Interview

Nach Abseits-Ärger des FC Bayern: Toni Kroos vermisst Auflösung

Nach dem Ärger des FC Bayern München über einen verfrühten und vermeintlich falschen Abseitspfiff im Champions-League-Halbfinal-Rückspiel vermisst Toni Kroos eine Auflösung. Real Madrids Mittelfeld-Star sieht in der Szene abgesehen davon keine Chancenlosigkeit bei der Verhinderung des Treffers. Vor Borussia Dortmund hat Kroos Respekt, gleichzeitig erwähnt er aber den Erfahrungsvorteil.

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Toni Kroos Real Madrid FC Bayern München Abseits
Verfrühter Abseitspfiff: Für Toni Kroos kein Skandal – Foto: DAZN, Alexander Hassenstein/Getty Images

„Es gibt kein offizielles Ergebnis von dieser Szene“

MADRID. 2:2 in München – und fast auch 2:2 in Madrid: Real hat am Mittwoch vergangener Woche einen 0:1-Rückstand im Champions-League-Halbfinal-Rückspiel gegen den FC Bayern noch vor einer Verlängerung in eine 2:1-Führung verwandeln können, woraufhin Matthijs de Ligt tief in der am Ende viertelstündigen Nachspielzeit aber noch der Ausgleich für die Gäste gelang. Ein Treffer, der allerdings nicht zählte, weil Schiedsrichter Szymon Marciniak das Geschehen im Estadio Santiago Bernabéu Momente zuvor nach einer Abseits-Entscheidung seines Linienrichters unterbrochen hatte.

Die Münchner reagierten umgehend mit riesengroßer Verärgerung, da der in der Entstehung mit einem hohen Ball angespielte Noussair Mazraoui womöglich gar nicht im Abseits gestanden war. Das Unparteiischengespann entschuldigte sich im Nachhinein dafür, die Situation nicht einfach erst einmal laufen gelassen zu haben. Es blieb bei dem 2:1, mit dem die Königlichen Borussia Dortmund in das Endspiel am 1. Juni in London folgten.

Was unter anderem Toni Kroos bis jetzt vermisst: Klarheit über das Tor-Rätsel. „Zwei Fragen, die sich bei dem ganzen verständlichen Ärger nicht gestellt haben: War es Abseits? Das habe ich bis heute nicht aufgelöst bekommen. Jeder hat dieses Standbild gesehen, aber bisher wurde keine Linie gezogen. Es gibt kein offizielles Ergebnis von dieser Szene. Und wenn dieses Ergebnis zum Beispiel wäre: Es war Abseits, und wenn es nur ein Millimeter war, dann brauchen wir nicht zu diskutieren“, rekapitulierte der Mittelfeldstratege des weißen Balletts das Vorgefallene im Dialog mit seinem Bruder Felix in der neuesten Folge ihres Podcasts „Einfach mal Luppen“. Den Fehler erkennt er „hauptsächlich beim Linienrichter. Die sind wirklich angehalten, zu warten. Der Schiedsrichter vertraut ihm, dass es wahrscheinlich drei Meter Abseits war und pfeift. Es ist schwer, wenn der Linienrichter so überzeugt stehen bleibt, die Fahne hält und auch nicht weiterläuft. Das Handling war schlecht, es muss weiterlaufen gelassen werden, gar keine Frage“.

Toni Kroos: „Die Spannung fiel bei allen ab“

Abgesehen davon sah und sieht Kroos seine Mitspieler in jenem Moment keineswegs chancenlos, sofern Marciniak nicht interveniert hätte. „Die zweite Frage, und da habe ich direkten Kontakt: Wäre dieses Tor gefallen? Der Schuss von de Ligt ist sehr gut. Ich habe zum Beispiel mit Nacho gesprochen. Nacho sagt, er hört den Pfiff echt früh, hört einigermaßen auf, ist sich ansonsten recht sicher, dass er wirklich hinkommt, den Ball blockt. Der Torwart ist nach dem Pfiff relativ teilnahmslos, er geht ja nicht mal runter, ist nicht mal in der Aktion und versucht, ihn zu halten“, so der 34-Jährige, der jedoch zugibt, er hätte wegen des starken Abschlusses eher mit einem Gegentor gerechnet.

