den Miesepeter zu spielen, zeugt von fehlender Reife und Mannschaftsdienlichkeit.
Die bittere Wahrheit lautet: Real braucht James nicht. Das haben die drei Titelgewinne in diesem Jahr gezeigt. Und deshalb macht ein Wechsel im Winter durchaus Sinn – vorausgesetzt, Real erhält ein passendes Angebot. Es wäre wohl das Beste für alle.
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