Analyse

Im Rückspiel geht es auch um Ancelottis Zukunft

Real Madrid muss im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Arsenal versuchen, eine 0:3-Hypothek irgendwie noch umzubiegen, um das Halbfinale zu erreichen. Für Carlo Ancelotti könnte jener 16. April ein schicksalhafter Tag werden.

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Carlo Ancelotti Real Madrid
Carlo Ancelotti erlebt bei Real Madrid eine schwierige Zeit – Foto: David Ramos/Getty Images

Hinspiel auswärts? Gar nicht mal so vorteilhaft

LONDON/MADRID. Der Schock sitzt tief. Dafür kam diese Abreibung trotz der zuletzt schon mäßigen Leistungen schlicht zu unerwartet – allen voran angesichts der drei Gegentore binnen 17 Minuten. Lange 0:0, plötzlich 0:3: Real Madrid hat seine Champions-League-Saison am Dienstagabend gegen den FC Arsenal von jetzt auf gleich an die Wand gefahren, sofern kein Wunder bevorsteht.

Die Königlichen waren mit einer defensiven Herangehensweise darauf aus, gerne auch nur ein torloses Unentschieden aus London mitzunehmen. Ihnen war die geringe Ambition anzumerken: Sie wollten gar nicht so viel aus diesem Viertelfinal-Hinspiel herausholen, sondern den Heimvorteil im Rückspiel vollends auskosten, das Weiterkommen dort dingfest machen.

Für gewöhnlich freut sich eine Mannschaft ja immer darüber, in einer K.o.-Runde erst auswärts und dann im eigenen Stadion anzutreten. Doch man kann es auch umgekehrt sehen: Wäre dieses Hinspiel gegen Arsenal im Estadio Santiago Bernabéu gewesen, hätte Real für die bestmögliche Ausgangslage mit Sicherheit einen offensiveren Ansatz gewählt – und so dieses Viertelfinale nicht schon nach 90 von mindestens 180 Minuten förmlich über Bord geworfen.

Ancelotti ist der große Sündenbock

Das 0:3 ist eine schwere Hypothek, ein 0:1 wäre vergleichsweise noch gut gewesen, ein 0:2 immerhin okay. Machbarer als die Aufgabe, vor der das weiße Ballett jetzt steht – auch psychologisch. Selbst ein gewaltiger Kraftakt garantiert nicht, am 16. April im Bernabéu am Ende das Ticket zur Runde der letzten Vier zu lösen. Es geht ja gleichzeitig die ganze Zeit auch darum, kein Gegentor zu kassieren.

Der große Sündenbock inmitten der schier aussichtslosen Lage: Carlo Ancelotti. Die Stimmen, die sich eine Absetzung des Italieners und einen neuen Impuls zur nächsten Saison durch einen neuen Trainer wünschen, werden lauter. Die Rufe nach Xabi Alonso als Nachfolger. Mehr und mehr Fans leiden unter dem unattraktiven Fußball, den der Italiener trotz dieses Top-Kaders spielen lässt.

Ancelotti und Real Madrid: Die Luft scheint raus

Florentino Pérez hatte vor langer Zeit mal gemeint, aus seiner Sicht sei ein Trainerwechsel für immer wieder frischen Wind und neue Ideen alle drei Jahre optimal. Ancelotti hat diese Phase – anders als in seiner zweijährigen ersten Amtszeit – längst überschritten. Tut er das noch länger?

Angesichts der fußballerisch schweren Kost mit anhaltenden Defensiv-Problemen erhärtet sich der Eindruck, dass Ancelottis Tage als Trainer der Blancos vier Jahre nach dem Beginn seiner zweiten Ära bald gezählt sein könnten – Vertrag bis Mitte 2026 hin oder her. „Die Situation von Ancelotti wird immer komplizierter. Seine Zukunft in Madrid hängt am seidenen Faden“, schreibt auch LA GAZZETTA DELLO SPORT, die größte Sportzeitung in Italien, der Heimat des 65-Jährigen.

An jenem 16. April geht es gegen die „Gunners“ nicht nur um das Überleben in Europa, sondern irgendwo auch um die Zukunft von „Carletto“. Die Königsklasse ist der bedeutendste Titel und nimmt bei dem 15-fachen Triumphator einen maßgeblichen Einfluss auf die Bewertung einer Saison. Ein K.o. würde die Wahrscheinlichkeit einer dann als einvernehmlich kommunizierten Trennung – nicht unmittelbar, sondern im Sommer – erheblich erhöhen. Als erfolgreichster Trainer der Real-Historie (15 Titel) genießt Ancelotti einen zu hohen Respekt im Verein, als dass er sofort gefeuert werden oder man den Abschied überhaupt als Entlassung deklarieren würde.