„Du hast schon gemerkt, dass die Spannung bei allen, die jetzt die Idee gehabt hätten, dieses Tor zu verteidigen, abfiel. Deswegen ist das nicht abschließend zu klären, finde ich. Der Ärger ist natürlich irgendwo berechtigt, weil man die Aktion einfach zu Ende spielen lassen muss. Wäre es ein Tor geworden oder war es wirklich kein Abseits? Das sind zwei Fragen, die bei der Bewertung schon entscheidend sind. Und die kriegen wir wohl höchstwahrscheinlich nicht mehr raus. Zumindest die Frage, ob es hätte verteidigt werden können. Das andere wissen sie wahrscheinlich irgendwo, wo es genau ausgewertet wurde. Vielleicht wird es aus gutem Grund nicht veröffentlicht (lacht). Ich habe da im Nachhinein keine Linie gesehen, die es auflöst, ob es Abseits war oder nicht. Für mich ist es nicht klar, dass das ein Tor geworden wäre“, so die Nummer 8 der Blancos.

Toni Kroos: „Finde, dass dieser Final-Einzug okay geht“

Mit der zuvor geglückten Aufholjagd dank Treffern von Joselu in der 88. Minute und der ersten Minute der Nachspielzeit sei es „wieder sehr verrückt“ gewesen. Dass die Madrilenen letzten Endes weiter sind und nicht die Münchner, hält Kroos für gerecht. „Es ist nicht einfach, auf das 0:1 noch mal zu reagieren. Du hast das Gefühl, du bist schon die ganze Zeit dran an dem Tor, machst vieles richtig, liegst dann aber zurück. Hintenraus ist es dann sehr viel Glaube, ein bisschen Glück, dass Manu (Neuer) der Ball runterfällt. Das passiert nicht so oft. Ich finde, dass dieser Final-Einzug okay geht, wenn ich diese 180 Minuten sehe. Ich hätte das Hinspiel mit ein paar Vorteilen für Bayern ausgeglichen und das Rückspiel mit relativ klaren Vorteilen auf unserer Seite gesehen. Die Art und Weise ist dann nachher natürlich auch ein bisschen Real Madrid.“

Das große Real zu spüren bekommen soll nun auch der BVB. Kroos: „Man darf niemanden unterschätzen. In der Champions League kannst du in relativ wenigen Spielen viel erreichen, wenn du auf dem Punkt da bist. Umgekehrt reicht manchmal ein Champions-League-Spiel und dann bist du raus. Und manchmal wirst du belohnt, wenn du in der Lage bist, dein Niveau zu steigern. Wenn man sich die Gegner anguckt, beginnend mit der Gruppe: Paris, Mailand, Newcastle, dann über Eindhoven, Atlético Madrid und noch mal Paris. Wenn du da durchgehst, ist es nicht mehr dieses eine Spiel, wo du Glück hast. Dann bist du verdient da. Pfostenschüsse von Paris hin oder her. Dann schlussfolgert sich daraus: Wenn du verdient im Champions-League-Finale bist, kannst du es auch gewinnen. Dann bist du ein Gegner, der in dem Fall uns sehr wehtun kann.“

Toni Kroos: Erfahrung mit CL-Finals „schon ein Vorteil“

Dazu soll es allerdings nicht kommen, zumal die Merengues gemäß ihres Sprichworts ja keine Endspiele bestreiten, sondern sie gewinnen. Die Überzeugung vom 15. Europapokal ist bereits allgegenwärtig. „Ja, natürlich. Was soll ich jetzt sagen? Wir gehen da hin, um Zweiter in dieser Champions-League-Saison zu werden? Das ist ja Quatsch. Das habe ich auch zum Beispiel gegen City gesagt, dass es im Nachhinein völlig wurscht ist, wer Favorit und Außenseiter ist. Die Rollenverteilung, die uns fast alle zuteilen, nehmen wir an, das macht glaube ich nichts mit uns. Wir wissen trotzdem, was auf uns zukommt und dass in einem Spiel unfassbar viel Kurioses passieren kann. Aber natürlich gehen wir da hin, um das Ding mit den zwei Ohren wieder mitzunehmen. Finals haben immer einen ganz speziellen Charakter. Das ist ein Spiel, das ist Wembley, das ist Finale. Das ist einfach das, was man als Fußballer möchte. Aber da, wo es viel zu gewinnen gibt, gibt es auch immer viel zu verlieren. Ich glaube, dass es schon ein Vorteil sein kann, wenn man das schon ein paar Mal erlebt hat“, so der deutsche Nationalspieler, dem bereits der sechste Henkelpokal winkt. Mit Fran García, Aurélien Tchouaméni, Jude Bellingham, Arda Güler, Joselu und Brahim Díaz stehen lediglich sechs Real-Profis vor ihrem ersten Champions-League-Finale.

