Interview

Fede Valverde: „Es war die Hölle, ich war isoliert, weinte stundenlang“

Federico Valverde fällt bei Real Madrid während der Saison 2022/23 in ein Tief, weil bei seiner schwangeren Partnerin Komplikationen auftreten. Sie bangen um ihr Ungeborenes, weshalb der Uruguayer heimlich stundenlang am Tag weint, wie er rückblickend erzählt. Álex Baena vom FC Villarreal verpasst er Prügel, weil dieser die Situation schamlos kommentiert. „Es war die Hölle“, so Valverde.

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Federico Valverde Real Madrid
Valverde spielt seit 2018 für Real Madrid – Foto: Oscar del Pozo/AFP via Getty Images

„Gefühl, bei Real Madrid meinen Stempel aufgedrückt zu haben“

MADRID. „Bei jeder Vertragsverlängerung vergrößern wir die Familie.“ Das schrieb Mina Bonino auf Instagram, nachdem sich Federico Valverde mit Real Madrid zuletzt auf einen neuen Deal bis zum 30. Juni 2029 geeinigt hatte. Dazu veröffentlichte die Partnerin des Uruguayers ein Foto, das sie gemeinsam mit Präsident Florentino Pérez sowie ihren beiden jungen Söhnen Benicio und Bautista beim glücklichen Posieren zeigt.

Bei der vorherigen Verlängerung, Ende August 2021, gab es so ein Bild auch – nur ohne Bautista. Und fast wäre es dazu weit gekommen, dass der zweite Sprössling das Licht der Welt gar nicht erst erblickt. Ende Juni hat er das dann doch getan. Ein glückliches Ende einer dramatischen Schwangerschaft – unter der auch der Real-Star enorm litt. Seine Hinrunde in der Saison 2021/22 war fulminant, nach dem Jahreswechsel ging es aber bergab.

„Ich glaube nicht, dass es eine Überraschung ist, dass ich meine beste Saison 2021/22 hatte, als Benicio zwei Jahre alt war und sich zu einem kleinen Menschen mit einer echten Persönlichkeit entwickelte. Als wir in diesem Jahr die Champions League gewannen, hatte ich das Gefühl, bei Real Madrid endlich meinen Stempel aufgedrückt zu haben. Einige Monate später erfuhren wir, dass wir erneut schwanger waren. Wir waren so, so glücklich. In den ersten Monaten war alles perfekt. Doch dann ging Mina eines Tages zu ihrem Arzt für ein paar Untersuchungen, und da brach alles zusammen“, erinnerte sich der 25-Jährige für die US-amerikanische Plattform THE PLAYERS’ TRIBUNE.

Fede Valverde: „20 Stunden am Tag war ich isoliert“

„Der Arzt teilte uns mit, dass die Schwangerschaft einem extrem hohen Risiko ausgesetzt und die Überlebenschance sehr gering sei, wenn sie die Schwangerschaft fortsetzt. Uns blieb nichts anderes, als abzuwarten. Stellt euch vor, ihr hört diese Worte … ‚Ihr Baby wird es wahrscheinlich nicht schaffen.‘ Ich kann den Schmerz nicht beschreiben. Meine Frau litt jeden Tag körperlich und geistig. Ich habe einfach abgeschaltet. Ich bin jemand, der alles in sich hineinfrisst. Ich weiß, es ist nicht gesund, aber ich bin einfach ehrlich. Ich möchte nie, dass mich jemand weinen sieht. Sogar meine Familie“, erklärte Valverde sein Wesen.

Er sei selbst bei Besuchen der Eltern in sein Schlafzimmer gegangen, „um allein zu sein. Die 20 Stunden am Tag, an denen ich nicht beim Fußball war, war ich isoliert. Kein Handy. Kein iPad. Nur Stille. Ich hatte das Gefühl, ich musste der Fels in der Brandung sein, denn alle anderen litten. Ich habe eine Figur gespielt“, gestand der Südamerikaner.

