Analyse

Taktik-Analyse: Wie Real Madrid in Manchester triumphieren kann

Wenn Real Madrid und Manchester City am 7. August im Etihad Stadium die Klingen kreuzen, sind fast fünfeinhalb Monate seit dem 2:1-Erfolg der „Skyblues“ in der spanischen Hauptstadt vergangen. Ein absoluter Nimbus in der langen Königsklassen-Historie. Wie kann Real Madrid die Hinspiel-Niederlage drehen – und wie könnte Zidanes Matchplan aussehen?

771
Im Hinspiel hatte Zidane lange die Oberhand, doch am Ende jubelte Guardiola – Foto: imago images / Marca

Guter Ansatz im Hinspiel: So ist City zu knacken

MADRID. Im Hinspiel sah es lange Zeit so aus, als würde Real Madrid mit einem Vorteil ins Rückspiel gehen – Ende Februar war noch nicht absehbar, dass dieses erst im August steigen würde. Isco brachte die Königlichen nach knapp einer Stunde in Führung – und die schienen die Partie im Griff zu haben.

Dadurch, dass Real gegen ein im 4-4-2 hoch pressendes City mit Varane und Ramos die Spielauslösung breit gestaltete und sich zudem Courtois mit in den Aufbau einschaltete, entstand eine 3:2-Überzahlsituation beim Überspielen der ersten Reihe. Zudem schoben Carvajal und Mendy hoch, sodass Courtois situativ immer auch noch jeweils eine tiefere Anspielmöglichkeit auf den tornahen Außenpositionen hatte, die er per Druckpass oder Chip anspielen konnte. Sieben lange Bälle des Belgiers unterstreichen, dass dieses Konzept erst einmal aufging.

Indem vornehmlich Carvajal deutlich höher schob und somit Gabriel Jesus band, zumeist Modrić zwischen Innen- und Außenverteidiger abkippte und Isco als zusätzlicher Mittelfeldspieler die Ballseite stark machte und somit ein Durchschieben der Abwehrkette verhinderte, boten sich Real immer mehrere gute Optionen, das Spiel kontrolliert auszulösen: Ging Jesus mit Carvajal mit, war Modrić anspielbar – orientierte sich Jesus an Modrić, konnten die Königlichen Carvajal über die Zwischenstation Casemiro in Szene setzen.

Ilkay Gündogan
Am 26. Februar gewann City mit 2:1 im Bernabéu – Foto: imago images / ZUMA Press

“Extra-Spieler” im Mittelfeld als Pressing-Waffe

Zudem erlaubte Isco als „Extra-Spieler“ im Mittelfeld, dass Real jeweils zwei zentrale Anspielstationen zwischen den gegnerischen Linien hatte. Da der britische Vizemeister das Zentrum jedoch verdichtete, suchte Real vermehrt das Spiel über den Flügel. Dort band Vinícius Júnior Walker fotmals durch geschickt diagonale Laufwege im Zentrum, sodass Mendy eine Eins-gegen-Eins-Situation am Flügel gegen den defensiv schwächeren Mahrez bekam. Eine von Mendys insgesamt sechs Flanken (Top-Wert) fand Benzema, der die Führung nur knapp verpasste.

Defensiv ermöglichte der Schachzug, Isco als zusätzlichen Mittelfeldspieler aufzubieten, dass Benzema und Vinícius Citys Innenverteidiger zustellen und Isco Rodri aus dem Spiel nehmen konnte. Indem Benzema und Vinícius nicht den Fehler begingen, Ederson anzulaufen, wurde dieser zu 17 (!) langen Bällen gezwungen. Außerdem resultierte der Führungstreffer der Blancos aus einer eben solchen Pressingsituation, in der Rodri den Ball verlor, Real blitzschnell umschaltete und Isco einnetzte.

Pep kontert Zidanes Masterplan

Bitter aus Real-Sicht nur, dass Guardiola in der letzten halben Stunde reagierte. Bespielte sein Team zuvor zu einem großen Teil ausnahmslos die Räume effektiv, die das hohe Aufrücken von Mendy und Carvajal in Umschaltmomenten erlaubte, änderte Sterlings Einwechslung die komplette Statik des Spiels.

Begünstigt durch ein nicht mehr konsequentes Angriffspressing der Madrilenen verlagerte die Guardiola-Elf das Spiel zunehmend in die Hälfte der Gastgeber. Dadurch, dass Jesus ins Zentrum rückte und Sterling sowie Mahrez die Flügel besetzten, bekam De Bruyne – nun nicht mehr einer der tiefsten Zielspieler – in der Zentrale mehr Handlungsoptionen. Beim Ausgleichstreffer der Gäste war Sterlings tiefer Laufweg am Flügel entscheidend. Der Shooting-Star gab De Bruyne auf diese Weise etwas torferner mehr Platz, suchte seinen belgischen Teamkollegen mit der nötigen Überzeugung – und dessen Hereingabe landete punktgenau bei Jesus. Dass eben jener Sterling durch ein weiteres Dribbling nur kurze Zeit später den Elfmeter zum 2:1-Endstand herausholte, untermalt Peps genialen Schachzug.

