
Real Madrid bleibt seinem legendären Stadion treu
MADRID. Das Mega-Projekt, es ist immer noch im Gange: Seit nun schon knapp vier Jahren, dem Frühsommer 2019, wird an der nächsten Entwicklungsstufe des Estadio Santiago Bernabéu gearbeitet. Real Madrid hofft, dass der aufwändige und mit 800 Millionen Euro ebenso kostenintensive Umbau bis zum Ende des Jahres 2023 abgeschlossen ist.
Die Modernisierung war von langer Hand geplant. Bereits relativ zügig nach der Rückkehr von Florentino Pérez als Präsident im Sommer 2009 wurden die Pläne nach und nach vorangetrieben. Was für die Verantwortlichen nie infrage kam: ein Neubau außerhalb des Stadtkerns und somit ein Abschied aus dem Bernabéu. „Es gab einfachere Wege, das beste Stadion der Welt zu haben, aber wir bleiben Zuhause“, so der Leitspruch des Vereins.
Real gibt seinen altehrwürdigen Fußballtempel nicht auf, poliert ihn vielmehr, bringt ihn auf einen modernen Stand, macht ihn für die Zukunft bereit und konkurrenzfähig. Neu eröffnet wurde das Stadion im Dezember 1947 nach einer zuvor dreijährigen Bauzeit, wobei an Ort und Stelle auch zuvor schon die Spielstätte der Merengues gewesen war. Real bezog das Stadion bereits im Mai 1924, es geriet folglich durch den spanischen Bürgerkrieg (Juli 1936 bis April 1939) jedoch in arge Mitleidenschaft.
Bernabéu überraschte Ernennung zum Präsidenten
Auch der Verein selbst litt unter dem Konflikt, ihm standen lediglich noch fünf Spieler zur Verfügung, weil die anderen ins Exil flohen oder ins Gefängnis gesperrt wurden. Real befand sich finanziell in einer kritischen Lage, Trophäen wurden geklaut. Das Estadio de Chamartín wurde mehr oder weniger wieder hergerichtet, doch nachdem Bernabéu am 15. September 1943 für ihn vollkommen überraschend zum Präsidenten ernannt wurde, erreichte es schon bald seine nächste Entwicklungsstufe.
Nach einem 11:1-Triumph gegen den FC Barcelona wurde Vorgänger Antonio Santos Peralba zu einem Rücktritt gezwungen, da es bei dem Clásico gewaltsame Fan-Ausschreitungen gegeben hatte. Das Barça-Oberhaupt legte sein Amt derweil freiwillig nieder. Ein Verbandspräsident im spanischen Fußball schlug im Falle der Madrilenen ebenjenen Bernabéu vor, der zuvor Spieler und Sekretär bei den Blancos gewesen war. Satte 35 Jahre, von 1943 bis 1978, sollte er folglich an Reals Spitze stehen – bis zum Tod.
„Wenn ich ehrlich bin, hätte ich es mir nie vorgestellt, so lange dieses Amt auszufüllen“, sagte er gemäß einer aktuellen Dokumentation über seine Person einst. „Ich hatte nicht den gesellschaftlichen Stand, hatte nicht die Möglichkeiten, war kein Millionär. Ich war gar nichts, nur ein Amateurfußballer. Nachdem ich zum Präsidenten ernannt wurde, sagte ich meiner Frau: ‚Maria, keine Sorge, nach nicht mal einem Jahr werden sie mich rausgeworfen haben.‘“
„Mir gefällt es gar nicht, dass sie Dingen meinen Namen geben“
Mitnichten. Vielmehr legte Bernabéu den Grundstein dafür, dass sich Real in den kommenden Jahrzehnten zum ruhmreichsten Klub des Weltfußballs entwickelte. Der Gedanke, der ihn antrieb: Die Zuschauerkapazität im Zuge einer dreijährigen Bauphase um ein Vielfaches erhöhen, um höhere Ticketeinnahmen zu generieren, um wiederum die besten Fußballer verpflichten zu können, Real so zu einer großen Nummer zu machen.
Ein im Grunde genommen simples Vorhaben, für das der Visionär aufgrund der zur damaligen Zeit baulichen Herausforderungen aber eher belächelt wurde. Speziell die Presse in Katalonien hielt Bernabéu für verrückt und größenwahnsinnig. Ihm war es egal, er ließ seine Vorstellung verwirklichen. Angesichts Bernabéus wegweisenden Schaffens entschloss sich der Vorstand irgendwann dazu, das Stadion nach ihm zu benennen. Im Jahr 1955 wurde aus dem Estadio de Chamartín das Estadio Santiago Bernabéu.
Der Präsident selbst erfuhr davon erst, nachdem er von einer Reise heimgekehrt war. Und begeistert war er davon nicht wirklich. „Als ich zurückgekehrt war, habe ich gesehen, dass mein Name darauf stand. Mir gefällt es gar nicht, dass sie Dingen meinen Namen geben. Das ist übertrieben. Ich bin mir sicher: Wenn ein anderer Präsident kommt, wird er den Namen einfach wieder entfernen“, so Bernabéu. Auch hier: mitnichten.
„Das Stadion wird immer das Santiago Bernabéu sein“
Florentino Pérez, einer seiner späteren Nachfolger, gibt sich ehrfürchtig und betrachtet den Namen des Real-Wohnzimmers ebenso als unantastbar wie alle vorherigen Präsidenten. Man werde ihn „nie“ verändern, so Pérez. Für ihn und seine Riege kam nach anfänglichen Überlegungen selbst ein Sponsoren-Beiname nicht mehr infrage.
„Das Stadion wird so lange Santiago Bernabéu heißen, so lange es existiert. Er ist derjenige, der das alles geschaffen hat. Wir sind Hüter seines Bauwerks. Er hatte die Idee, dieses Stadion zu konstruieren, zum damaligen Zeitpunkt war es ein sehr ambitioniertes Projekt. Er war der erste, der die Mannschaft nach Amerika reisen ließ, als das als verrückt galt. Wir verdanken ihm all das, was wir jetzt sind. Abgesehen davon ist das Stadion mittlerweile eine Marke. Kann sein, dass junge Menschen nicht wissen, wer Bernabéu war, aber sie sagen: ‚Wir sehen uns im Bernabéu.‘ Das Stadion wird immer das Santiago Bernabéu sein.“ Daran ändert auch das Mega-Projekt nichts, das die Heimstätte einmal auf Links dreht…
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