
Estadio Santiago Bernabéu: Umbau-Ende in Sicht
MADRID. Eindruck von außen: quasi fertig. Eindruck von innen: quasi fertig. Nach bald fünf Jahren ist der Umbau des Estadio Santiago Bernabéu so gut wie abgeschlossen. Was sichtbar noch fehlt und bis zum Frühsommer zu Ende gebracht werden soll, sind unter anderem die Errichtung der 360-Grad-Videoanzeigetafel, die teilweise Illumination der Fassade sowie das Anbringen der neuen Schriftzüge an der Fassade („BERNABEU“) und auf dem Dach („Realmadrid“). Das meiste wurde aber unlängst geschafft – und das seit September 2021 mit Ausnahme von zwei Sommerpausen und der Unterbrechung durch die Weltmeisterschaft 2022 stets während des laufenden Spielbetriebs.
Der Umbau-Plan hatte nie vorgesehen, dass die Profis ihre Partien vor heimischer Kulisse zwischenzeitlich woanders austragen. Letztlich kam es von Juni 2020 an doch dazu, allerdings nur wegen der Coronavirus-Pandemie. Das kleine Estadio Alfredo Di Stéfano auf dem Trainingsgelände diente vorübergehend als Heimstätte. Dass wegen COVID-19 keine Fans den Begegnungen beiwohnen konnten, nutzte Real, um die Bernabéu-Modernisierung nicht unnötig zu stören. Seit der Saison 2020/21 ist aber wieder alles beim Alten.
„Waren begeistert, als wir von Real ausgewählt wurden“
„Das ist schon ein bisschen verrückt und im Grunde genommen so, als würden sie bei einem Patienten eine schwere Operation vornehmen – ohne Narkose, während der Patient auch noch seiner Arbeit nachgeht“, sagte Volkwin Marg der BERLINER ZEITUNG. Der 87-jährige Deutsche gehört zu den Köpfen des internationalen Architektenbüros gmp (Gerkan, Marg und Partner), das vor etwa einer Dekade vom prestigeträchtigsten Fußballverein der Welt den Zuschlag erhalten hatte. Nach dem Modell des deutschen Unternehmens wurde das Bernabéu umgebaut, das übernahm wiederum das Bauunternehmen FCC Construcción.

Real Madrid lässt sein Estadio Santiago Bernabéu momentan umbauen. Ende September 2012 zeigte der Klub seinen Mitgliedern bei der damaligen Jahresversammlung, nach welchen architektonischen Modellen das Bernabéu modernisiert werden könnte. Ein Rückblick.

Das Bernabéu in sehr moderner Art und Weise, sehr offen wirkend und außerhalb mit naturellem Flair (z.B. Grünanlagen).

Ein aufsteigend wirkendes Dach mit viel Freiraum zur obersten Tribüne, geblieben sind die vier Säulen an den Ecken.

Ein Bernabéu in ovaler Variante, dazu eine klassisch in königlichem weiß gehaltene Fassade mit einem großen Wappen des Klubs.

So stellt man sich einen Hexenkessel vor! Hier zu sehen: Ein hohes quadratisches Bernabéu mit einem runden Dach.

Eine reine Fußballarena kombiniert mit der „Außenhülle“ eines Olympiastadions. Das Ganze mit einem klarsichtigen und weit gefächerten Dach.

Dieses Stadion kann man wirklich als kompakt bezeichnen. Mit dem schließbaren Dach flexibel, die Fassade in Silber gehalten. Und so wird es auch künftig aussehen. Dieser Entwurf überzeugte Real am meisten.

Umgebaut wird seit Mitte 2019 nach dem Modell der deutschen Architektensozietät Gerkan, Marg und Partner (gmp) und ihren spanischen Projektpartnern L35 Arquitectos und RIBAS & RIBAS. Die Ausführung hat das Bauunternehmen FCC Construcción übernommen. (Foto: Realmadrid.com)

Das Dach soll je nach Wind und Wetter binnen 15 Minuten verschließbar sein.

