Kommentar

Meine Meinung zum Zidane-Brief: Ich bin verwirrt…

Zinédine Zidane bemängelt fehlendes Vertrauen, kritisiert sogar das „Vergessen“ seiner Leistungen und erwähnt eine nicht mehr optimale Beziehung zu Florentino Pérez. Teilweise deutliche Worte, die Nils Kern eher verwirren – ein Kommentar vom REAL TOTAL-Chef zu Zidanes offenem Brief.

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Nils Kern verwirrt der Brief eher, als dass er für Klarheit sorgt

Kann man das schon als Nachtreten bezeichnen? Eher nicht, sondern vielmehr als nachträglich für eher Verwirrung als Klarheit zu sorgen. Es ist gut, nun doch noch eine Reaktion beziehungsweise einen “Abschied” von Zinédine Zidane zu haben. Aber irgendwie bin ich irritiert nach seinem Brief in der AS und ich weiß nicht, ob er sich damit einen Gefallen getan hat.

Ob man nun die letzten ein, zwei oder vier Jahre nimmt: Bei Real Madrid sind viele Fehler passiert – Trainer, Verantwortliche, aber auch Spieler sind in diesem komplexen Prozess des Scheiterns mal mehr, mal weniger Schuld. Es gibt nicht den einen Grund, warum die Blancos 2020/21 erstmals seit elf Jahren ohne Titel blieben, es war „nur“ die Folge einer langen, bunten Fehlerkette mit Auf und Abs.

Anhand vier Auszüge aus dem Brief möchte ich meine Gedanken zu Zidane teilen.

1. Auszug: Vertrauen und Umbruch

Ich gehe, weil der Klub mir nicht mehr das Vertrauen gibt, das ich benötige. Er bietet mir nicht die Unterstützung, um mittel- oder langfristig etwas aufzubauen.

Wie das „perfekte Vertrauen“ aussieht, darüber lässt sich streiten. Hätte es nun eine Abschiedspressekonferenz geben müssen oder nicht – ich las aus Zidanes Brief nicht, dass er eine Art Abschied vermisst hat. Eher würde ich sagen: Wenn jemandem vertraut wurde, dann ihm. Jeder andere wäre im November entlassen worden, aber nur ein Zidane konnte da noch auf einen großen Kredit zurückgreifen und auch nur ein Zidane konnte die Saison noch positiv zu Ende bringen.

Um nun wieder oder weiter etwas aufzubauen, auch das ist nicht ganz klar. Erstens hatte er schon die größtmöglich Unterstützung in Form des Rekord-Transfersommers 2019, zweitens sind aktuell die Mittel Pandemie-bedingt begrenzt, drittens steht und fällt alles, ob und wann Wunschspieler Kylian Mbappé wechseln will. Er hatte die Chance etwas aufzubauen, hat seine Wunschwerkzeuge, Beispiel Jović, aber nicht einsetzen können und den Aufbau eher selbst gebremst, indem er Spielern wie Ødegaard und Hakimi das Vertrauen nicht geben konnte – er ist bei den vielen Abgängen alles andere unschuldig.

2. Auszug: Das Vergessen

Es wurde alles vergessen, was ich in der täglichen Arbeit aufgebaut habe, was ich in der Beziehung zu den Spielern geleistet habe, zu den 55 Mitarbeitern rund um die Mannschaft.

Das klingt erstmal sehr pauschal und ist schon daher sehr Zidane-untypisch. Ich fand einerseits, dass er durchaus das Vertrauen im Klub genoss, und würde auch jetzt sagen: Dass ihm aufgrund der vergangenen Erfolge und auch der schwierigen Aufgabe und dem Risiko, denen er sich bei seiner Rückkehr 2019 stellte, ihm jetzt mehr Dankbarkeit und Respekt entgegen kommt als Kritik oder das pauschale Urteil, er sei komplett gescheitert. Er hat die Mannschaft nicht wirklich weiter gebracht, ja, aber sie trotzdem weiter über Wasser gehalten. Von „alles vergessen“ zu reden, erscheint mir da nicht ganz passend. 

3. Auszug: Beziehung zu Pérez

Mir hätte es gefallen, wenn meine Beziehung zum Klub und Präsidenten in den letzten Monaten eine etwas andere gewesen wäre als bei anderen Trainern.

Auch das ist für die Verhältnisse eines sonst so behutsamen, gelassenen Zidanes fast schon eine Watsch’n. Dabei hätte ich eher behauptet: Wenn der Franzose nicht zurückgetreten wäre, hätte Pérez seinen Liebling im Amt behalten, Zidane niemals gekündigt. Nun von einer nicht optimalen Beziehung zu reden, ist daher für mich eher auf ein Thema zurückzuführen: Pérez‘ Super-League-Pläne, die auch Zidane vor den Kopf gestoßen sein dürften. Ich erinnere mich noch, als in Real Madrids Pressemitteilung nach der Lopetegui-Kündigung stand, dass ein großer Unterschied bestehe zwischen den aktuellen Ergebnissen und einem Kader, in dem zig Weltfußballer-Kandidaten stehen. Das ist kein schöner Abschied, das ist im Nachhinein keine gute Beziehung, aber Zidane ist in meinen Augen eher mit Applaus und Dankbarkeit als mit Buh-Rufen „verabschiedet“ wurden – von Fans wie innerhalb des Klubs.