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„Wenn ich allein war, weinte ich stundenlang“

Valverde wollte in Gesellschaft keinen schwachen Eindruck machen. „Aber wenn ich allein war, weinte ich stundenlang. Ich ging 15 Minuten lang auf die Toilette und weinte zehn Minuten lang mit dem Kopf in den Händen. Am Morgen des Spiels, als ich konzentriert und ruhig sein sollte, lag ich im Bett, dachte an unseren Sohn und drehte mich um … Manchmal spielte ich nicht gut, und das wusste ich. Ich konnte die Pfiffe der Fans hören. Nach dem Spiel musste ich dann Fragen der Medien beantworten und wollte weder meine Gefühle zeigen noch den Leuten erzählen, was passierte. Es war die Hölle. Mein Rat an alle, die etwas ähnliches durchmachen, ist, dass man nicht so stur sein muss wie ich. Du musst nicht schweigend leiden“, reflektierte der Mittelfeldakteur sein Verhalten von vor einigen Monaten.

Zu allem Überfluss bestimmte Valverde dann doch für einige Tage die Schlagzeilen. Die Nummer 15 der Königlichen ließ sich im April nach einer LaLiga-Partie gegen den FC Villarreal dazu hinreißen, den gegnerischen Akteur Álex Baena im Parkhaus des Estadio Santiago Bernabéu ins Gesicht zu schlagen. Nicht grundlos, denn als sich die Teams zuvor im Januar zum Copa-del-Rey-Achtelfinale duellierten, soll sich Baena über Valverdes private Situation lustig gemacht haben: „Heul doch, dass dein Sohn nicht geboren wird.“

Eklat nach Heimspiel von Real Madrid: „Grenze überschritten“

„Im April war der Tiefpunkt erreicht. Jeder kennt die Schlagzeilen, beide Seiten der ‚Geschichte‘. Ich möchte diese hässlichen Dinge nicht noch einmal zur Sprache bringen, nur Folgendes sagen: Auf dem Platz kann man mich fast alles nennen, das stört mich nicht. Ich bin Uruguayer, um Himmels willen. Aber es gibt bestimmte Grenzen, die überschreitet man nicht. Nicht als Fußballer, sondern als Mensch“, betonte Valverde nun: „Sprichst du über meine Familie, geht‘s nicht mehr um Fußball. An diesem Tag wurde eine Grenze überschritten.“ Er hätte, findet er rückblickend, am besten „vielleicht nicht“ darauf reagiert. „Vielleicht hätte ich nach Hause gehen und mit meinem Sohn einen Burger essen sollen – ein paar Chicken Nuggets essen und Zeichentrickfilme schauen sollen. Aber ich bin ein Mensch und manchmal muss man für sich selbst und seine Familie einstehen“, meinte er.

Das Image des Gewalttätigen „tat weh. Es wurden viele Lügen erzählt, die sich später als unwahr herausstellten. Aber ehrlich gesagt kann ich sagen, dass ich nichts bereue, denn es hat mich als Mensch noch stärker gemacht und unsere Familie noch enger zusammengeschweißt“, so Valverde. Es wurde „nach diesem dunklen Tag viel besser“.

Der Publikumsliebling: „Als meine Frau der Welt endlich erzählte, was wir durchmachten, veränderte das alles für uns. Die Art und Weise, wie meine Teamkollegen und die Madridistas hinter uns standen, werde ich nie vergessen. Sie haben für immer den Respekt von mir und meiner Familie. Ich spielte einen Fehlpass und sie reagierten, indem sie meinen Namen riefen. Im Bernabéu, wo die Erwartungen so hoch sind, ist das ein kleines Wunder. 80.000 Menschen zu haben, die mich so unterstützten, fühlte sich in meinem Tiefpunkt wie 80.000 Umarmungen an. An euch alle: Ich kann nur Danke sagen.“

„Bei Real Madrid ist der Druck der größte auf der Welt“

Noch besser: Die ärztliche Prognose stellte sich als unzutreffend heraus. Die pure Erleichterung. „Nach anderthalb Monaten purer Hölle erhielten wir die beste Nachricht unseres Lebens. Die Ergebnisse der Untersuchungen waren viel besser und es sah so aus, als ob die Schwangerschaft in Ordnung sei, um fortzufahren. Natürlich war die restliche Schwangerschaft weiterhin eine unglaublich angespannte Zeit. Bis wir unseren Sohn in unseren Armen halten konnten, wollten wir nicht ausatmen. Aber Gott sei dank kam im Juni unser Sohn Bautista auf die Welt. Gesund und glücklich. Unser Wunder“, freut sich Valverde.

