Reportage

Europas beste Defensive: Paradigmenwechsel für Meister-Coup?

Ein Wochenende nach Maß bringt den Königlichen erstmals wieder die alleinige Tabellenführung ein. Ein elementarer Faktor für die aussichtsreiche Momentaufnahme: Reals Defensive, keine Mannschaft in Europa kassiert weniger Gegentore! Eine ganz neue Stärke im Dunstkreis des Bernabéus.

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MADRID, SPAIN - NOVEMBER 06: Marcao of Galatasaray reacts as Sergio Ramos and Thibaut Courtois of Real Madrid celebrate after the UEFA Champions League group A match between Real Madrid and Galatasaray at Bernabeu on November 06, 2019 in Madrid, Spain. (Photo by Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images)
Ramos, Courtois und Co. bilden aktuell die beste Defensive in Europas besten Ligen – Foto: Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images

MADRID. Real Madrid steht für Offensivspektakel, es steht für Tore, es steht für riskantes Angriffsspiel und dabei auch ab und an für den Hang, die Abwehrarbeit zu vernachlässigen. Die Madridistas auf den Rängen wollen Spektakel und viele Tore, ein 5:4 ist den meisten Fans lieber als ein 1:0. Nicht umsonst ist das 7:3-Europapokalfinale gegen Eintracht Frankfurt aus dem Jahre 1960 für so viele Anhänger der Merengues das Spiel schlechthin gewesen. Und was passiert jetzt? Real Madrid mausert sich von einer Mannschaft des Offensiv-Feuerwerks zu einer ergebnisorientierten Punktemaschine. Darf es das?

“Defense wins Championships”

Wie heißt es so schön? Der Zweck heiligt die Mittel. Es war nicht nur die rabenschwarze und völlig titellose Vorsaison, sondern auch die Tatsache, dass die Königlichen dem Erzrivalen aus Barcelona die letzten Jahre in LaLiga hinterher hecheln mussten, die sicherlich zum Umdenken geführt hatte. Bis auf die königliche Meisterschaft 2017 war man kaum noch in der Lage, ein ernsthaftes Wörtchen im Titelrennen mitzusprechen. “Wir standen lange nicht mehr an der Spitze”, erkannte auch Kapitän Ramos den aktuellen Höhenflug als ungewohntes Gefühl an. Zu wenig Konstanz gegen vermeintlich schwache Gegner hatte zu häufig Punkte gekostet. Während man bei Highlight-Spielen in der Champions League noch voll fokussiert schien, mangelte es zu häufig im Liga-Alltag an der Punkteausbeute – vor allem auch weil die Defensive wackelte. Zeit für einen Tapetenwechsel…

“Zizou” wurde schließlich zum Architekten des Umbruchs, vielen Übungsleitern hätte man diesen Prozess des Umdenkens bei den Blancos auch nicht zumuten können. Doch der Fußball-Schöngeist von einst fand die Balance und Zidane hat seine Truppe richtig eingestellt, geht bewusst weg vom “Hurra-Fußball” vergangener Tage und lässt taktisch geprägten, vor allem aber auch ergebnisorientierten Fußball spielen, wie es mustergültig der 1:0-Arbeitssieg vom vergangenen Wochenende gegen Real Valladolid beweist. Es war der sechste LaLiga-Triumph in Folge, womit die Ansage des Trainers aus dem April 2019, “die Liga wird unsere Priorität”, fett unterstrichen wurde. Nicht ohne Grund beschrieb der Franzose seine Meisterschaft 2017 als schönsten und wichtigsten Titel seiner Amtszeit, in welcher er immerhin auch dreimal die Königsklasse gewinnen konnte.