4. Auszug: Entlassungsgerüchte

Deshalb tat es mir sehr weh, als ich nach einer Niederlage in der Presse las, dass man mich entlassen würde, wenn ich das nächste Spiel nicht gewinne.

Was in der Presse steht, interessiert Zidane? Was in der Presse steht, hat plötzlich Relevanz? Die Presse, die Pérez seit Jahren ausgeschlossen hat und die in dieser Saison kaum eine Verletzung oder Corona-Ausfall vor der Bekanntgabe des Vereins berichtet hat? Fakt ist: Zidane wurde nicht entlassen. Nach meinen Informationen hat sein Stuhl intern nicht mal ansatzweise gewackelt. Dass er das nun dem Klub irgendwie anhaftet, verstehe ich nicht. Jeder andere Kopf wäre nach der erneuten Niederlage gegen Shakhtar (bedeutend mit Platz drei in der Gruppe) oder dem 1:2 gegen Alavés (Platz vier in der Liga, sieben Punkte Rückstand) oder dem 1:2 gegen Levante (Platz drei in der Liga, zehn Punkte Rückstand bei einem Spiel mehr) vor die Tür gesetzt worden.

Ich weiß nicht, wieso Zidane dem Klub so viel vorwirft. Wie gesagt: Fehler sind auf beiden Seiten passiert. Auch bei ihm: Dass Brahim, Ødegaard, Hakimi und Co. andernorts triumphieren, dass auch Mendy und Valverde in dieser Saison nicht unbedingt nächste Schritte getan haben, dass die Mannschaft immernoch sehr abhängig ist von Alten wie Benzema und Modrić. Dank Zidane ist es am Ende doch eine eher positive Saison geworden und ich muss auch lobend erwähnen, dass es nicht wie damals beim Mourinho-Aus ist: Damals waren Klub, Kabine und Fans zwiegespalten in zwei Lager, da herrscht aktuell eher weiter Harmonie, der gemeinsame Blick nach vorn. Und eher das Gefühl der Dankbarkeit und des Respekts, dass Zidane sein Amt räumt (und mal eben auch auf Gehalt verzichtet) und wieder die Zeichen der Zeit erkannt hat. Etwas mehr Selbstreflexion hätte ich mir gewünscht. Wobei etwas mehr Klarheit (hinsichtlich Super League) hätte wohl für noch mehr Aufregung gesorgt. Zidane muss keinem etwas beweisen, sich eigentlich nicht rechtfertigen, auch ruft dieser Brief in mir eher Irritationen auf. Und einen großen Beigeschmack: Er kritisiert die Presse und damit auch jene, die sich im Herbst eben jene „Zidane vor Rauswurf“-Meldungen “ausdachten”, geht aber selbst dahin. Und nicht nur irgendwohin: Im Gegensatz zur MARCA ist die AS bei Pérez komplett unten durch. Das könnte als Verrat angesehen werden und eine zukünftige dritte Amtszeit – zumindest unter Pérez – schwierig machen. Mich erinnert es zudem an die Serie „Breaking Bad“, als Hector Salamanca zur Polizei ging. Das macht man nicht, wird sich zumindest Pérez denken. Ob es ihn nun auch aus dem Stuhl reißt?

Es heißt immer – und da stimme ich zu: Keiner steht über dem Klub. Für manche Legenden wie Zidane, Raúl oder Gento mag diese “Regel” etwas lockerer ausgelegt sein, aber ich bezweifle, ob er sich durch diesen Brief einen Gefallen getan hat.

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REAL TOTAL

Hier schreibt die Redaktion von REAL TOTAL, dem führenden Magazin über Real Madrid im deutschsprachigen Raum.

Kommentare
ich finde er hat sich damit selbst mehr geschadet und lässt auch jegliche selbst reflektion links liegen.Bei real hatte er eine ganze armee von super talentierten spielern und hat sie bewusst nicht integriert. Seine transfers die er selber aussuchen durfte sind zum großteil komplett gescheitert oder wie bei jovic auch selbst ignoriert. Was bitte will er mehr? Will er jeden sommer 300mio raushauen um im bestenfall 1 spieler zu integrieren mit verletzungsglück vielleicht 2?

Sein abgang war das beste was uns im sommer passieren konnte, jeder blinde kann sehen das die mannschaft von jahr zu jahr schlechter wird, erzwungene 1:0 siege gegen mittelmäßige teams ist nicht das niveau von real madrid. Unter ZZ mussten wir doch beten irgendwie mal ein tor zu sehen und an guten tagen durften wir auch bestauenen wie wir 10 torschüsse in einem spiel abgegeben haben. Mit solchen leistungen hätten ihn die fans schon lange aus dem stadion gepfiffen.