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Sehr intelligente und richtige Aussagen von Toni zum vermeintlichen Ausgleichstreffer.

Davon auszugehen, dass das a kein abseits war (es war eher abseits) und b zu unterschlagen, dass auch die Spieler „aufhören“ weiterzuspielen, ist populistischer Dünnpfiff der Bayern und der Deutschen Medienlandschaft.

Und es ist auch richtig zu sagen „diese Szene MUSS man weiterlaufen lassen“ und ja es ist dann auch der Fehler des Linienrichters und nicht des Schiedsrichters, völlig korrekt dargelegt von Toni.

Toni ist so ein geerdeter Typ - absoluter Vorzeige-Madridista.
 
Sehr überlegt und treffend formuliert. Man könnte noch ergänzen, dass man den Populisten entgegen halten könne, dass der Schiri – soweit dieser denn gezielt für Real gepfiffen hätte – das Spiel hätte längst regulär (+ 2 Minuten = nach 11 Minuten Nachspielzeit) beenden können. Stattdessen ließ er aus irgendwelchen Gründen das Spiel deutlich länger laufen als Torjubel und Überprüfung an Zeit in Anspruch nahmen. Und nur dadurch kam es zu der strittigen Entscheidung.
 
ibb.co/ZVBpL7F

Hier Toni, beide Knie der Bayernspieler im Abseits. Gerade Müller kann dies eigentlich sehr gut erkennen, aber der glotzt ja wie meistens nur auf den Ball...:D
 
Tebas hat soeben gesagt, dass mbappe spieler von real madrid wird , kommende saison.
 
Alles absolut richtig!

Ja, der Pfiff war völlig übereilt, aber auch nur WEGEN des Pfiffs entstand dieses Tor, da Lunin unter anderem aufgehört hatte zu spielen.
Ohne den Pfiff, hätten unsere Verteidiger diese ganze Aktion im Strafraum höchstwahrscheinlich verhindert bzw Lunin den Schuss gehabt.
Und die Nachspielzeit war völlig überzogen..

Aber das geht in manche Bauern Köpfe nicht rein
 
Alles absolut richtig!

Ja, der Pfiff war völlig übereilt, aber auch nur WEGEN des Pfiffs entstand dieses Tor, da Lunin unter anderem aufgehört hatte zu spielen.
Ohne den Pfiff, hätten unsere Verteidiger diese ganze Aktion im Strafraum höchstwahrscheinlich verhindert bzw Lunin den Schuss gehabt.
Und die Nachspielzeit war völlig überzogen..

Aber das geht in manche Bauern Köpfe nicht rein

Sag ich schon die ganze Zeit.
Mit dem Pfiff wurde den Bayern kein Tor genommen, der Pfiff hat denen das Tor überhaupt erst ermöglicht!
Und zum Thema Nachspielzeit erübrigt sich wirklich jeder einzelne Kommentar.
Aber das passt weder in vollkommen unreflektierte Bayern Köppe, genau so wenig wie in die deutscher Medien Mitarbeiter...............
 
Es ist halt das übliche was uns angeht. Da gibt es eine Entscheidung, die man durchaus kritisieren kann.

Weil es aber uns betrifft wird sie völlig aufgebauscht, ohne dass es dafür konkrete Gründe gibt. Als würden solche Fehlentscheidungen nicht jede Woche passieren. Bei uns ist es aber natürlich die große Weltverschwörung und sogar Rassismus (Eberl meinte sowas wie "alle hatten Lust auf ein deutsches Finale außer der polnische Schiri")

Ich bin dann ganz froh Fan eines Clubs zu sein, bei dem sich die Schiri Schelten noch im Zaun halten. Letztes Jahr haben wir z.b auch gegen City ein Tor kassiert, wo der Ball eigentlich vorher im Aus war. Bei uns war das natürlich nur eine Randnotiz.

Am Ende ist das auch glaube ich mehr der Frust der da spricht. Die möchtegern Bestia Negra wurde das 4.Mal in Folge erlegt, in der Liga hat ihnen Vizekusen den Rang abgelaufen und mittlerweile werden sie von jedem mittelmäßigen Coach gekorbt.

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