Mit 102 Toren stellt City die beste Offensive Englands – Foto: imago images / PA Images

Was bedeutet das für das Rückspiel?

Wenn man das Hinspiel zugrunde legt, so hat Real Madrid gute Lösungen parat, City das Leben schwer zu machen. Gelingt es den Blancos, den kontrollierten Spielaufbau des sechsmaligen englischen Meisters durch sicherlich laufintensives, sehr gezieltes Pressing zu unterbinden und selbst blitzschnell umzuschalten, hätte dies sicher Potenzial zum „Wunder von Manchester“.

Klar sollte jedoch auch sein, dass die Guardiola-Elf das Werkzeug hat, die meisten Drucksituationen spielerisch zu lösen. Es bedarf also wieder eines Masterplans, vielleicht sogar einer neuen, von der zu erwartenden Statik abweichenden Komponente, um das Hinspielergebnis zu drehen. Zudem fehlt mit Sergio Ramos nicht nur der absolute Leader und eine Art Torgarantie, sondern eben auch ein enorm wichtiger Teil der Kontersicherung aufgrund einer Rot-Sperre. Entscheidend wird daher auch sein, ob Zidane einem Éder Militão so stark vertraut, dass er ein derartig hohes Risiko eingeht, den Konter lediglich mit dem Brasilianer und Varane zu sichern.

Ein Alternativmodell, wie man das Team aus Manchester schlagen kann, hat zuletzt aber auch der FC Arsenal geliefert: Aus einem größtenteils sogar eher tiefen Abwehrpressing heraus genügten den „Gunners“ zwei Umschaltmomente, um den Favoriten aus dem FA Cup zu werfen – und das trotz 71 Prozent Ballbesitz und 16:4 Torschüssen pro Manchester City. Durch eine fast perfekte defensive Organisation ist es Mikel Arteta gelungen, Citys Ballbesitzfußball verpuffen zu lassen. Ob diese Art Fußball zu spielen aber mit der DNA der Blancos zu vereinen ist – und ob der Kontrahent aus dem Nordwesten Englands den Königlichen angesichts des Hinspielergebnisses überhaupt derartige Umschaltmomente erlauben oder nicht einfach kontrolliert agieren wird, bleibt abzuwarten.

Das spricht für Real Madrid:

  • Der Rückenwind: Nicht einmal zwei Wochen ist es her, dass die Königlichen die 34. Meisterschaft eingetütet haben. Der Rückenwind, eine nicht nur physisch, sondern aufgrund der Corona-Pandemie auch mental äußerst strapaziösen Saison als verdienter und vor allem im Schlussspurt auch souveräner Meister beendet zu haben, sollte jede Menge Selbstvertrauen freisetzen.
  • Die aktuelle Form: In LaLiga haben die Blancos zehn der elf Spiele nach dem Restart für sich entschieden (bei einem Remis gegen Leganés am letzten Spieltag). Besonders bemerkenswert war dabei die Defensivleistung: Gerade einmal sechs Tore mussten Ramos und Co. in der finalen Saisonphase schlucken (0,55 Gegentore pro Spiel). Einziges Manko: 21 Tore (1,91 Tore pro Spiel) sind auch nicht rekordverdächtig – angesichts des eng getakteten Spielplans aber nachvollziehbar. City wiederum plagte sich zuletzt immer wieder mit starken Ergebnisschwankungen: Gala-Auftritten gegen Arsenal zum Liga-Restart (3:0), Burnley (5:0) oder Meister Liverpool (4:0) stehen zwei unnötige Niederlagen gegen Chelsea (1:2 in der Liga) und Arsenal (0:2 im FA-Cup) sowie eine unerklärliche 0:1-Pleite gegen Southampton (26:6 Torschüsse und 74 Prozent Ballbesitz pro City) gegenüber.
  • Die Erfahrung: 13 Champions-League-Titel, allein vier davon in den vergangenen sechs Jahren – das ist eine schier unfassbare Zahl. Die Blancos gelten ohne jeden Zweifel als Experten, wenn es um den Henkelpott geht. Mit Toni Kroos, Casemiro und Marcelo finden sich gleich mehrere Spieler im Kader, die bereits viermal den prestigeträchtigsten Titel im europäischen Vereinsfußball gewonnen haben. Ob das aber reicht, um trotz der Hypothek der 1:2-Heimpleite ins Viertelfinale einzuziehen?