Zidane nicht mehr zu vertrauen war ein komplett richtige entscheidung des präsidenten, er hat ihn weil er ihn so schätzt nicht mitten in der saison gefeuert obwohl wir miserabel da gestanden haben. ZZ hatte die möglichkeit wie ein Mann zu gehen den alle respektiert haben und mit erhobenen haupt den verein zu verlassen. Das hat er sich mit solch einer kindlichen reaktion sebst kaputt gemacht, erinnert mich an die krankhafte realitätsverweigerung des lopetegui mit seinem ständigen aber das roma spiel...

ps: keine sonderbehandlung verlangen, aber sich an das geleistet zu erinnern ist schon ein widerspruch in sich selbst....
 
Sein Brief ist eher allgemein gehalten, aber man kann deutlich rauslesen, dass Zidane die zwischenmenschlichen Beziehungen extrem wichtig sind - nicht nur zu den Spielern. Deswegen performen viele Spieler unter ihm so gut und sprechen in höchsten Tönen über ihn. (Achtung, reine Spekulation!) Perez agiert hingegen als kalter und emotionsloser Geschäftsmann, dem dieses ''sentimentale Geschwafel'' gleichgültig ist und der sich in erster Linie um das Geschäft kümmert - daher ist er auch ein so erfolgreicher Geschäftsmann. Deswegen erwähnt Zidane, dass vieles ''vergessen'' wurde und jetzt nicht mehr zählt, was ihm möglicherweise extrem wichtig ist, Perez aber eher weniger. Es ist schwierig, denn vieles bleibt im Unklaren, aber Zidane würde so einen Brief nicht ohne Grund verfassen, sondern weil ihm möglicherweise die zukünftige Kaderplanung überhaupt nicht passt und vielleicht seine Arbeitsweise mittlerweile nicht mehr gerne gesehen wird?
 
Danke Nils für diesen Beitrag. Zidane wurde immer dünnhäutiger und das ist das Ergebnis davon, von einem scheitern will er nicht reden, keine selbstreflektion nur mit dem Finger auf den Club und Perez deuten, wirkt so als hätte er gerne etwas Mitleid. Siehe Chelsea und Lampard, der Club steht immer über allem.
 
Jetzt mal ganz ehrlich, Zidane hat aus diesem Kader das Maximum rausgeholt. Keine Ahnung wie, aber wir sind 2. geworden. Selbst wenn alle fit gewesen wären, da war nicht mehr drin.
Jeder redet ständig vom Weiterentwickeln der Spieler, dabei sind Leute wie Vini, Rodrigo, Fede usw. längst am Limit. Zidane kann ganz sicher - besser als so mancher Experte hier im Forum - das Potential der Spieler bewerten.
Vergleicht unseren Kader mal mit dem von Chelsea oder City, zusätzlich noch die Fanbrille runter und tadaaa: die Realität.
 
Keiner steht über dem Club.... außer Perez. Der mal alle Clubrelevanten Entscheidungen für die Zuunft scheinbar selbst entscheidet. Sei es Spieler, Trainer, nicht vorhandener Sportdirektor.

Ich bin auf keiner der beiden Seiten, weder Zz noch Perez. Beide habenFehler gemacht und das Zz nicht mehr das Vertrauen so genießt wie in seiner ersten Amtszeit ist auch klar, denn es waren auch andere Ergebnisse und eben leidr null Vortschritt zu erkennen.

Perez macht seit Jahren Fehler, diese SL geschichte reihts sich da voll ein. Auch wenn ich es nicht nur schlecht finden würde wenn die großen Clubs etwas eigenes machen und die UEFA mal eine auf den Deckel bekommt, aber wie das ganze Kommuniziert wurde ist eine Katastrophe.
Auch der fehlende Sportdirektor macht sich immer öfter bemerkbar.
 
Auf keiner Seite. Wir wissen nur das, was uns gezeigt wird. Wir wissen nicht die wahren Gründe für den Brief oder den wahren Grund, wieso sich Zizou nicht mehr wohl gefühlt hat.
Andererseits gebe ich dir auch recht, Nils. Es ist nicht die feine Zizou Art, so etwas zu machen. Es gleicht fast schon dem Kopfstoß, den er einst getan hat. Nur ist er diesmal selbst einer der Initatoren und nicht das Opfer.
 
Wie kann man auf der Seite von Zidane sein nach so einer zweiten Amtszeit
 
Zidane hat uns Spieler und Trainer viel gegeben. Danke dafür! Aber das ist Vergangenheit und es geht weiter immer weiter immer weiter! So ist das Profi Fußballgeschäft nun mal die senbilen Personen fallen nun mal hinten runter. Und bei Real Trainer zu sein musst du eine sehr starke Persönlichkeit sein, sonst wird das nichts. Aber Pérez auch deine Zeit wird kommen, deine Gegner bringen sich schon in Stellung. Nichts desto trotz, es ist richtig das Zidane geht und er vielleicht französischer Nationaltrainer wird. Würde ich ihm gönnen. Hala Madrid y nada más!
 

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