Er sei „nicht einfach zu mir selbst, weder im Fußball noch im Leben. Ich glaube, ich war noch nie zuvor zufrieden. Ich hatte nie das Gefühl, wirklich erfolgreich zu sein oder genug getan zu haben. Aber an jenem Morgen im Krankenhaus, als meine Frau Bautista in ihren Armen hielt, dachte ich: ‚Fede, sieh sie dir an. Das ist es. Du hast gewonnen.‘“

Nun spielt er nicht mehr für sich Fußball, nicht mehr nur für Real, seine Mina, seine Eltern. Kraft schöpft er allen voran aus seinen beiden Jungs. „Wenn du deinen Sohn ansiehst, bevor du zum Training gehst, fühlst du dich wie ein Krieger. Wie der Hulk. Wenn du für deinen Sohn spielst, ist es, als hättest du Superkräfte. Erst als mein erster Sohn geboren wurde, veränderte sich mein Leben wirklich. Vor diesem Tag war ich besessen von meinen Leistungen. Wenn ich ein schlechtes Spiel hätte, würde ich 24 Stunden lang nicht einmal mit meinen Eltern sprechen. Ich ging in mein Zimmer, saß einfach allein da und schmorte wegen meiner Fehler. Ich weiß nicht, ob das gesund ist, aber wenn man bei Real Madrid spielt, ist der Druck der größte auf der Welt. Du lebst es also zu 100 Prozent.“ Ein stolzer Valverde.

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Zeigt mal wieder, wie einfach wir Fans es uns manchmal mit der Kritik machen. Jeder, egal wie reich, ist am Ende nur ein Mensch, macht schwierige Phasen durch, macht Fehler. Wie es ihnen wirklich geht, und welche Auswirkungen das auf das Auftreten hat, bleibt oft verborgen. Das sollten wir beherzigen, wenn wir das nächste Mal schimpfen oder pfeifen. Kritik ist ok, aber sachlich und konstruktiv.
 
Irre. So emotional, was er hier gibt, berührt echt. Musste selbst fast weinen. Stark von Fede, sich das alles bewusst zu machen. Was für ein Mensch. Was für ein Mann. Es ist eine Ehre, dass er bei uns spielt.
Grande.
 
Schon heftig wie man merkt wie sehr er gelitten hat und dann kommt diese Baena und macht noch so ein Kommentar. Ich glaube auch wenn er ihn auf dem Platz verprügelt hätte, wäre es verständlich gewesen. Bin gespannt auf das Spiel gegen Villareal wie die zwei aufeinander reagieren werden.
 
Schon heftig wie man merkt wie sehr er gelitten hat und dann kommt diese Baena und macht noch so ein Kommentar. Ich glaube auch wenn er ihn auf dem Platz verprügelt hätte, wäre es verständlich gewesen. Bin gespannt auf das Spiel gegen Villareal wie die zwei aufeinander reagieren werden.
Vor allem muss dieser Baena geistig krank sein mit dem Leiden eines Menschen lustig zu machen. Zum Glück ist unserer el Halcon die schwierige Zeit überstanden und ist glücklich mit seiner Familie. So klappt's auch besser aufm Platz.
 
Ein ganz feiner Kerl unser Fede! Schön zu sehen wie der madridismo zusammensteht wenn's drauf ankommt. Das ist dieses Familiengefühl, um die uns die halbe Fußballwelt beneidet. Im Bernabeu kriegst du immer das was du dir verdienst!
 
Er muss irgendwann unbedingt der Kapitän dieser Mannschaft werden - unglaublich sympathischer Typ - unsere rechte Pferdelunge im Mittelfeld Reals. Die linke ist Cama... :-D
 

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