
Real schleppt sich durch die Partie
Am Ende lässt sich wieder redlich darüber diskutieren, dass es letztlich nur kleine Nuancen waren, die den 252. Clásico zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid zugunsten der „Blaugrana“ entschieden. Wäre Marco Asensio vor dem vermeintlichen 2:1 für die Blancos ein paar Zentimeter weiter hinten gestanden oder wäre Jules Koundé ein paar Zentimeter tiefer gestanden, würde man jetzt vermutlich über die wieder offene Meisterschaft in LaLiga reden. Weil sich Asensio aber mit seiner Schulter eben die entscheidenden Zentimeter zu weit vorne befand, wurde der Führungstreffer der Königlichen kurz vor Ende der Partie wieder einkassiert und Franck Kessié avancierte mit seinem Last-Minute-Treffer zum Matchwinner für Barça – und sorgte so mit großer Wahrscheinlichkeit auch für die endgültige Vorentscheidung im Meisterkampf. Selbstredend lässt sich auch hier argumentieren, dass die Katalanen vor allem aufgrund des manchmal eben auch nötigen Spielglücks als Sieger vom Feld gingen. Dass der Erfolg über den Erzrivalen unter dem Strich dennoch mehr als verdient war, darüber herrschten nach der Partie eigentlich wenig Zweifel.
Zu mutlos und phlegmatisch agierten die Blancos während der nahezu gesamten 90 Minuten, bis auf eine Druckphase in den letzten 20 Minuten der Partie vermittelte man gar das Gefühl, man sei Barcelonas Intensität und Aggressivität überhaupt nicht gewachsen. Dass es für die Blancos um die vermeintlich letzte Chance ging, noch einmal ernsthaft ins Meisterrennen einzugreifen, war von außen nicht unbedingt zu erkennen. Vielmehr schien es, als schleppe sich das Team dem Ende der Begegnung entgegen und hoffe auf einen zufälligen Lucky Punch. Erst mit den Einwechslungen von Daniel Ceballos, Marco Asensio und Aurelién Tchouaméni in der 75. Minute ging ein merklicher Ruck durch die Mannschaft, dieser Impuls kam jedoch freilich ein wenig zu spät.
Benzema wirkt komplett überspielt
Sinnbildlich für die kraft- und ideenlose Vorstellung der Blancos war dabei vor allem Karim Benzema, der bereits seit Wochen seiner Bestform hinterherläuft und komplett überspielt scheint. Der Franzose wirkt unheimlich phlegmatisch in seinen Aktionen, lässt immer wieder die nötige Handlungsschnelligkeit vermissen und leistet sich teils haarsträubende Ballverluste, insbesondere mit dem Rücken zum Tor. Lediglich zwei Torschüsse, 48 Ballaktionen und neun Ballverluste sprechen eine deutliche Sprache. Von der Verfassung der letztjährigen Spielzeit ist Reals Kapitän aktuell meilenweit entfernt. Und das spüren die Königlichen ungemein. Während sich Vinícius Júnior beispielsweise mit 19 Toren und elf Assists in 41 Spielen scorermäßig in ähnlichen Sphären wie vergangene Saison (22 Tore und 20 Assists in 52 Spielen) bewegt und Akteure wie Federico Valverde (zwölf Tore) oder Rodrygo (zehn Tore) ihre Torausbeute deutlich ausbauen konnten, kommt der amtierende Ballon d’Or-Gewinner nicht ansatzweise in die Nähe seiner 44 Treffer (in 46 Partien) der vergangenen Saison. Zwar ist die Quote mit 19 Treffern in 29 Spielen durchaus in Ordnung, dennoch geht die Quantität der Treffer dem Team merklich ab.
Aber eben nicht nur das: Benzemas Spielwitz und Kombinationsfreude kommt ebenfalls viel zu wenig zur Geltung, vom mangelhaften Durchsetzungsvermögen und dem für ihn eigentlich untypisch schwachen Entscheidungsverhalten gar nicht erst zu sprechen. Die insgesamt 3.900 absolvieren Minuten der vergangenen Spielzeit und die hartnäckige Oberschenkelverletzung, welche eine WM-Teilnahme verhinderte, machen sich deutlich bemerkbar – und decken somit wieder einmal schonungslos die Fehler in Reals Kaderplanung auf.
Ancelotti muss sich etwas einfallen lassen
Man mag es letztlich benennen, wie man möchte, aber zu hoffen, dass ein 35-Jähriger – bei aller vorhandenen Klasse – eine derartige Saison wie die letztjährige einfach so wiederholt, ist schlichtweg naiv und leichtgläubig. Zumal planmäßig auch noch eine WM für den Franzosen angestanden hätte, wäre nicht besagte Oberschenkelverletzung aufgetreten. Und auch wenn ihm letztendlich auch die nötigen Alternativen fehlen, ist Ancelotti von einer Teilschuld nicht gänzlich frei zu sprechen. Einen offensichtlich nur halbfitten Benzema durch jedes LaLiga-Spiel zu jagen und selbst bei deutlichsten Führungen nur äußerst späte Wechsel vorzunehmen, erscheint der Situation nur bedingt zuträglich. Zumal er dadurch weder dem Team noch dem Spieler aktuell offensichtlich einen Gefallen tut.
Mit Blick auf die verbleibenden Spiele in dieser Spielzeit ist klar: Ancelotti muss sich etwas einfallen lassen, wie er seinen Kapitän für die anstehenden Aufgaben in der Champions League und im Copa-Rückspiel wieder einigermaßen zum Laufen bekommt. Möglicherweise kommt hierbei die nun anstehende Länderspielpause zum genau richtigen Zeitpunkt, um die leeren Akkus zumindest teilweise wieder aufladen zu können. Und möglicherweise bietet die Lage in der Liga nun die Möglichkeit, auch andere Leistungsträger wie Valverde oder Vinícius besser zu dosieren und jungen Spielern wie Sergio Arribas oder Álvaro Rodríguez eine entsprechende Bühne zu geben. Denn fest steht auch: Dieses Real Madrid benötigt einen Benzema in Top-Verfassung, denn Vinícius Júnior alleine – auch das haben die letzten Wochen gezeigt – wird es offensiv nicht richten können.
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