Eine Animation von Real Madrid zeigt, wie der Innenraum bald aussieht.
„Wir waren begeistert, als wir von Real ausgewählt wurden. Wir dachten uns aber auch gleich: ‚Oh, ein innerstädtisches Stadion, das gibt einen Haufen Abstimmungsprobleme, und das auch noch in einer anderen Sprache. Lass uns das also gleich mal mit den spanischen Kollegen von L35 Arquitectos und Ribas & Ribas zusammen machen. Und ich bin heilfroh, dass wir das so gemacht haben. Zehn Jahre ein Auslandsbüro mit nur einem Projekt zu unterhalten, ist nämlich mörderisch“, erklärte Marg. Auch bei L35 Arquitectos und Ribas & Ribas handelt es sich um Architektenfirmen.
Keine höhere Zuschauerkapazität im Bernabéu
Dass der Real-Tempel nicht direkt in der Innenstadt, aber mitten im lebhaften Stadtgebiet liegt, stellte die Unternehmen durchaus vor Herausforderungen. Der Platz um das Bernabéu herum war und ist für so einen gewaltigen Umbau begrenzt. „Das Bernabéu lag früher vor der Stadt, inzwischen liegt es, weil Madrid so schnell gewachsen ist, mitten in der Stadt, an einer Hauptausfallstraße. Das Stadion war sozusagen eingewachsen“, so Marg.
Durch jeweils einen neuen Anbau auf der West- und auf der Ostseite ist das Bernabéu mittlerweile jedoch breiter als in seiner vorherigen Version. An der Zuschauerkapazität hat sich letztlich kaum etwas verändert, obwohl ursprünglich eine Erhöhung um ein paar tausend Plätze geplant gewesen war. Präsident Florentino Pérez bei der Mitgliederversammlung im vergangenen November: „Im Bernabéu haben wir die Erlaubnis für 80.000 Zuschauer – plus-minus 1.000. Denn wenn wir mehr hätten, würde uns das Gesetz dazu verpflichten, andere Notausgänge zu haben – und so weiter. Daher belassen wir es bei 80.000.“
„Sinnvoll sind 70.000 bis 75.000 Zuschauer“
Zwar wurde die Ostgerade nach oben hin ausgebaut, dafür fielen aber an anderen Stellen Sitzmöglichkeiten weg, etwa in dem Bereich direkt unter der langgezogenen Skybar, die auf der Terrasse unter dem Dach noch in der Entstehung ist.
Aus architektonischer Sicht sei es gar nicht nötig, noch mehr als die 81.044 Plätze anzustreben. Laut Hans Joachim Paap, ebenfalls Architekt bei gmp, würde selbst diese Kapazität Experten bereits zu denken geben. „Sinnvoll sind 70.000 bis 75.000 Zuschauer. Alles, was darüber hinausgeht, wird schon anstrengend – insbesondere aufgrund der Sichtlinie. Bei Stadien mit mehr als 75.000 Plätzen beginnt die Sichtlinienüberhöhung bereits im Unterrang. Im Camp Nou etwa mit seinen über 98.000 Plätzen sind einige Stufen deshalb 70 Zentimeter hoch. Das heißt auch, ein Sitzplatz hat eine Tiefe von 70 Zentimetern. Praktisch gesprochen bedeutet das, dass der Hinterkopf ihres Vordermanns über ihrer eigenen Kniehöhe auftaucht“, erklärte Paap bereits im Dezember 2020 bei T-ONLINE.
Architekten schütteln Kopf: FC Barcelona will 105.000 Plätze
Demzufolge musste man als Zuschauer im Stadion des FC Barcelona, das mittlerweile ebenso umgebaut wird, für einen vernünftigen Blick auf das Spielfeld umso mehr Hinterköpfe mit gestrecktem Hals überblicken, je weiter man vom Rasen entfernt saß. „Das geht doch nicht“, findet Paap. Barça kümmert das offensichtlich herzlich wenig, hat nämlich in Auftrag gegeben: Nach der Modernisierung, die frühestens im Sommer 2026 fertig ist, sollen satte 105.000 Schaulustige kommen können – obwohl sich die ausverkauften Spiele innerhalb einer Saison schon in der Vergangenheit an einer Hand abzählen ließen…
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