Nur 13 Gegentore: Beste Abwehr Europas

Ebenso, wie sich die Priorität von der Champions League hin zur nationalen Meisterschaft entwickelt hat, veränderte sich auch das Spielkonzept: Das Prunkstück ist nicht mehr der Angriff, sondern die Abwehrreihe zusammen mit Schlussmann Thibaut Courtois – das belegen auch eindrucksvoll die Zahlen. Mit 13 Gegentreffern in 21 Ligaspielen stellt Real Madrid die beste Defensive aller fünf Top-Ligen dar. Selbst Jürgen Klopps FC Liverpool, was auf der britischen Insel nahezu alles kurz und klein schießt, musste bis dato 15 Gegentreffer kassieren. Das in Frankreich dominierende Parist Saint-Germain sowie das grundsätzlich torknausrige Stade Reims haben bisher jeweils 14 Treffer hingenommen. Schaut man nach Italien, dem Land des “Catenaccio”, stellt aktuell Inter Mailand mit 18 gefangenen Toren die beste Abwehr und in Deutschland hat Gladbach bereits 21 Buden kassiert – und das bei zwei Spielen weniger.

Der Vergleich zeigt also: Auch international stellt Real Madrid mit diesen Werten die Spitze dar. Das unterstreicht auch die persönliche Bilanz von Thibaut Courtois in puncto “weißer Weste”: Nach 18 Paarungen hat er bereits zehn Mal keinen Gegentreffer hinnehmen müssen. Nur Jan Oblak von Atlético Madrid kommt in dieser Wertung auf dieselbe Anzahl, benötigte dafür allerdings drei Einsätze mehr. Die beiden deutschen Top-Torleute Marc-André ter Stegen (FC Barcelona) oder Manuel Neuer (FC Bayern) kommen in dieser Disziplin nur auf sechs aus 20 beziehungsweise sieben aus 19 Spielen “zu Null”. Heißt: Courtois und seine Vorderleute sind eine Bank! Verflogen die Kritik einstiger Tage.

Thibaut Courtois
Courtois kassierte in seinen 18 Liga-Einsätzen sogar nur zehn Gegentreffer – Foto: Alex Caparros/Getty Images

Die Defensive gewinnt bekanntlich Titel, dazu kommt bei Real Madrid: Sie schießt auch immer mehr Tore! Denn zehn der 39 Liga-Treffer fielen durch Defensivspezialisten – Sergio Ramos und Casemiro stehen bei jeweils drei, Raphaël Varane bei zwei und Dani Carvajal sowie Nacho Fernández bei jeweils einem Treffer. Das macht über ein Viertel der Real-Tore durch Abwehrleute, und das nicht selten entscheidend wie zuletzt Carvajal gegen Alavés (2:1), Casemiro gegen Sevilla (2:1) oder nun Nacho gegen Valladolid (1:0).

Mit neuer Philosophie zu alten Erfolgen

Der Durst nach Titeln, er erscheint noch größer, als die Sehnsucht nach Torspektakel, weshalb die Anpassung der Philosophie des königlichen Fußballs toleriert wird. Bleibt also Zidanes Konzept bis zum 38. Spieltag so erfolgreich und wird es am Ende mit der Meisterschaft gekrönt, dann verzeihen die Madridistas auch, dass man mit ausbaufähigen 39 erzielten Toren aktuell “nur” die Nummer zwei in Spanien ist (hinter Barcelonas 50). Aktuell zählt die Platzierung – und die liegt dank zuletzt 19 Partien ohne Neiderlage an der Sonne. Selbst der eher zurückhaltende Courtois ist angesichts der aktuellen Formkurve dazu veranlasst, etwas forschere Töne anzustimmen und geht in die Offensive: “Wir visieren den Meistertitel an und haben dafür auch die Mannschaft.” Die Madridistas wird es freuen, zur Not (vorerst) auch ohne Schützenfeste.

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von
Christian Graber

Anhänger der Königlichen seit dem bitteren Halbfinalaus in der Champions League-Saison 2001 gegen die Bayern und seitdem Verehrer der Klubphilosophie. Spezifische Kenntnisse des Fußballmarktes in Lateinamerika und bekennender Freund der "Joga-Bonito-Kultur".

