
Toni Kroos: „Für den Verein immer unfassbar bitter“
MADRID. Die Momente, in denen der Trainer innerhalb einer Saison mal auf sämtliche Profis zurückgreifen kann, sind bei Real Madrid selten geworden. Sehr selten sogar. Vielmehr gehen die Königlichen personell derzeit fast schon am Stock. Thibaut Courtois und Éder Militão fehlen jeweils seit Mitte August mit Kreuzbandrissen, in den vergangenen Wochen hat es zudem auch noch Aurélien Tchouaméni, Eduardo Camavinga und Vinícius Júnior schlimmer erwischt. Camavinga ist frühestens im Januar zurück, Vinícius im Februar. Tchouaméni könnte im Bestfall noch vor dem Jahreswechsel sein Comeback feiern.
Ernüchternd für Real: Der französische Linksfuß und der brasilianische Flügel-Star verließen Spaniens Hauptstadt zuletzt fit und verletzten sich jeweils bei ihren Nationalteams. Noch härter hat es kürzlich übrigens den FC Barcelona getroffen, dessen Mittelfeldakteur Gavi bei einem Länderspiel einen Kreuzbandriss mit zusätzlicher Meniskus-Verletzung erlitt.
Toni Kroos bedauert zutiefst, wenn letztlich die Klubs die Leidtragenden sind. Verletzungen können „natürlich immer passieren, es ist dann auch mal Pech dabei. Natürlich ist das bitter für den Spieler, aber auch für den Verein finde ich das immer eine unfassbar bittere Sache, das so hinzunehmen“, sagte der 32-Jährige, der seiner DFB-Karriere nach der Europameisterschaft im Sommer 2021 ein Ende setzte, im Podcast „Einfach mal Luppen“.
„Du machst dir auf Dauer deine besten Spieler kaputt“
Er könne es verstehen, dass es zu diesem Zeitpunkt des Jahres für manche Nationalmannschaft noch um etwas gehe, die Top-Stars daher benötigt werden – oder aber die Nationaltrainer schlicht möglichst viele Akteure einsetzen möchte. Immerhin gebe es dann im März nur noch eine Abstellungsperiode vor dem nächsten Turnier im Sommer 2024.
„Trotzdem ist es aus Vereinssicht unfassbar bitter, weil du deine Spieler fit abstellst, du bist als Verein am Ende der Tage der, der diesen Spieler bezahlt. Wenn der sich hier verletzt, ist das bitter, aber du hinterfragst dich selbst. Oder manchmal brauchst du dich gar nicht hinterfragen, weil es Pech ist. Aber einen fitten Spieler zur Nationalmannschaft zu geben und der fällt dann ein halbes Jahr oder zwei Monate aus – das ist schon bitter“, so Kroos.
Weiter gab er zu Protokoll: „Es sind das ganze Jahr über Verletzungen, aber speziell Richtung Ende des Jahres fällt es oft auf, dass längere, schwerere Verletzungen dazukommen. So einem Jahr muss man dann irgendwann Tribut zollen. So viel, wie mittlerweile gespielt wird, machst du dir auf Dauer deine besten Spieler und die Attraktion, weswegen die Leute ins Stadion gehen, kaputt. Das Ergebnis ist dann so etwas – und das wird nicht aufhören. Man muss nach wie vor versuchen, daran zu feilen, dass es in irgendeiner Form weniger Spiele werden. Sonst wird es ein Dauerzustand.“
Toni Kroos hätte immer lieber „etwas größeren Kader“
Andererseits fällt Real mit jedem weiteren Verletzten die eigene Kaderplanung mehr und mehr auf die Füße. Das Ensemble von Carlo Ancelotti besteht neben drei Torhütern, von denen einer (Kepa Arrizabalaga) nicht gekommen wäre, wenn sich der andere (Courtois) nicht schwer verletzt hätte, insgesamt aus gerade mal 20 Profi-Feldspielern.
Kroos äußerte sich nicht explizit zu Real, meinte aber grundsätzlich: „Wenn ich Vereinsboss wäre, würde ich mich immer dafür entscheiden, einen etwas größeren Kader zu haben. Das beinhaltet dann vielleicht den einen oder anderen unzufriedeneren Spielern. Aber bei Top-Vereinen, bei der Fülle an Spielen, hast du immer die Möglichkeit, zu wechseln, dass jeder auch auf seine Spiele kommt. Vor allem ist es über das ganze Jahr so, dass im Schnitt immer drei, vier Spieler verletzt sind. Das sagt die Erfahrung aus den letzten Jahren. Dann hast du einfach mit einem größeren Kader die Möglichkeit, das viel besser aufzufangen.“
„Unterschwellige Angst, das nicht auffangen zu können“
Das klingt danach, als würde er das Personal-Management seiner Führung zumindest mal für nicht optimal halten. „Wenn du von Anfang an einen kleinen Kader hast, schwingt immer so ein bisschen die Angst mit: Kann man das Niveau auch halten, wenn man gerade gut unterwegs ist? Und die unterschwellige Angst, dass sich am Stück ein paar verletzen und das nicht auffangen zu können“, erklärte der Routinier.
„Wenn du wirklich mal vier, fünf verletzt und einen kleinen Kader hast, kannst du auch nicht mehr ganz so trainieren, wie du es möchtest. Dann füllst du automatisch auf, was auch Vorteile bringen kann, gerade für Jugendspieler. Du musst immer auffüllen, immer wechseln, dir etwas zusammenbauen, improvisieren. Für Mannschaften, die viele englische Wochen haben, würde ich eher immer zu einem größeren Kader tendieren. Lass es 26, 27 sein, in die Richtung würde ich gehen“, so Kroos.
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