Trennung im Titelfall nicht ausgeschlossen

Mit der Meisterschaft und der Copa del Rey ist abgesehen davon zwar noch das nationale Double möglich, jedoch muss sich Real in beiden Wettbewerben gegen einen sehr starken und 2025 noch ungeschlagenen FC Barcelona durchsetzen. Im Finale des Pokals in zweieinhalb Wochen und am 35. Spieltag am 10. oder 11. Mai sogar jeweils im direkten Duell – und das, nachdem es in dieser Spielzeit mit dem 0:4 in der Liga und dem 2:5 im Supercopa-Endspiel bereits zwei Clásico-Klatschen gab.

Auf Ancelotti könnten Horror-Wochen zukommen. Aber was, wenn es doch erfolgreicher läuft? Es ist beim Weltverein aus der spanischen Hauptstadt ein ungeschriebenes Gesetz: Ein Trainer, der mindestens einen der drei großen Titel gewinnt, sichert sich damit seinen Verbleib.

Nicht ausgeschlossen aber, dass sich die Wege im Guten nach der Saison selbst dann trennen, sollten die Madrilenen tatsächlich Meister und/oder Pokalsieger werden. „Carletto“ würde sich so durch die große Tür verabschieden, seine Etappe würdig beenden. Übrigens: Brasiliens Nationalmannschaft sucht wieder einen neuen Coach. Das Angebot im Jahr 2023 schmeichelte ihm ja bereits …

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Wir brauchen keine Zukunft mit ihm! Wenn wir doch noch einen großen Titel holen, dann sollte er ein Gentleman sein und von sich aus gehen. Zumindest hat er es verdient, dass man es so darstellt, als wäre es seine Entscheidung gewesen, und ich würde mich freuen, wenn er das in den nächsten Tagen selbst kommuniziert.

Ich glaube, ich spreche für viele Fans, wenn ich sage, dass er uns den Spaß an Real und am Fußball nimmt. .... Das ist wirklich traurig.
 
Ich finde es erschreckend, wie schlecht wir spielen, aber dennoch um alle Titel spielen/mitgespielt haben. Mehr Glück als Verstand.

Wenn du in einem Titelrennen, gegen einen Abstiegskandidaten verlierst und daraufhin nicht die Mentalität an den Tag legst, bei einem Viertelfinale in der CL, dann bist du hier falsch.

Spieler wie Valverde, Asencio, Courtois oder Bellingham die jedes Spiel ihr Leben auf dem Feld lassen müssen unter den Leistungen von Vini, Mbappe und der restlichen Mannschaft leiden. Ja, Mbappe hat seine Tore, aber das beste Beispiel war sein erster Abschluss im gestrigen Spiel.

Spieler wie Endrick und Arda Güler die es kaum abwarten zu spielen und alles zu geben, werden ignoriert, muss man einfach so sagen. Carlo hofft auf die Individuelle Qualität von Vinicius oder Rodrygo, es funktioniert nicht und dennoch werden Sie nicht ausgewechselt.

Wir alle lieben diese Spieler, aber über allem lieben wir diesen Verein. Und egal wie du heißt wenn du die ganze Saison nicht mal eine gescheite Körpersprache haben kannst, dann gehörst du nicht jedes mal in die Startelf.


Gute Zeiten werden wieder kommen, Sie werden viele Lehren aus dieser Saison ziehen… hoffe ich zumindest.
 
Aber welcher Trainer sollte übernehmen wenn wir Xabi nicht bekommen??
 
Arbeloa bekommt sicher noch keine chance...ist zu früh....bitte nicht jose ...seine zeit is vorbei...Allegri wäre frei...oder Arsenal gewinnt die Champ. L. und Arteta zieht weiter?!? Raul is auch keine Lösung denke ich! Sooo viele Möglichkeite gibt es leider nicht...
 
Carlo sollte würdevoll verabschiedet werden. Das ist der Verein und seine Fans ihm schuldig. Er war da als wir Ihn brauchten und er muss gehen, wenn wir dies nicht mehr tun. Aktuell haben wir keine Mannschaft die an sich glaubt. Wir haben keine Spieler die gemeinsam an einem Strang ziehen, kämpfen und wieder aufstehen. Spieler wie Alaba oder Rüdiger die mal motiviert vorangingen leiden selbst. Es gibt keine Stimme auf dem Feld die mal Mbappé, Vini oder sonst wen aufweckt, wenn es nicht gut läuft. Die Körpersprache sagt vieles aus. Wir sehen teilweise wie Schuljungen auf dem Feld aus. Da passt es vorne und hinten nicht. Für mich ist das eine klare Handschrift des Trainers. So etwas muss man erkennen! Es kann einfach nicht so weitergehen und leider passiert es trotzdem die ganze Saison. Es fehlt absolut an einem System in der Offensive oder auch Mittelfeld. Die Bälle werden auf gut Glück nach vorne gespielt „und dann mach mal“. Bitte Carlo habe die Größe und pack deine Koffer in aller Ehre. Ich habe fertig.
 
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