Kommentare
Naja, ich finde eigentlich dass seine Kritik immer auf einem angemessen Niveau ist, die eine Ausnahme die wir alle kennen an dieser Stelle außen vorgelassen. Ich denke eine evtl. auch überkritische Stimme tut einem Forum in den meisten Fällen gut solange es nicht in inhaltslosen Hass ausartet. Dass er die meisten Dinge eher pessimistisch sieht weiß Curry denke ich irgendwo in seinem Innern auch selber haha

Kann ich nur zustimmen. Die eine Ausnahme kenne ich leider nicht aber hab mir schon gedacht das mal was sein musste weil die Kommentare von curry meistens sehr passend sind, er aber viel kritik einstecken muss. Natürlich pessimistisch, aber ich persönlich denke gleich. Trotz des sehr erfreulichen Aufschwunges kann es genau so schnell wieder bergab gehen.
Aber wir sind noch sehr weit davon entfernt das die Gehälter und Allüren unserer Stars gerechtfertigt wären.
Und solange natürlich alles im rahmen und zivilisiert bleibt müssen auf jeder Ebene solch kritische Stimmen vertreten sein, welche die sich nicht von unseren Schönwetter Spielern und Dauerverletzten blenden lassen.
 
Gibt es. Da muss man gar nicht mal ans andere Ende der Welt schauen, da reicht es sogar in der eigenen Liga zu bleiben.

Barca hat 2014/15 die Liga mit 110 Toren gewonnen und gleichzeitig die Meisterschaft mit den wenigsten Gegentoren (21) eingefahren. Das mit Leuten wie Mathieu, Bravo oder Mascherano. Das ist das Niveau, an welchem wir uns orientieren sollten.

Mann kann alles schlecht reden,sei doch froh das man mit den Kader
Soetwas Schaft .
Und außerdem damals war Barca eine Macht,die hatten glaube immer
Über 60/70% ballbesitz ( Messi,inesta,Xavi usw.)da kann der Gegner wohl
keine Tore schießen
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Und ich dachte immer du wärst einer der netten Sorte

Ich habe ihm doch eine höfliche Begrüßung zukommen lassen und da er sich trotz jahrelangem "stillen Mitlesens", jetzt hier angemeldet hat, spricht doch dafür das er auch Humor haben muss. :)

Wenn ich Dir zu nahe getreten bin mit meiner ironischen Anspielung, entschuldige ich mich natürlich bei Dir, obwohl ich mich daran entsinne, dass Du auch gelegentlich eine gewisse Stupidität wahrnimmst und zu Form und Stileinhaltung aufrufst.

Du musst also nicht deine Meinung über mich revidieren, außer Du möchtest es. Wie man modern sagt, mit mir kann man arbeiten, auf allen Ebenen...
 
Ich habe ihm doch eine höfliche Begrüßung zukommen lassen und da er sich trotz jahrelangem "stillen Mitlesens", jetzt hier angemeldet hat, spricht doch dafür das er auch Humor haben muss. :)

Wenn ich Dir zu nahe getreten bin mit meiner ironischen Anspielung, entschuldige ich mich natürlich bei Dir, obwohl ich mich daran entsinne, dass Du auch gelegentlich eine gewisse Stupidität wahrnimmst und zu Form und Stileinhaltung aufrufst.

Du musst also nicht deine Meinung über mich revidieren, außer Du möchtest es. Wie man modern sagt, mit mir kann man arbeiten, auf allen Ebenen...

War jetzt nicht bitterernst gemeint von mir. Was so ein fehlendes Smiley ausmacht...

Aber hast Recht, wer hier nach langem Mitlesen seinen Hut in den Ring wirft muss schmerzfrei sein :)
Vielleicht hast ihn aber auch schon vergrault :-)
 
War jetzt nicht bitterernst gemeint von mir. Was so ein fehlendes Smiley ausmacht...

Aber hast Recht, wer hier nach langem Mitlesen seinen Hut in den Ring wirft muss schmerzfrei sein :)
Vielleicht hast ihn aber auch schon vergrault :)

Wen dem so sein sollte, hole ich ihn wieder zurück. Ich freue mich über jeden, der dem Verein verfällt und sein Meinung kundtut.
War doch wie Du schreibst, lediglich ein Freundschaftsdienst...:)
 

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