    Das spricht für Manchester City:

    • Geballte Offensivkraft: Mit 102 Toren in 38 Ligapartien (2,68 Tore pro Spiel) sind die „Skyblues“ neben dem FC Bayern (100 Tore in 34 Spielen; 2,94 Tore pro Spiel) und dem italienischen Überraschungsteam Atalanta Bergamo (96 Tore in 36 Spielen; 2,67 Tore pro Spiel) in dieser Saison die Ballermänner der europäischen Top-Ligen. Mit Raheem Sterling (20 Saisontore), Sergio Agüero (16 Saisontore), Gabriel Jesus (14 Saisontore), Kevin De Bruyne (13 Saisontore) und Riyad Mahrez (elf Saisontore) verfügt der sechsmalige englische Meister zudem gleich über fünf Akteure, die mindestens zweistellig in der Premier League getroffen haben. Zum Vergleich: Real Madrid hat in 38 Spielen lediglich 70 Tore erzielt (1,84 Tore pro Spiel). Zweistellig trafen aber nur Karim Benzema (21 Saisontore) und Sergio Ramos (elf Saisontore). Mit gerade einmal 25 Gegentoren haben die Blancos aber auch zehn Treffer weniger kassiert.
    • Der Guardiola-Faktor: Zehn Siege in 18 Vergleichen (bei vier Remis und vier Pleiten) sprechen eine deutliche Sprache: Es gibt wohl kaum einen Trainer im Weltfußball, der die Königlichen derartig oft besiegt hat, wie Pep Guardiola. Dass der Katalane seine Spielidee auch anpassen und immer mal wieder zu überraschen vermag, hat er unter anderem im Hinspiel unter Beweis gestellt, als er die Statik des Spiels durch die Hereinnahme von Sterling änderte und aus einem City, das wenig tiefe Anspielmöglichkeiten kreierte, binnen weniger Minuten einen Gegner machte, der den Blancos mit variablem Angriffsspiel den Zahn zog.
    • Heimvorteil: Nun also doch! Lange war unklar, ob der Wettbewerb fortgesetzt und falls ja, wo die K.o.-Runde ausgetragen werden würde. Als dann feststand, dass die Viertel- und Halbfinals sowie das Endspiel in Lissabon ausgetragen wird, ließ die Entscheidung bezüglich der ausstehenden Achtelfinals auf sich warten. Anfang Juli gab die UEFA dann bekannt, dass City im heimischen Etihad Stadium spielen darf. Auch ohne Zuschauer: Vorteil City!

    Ohne Ramos wird sich zeigen, ob die beste Defensive in Europas Top-Ligen diesen Titel verdient hat. Aber nicht nur auf die Defensive wird es ankommen, müssen die Blancos früh auf zwei Tore gehen: Ein 1:0-Sieg wäre nicht genug, bei einem 2:0 oder 3:1 wäre man weiter, mit einem 2:1 würde es in die Verlängerung gehen. Auch mit Sergio Agüeros Ausfall und Benjamin Mendys Sperre mag City mehr Vorteile in der Hand haben, aber wenn jemand weiß, wie man eine Runde in der Champions League dreht, dann doch wohl Real Madrid.

    REAL MADRID LIVE: Jetzt Gratis-Probemonat bei DAZN abschließen

      0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes
      Kommentare
      Kurz mal zwei Fragen die nichts mit der Analyse zutun haben:

      Sollten nicht am Samstag die neuen Trikots vorgestellt werden?

      Und könnte mal unter "Verein" die Mannschaft aktualisiert werden?
       
      Pep wird variabel reagieren, Zidane darf sich einen Offensivplan überlegen, das wird sehr spannend. Bisher glänzen wir durch Verteidigung, Offensiv kommt seit Jahren nur wenig rum, allerdings dürfte die nicht so herausragende Defensive beim Gegner Chancen ermöglichen.
       
      Bin auch sehr gespannt, welchen Masterplan Zizou für das Spiel parat hält.

      Ich glaube man könnte Man City besiegen, indem man auf Konter Fußball spielt und Man City kommen lässt. Hätte zwar zur Folge, dass Man City mehr Ballbesitz haben wird, solange man aber defensiv gut steht und man offensiv schnelle und treffsichere Spieler einsetzt (Vini wegen seiner Schnelligkeit, Benzema und Asensio wegen deren guten Abschlüssen). Je nach dem, wie fit Hazard bis zum Spiel wird, könnte er entweder Vini oder Asensio ersetzen.

      Für das Gegenpressing sollte auf jeden Fall Valverde eingesetzt werden, weil er schnell und agressiv in die Zweikämpfe gehen kann, was für das Konterspiel wichtig ist, um den Gegner zu Fehlpässen zu zwingen.

      Egal wie, wir müssen gewinnen und uns für die nächste Runde qualifizieren!
       
      Hi! Zwecks Trikots sind wir auch noch verwundert - uns wurde der Samstag genannt.

      Die Mannschaftsseite steht schon länger auf unserer To-Do-Liste, aber "leider" sehr weit unten, auch Corona-bedingt, sorry!

      Kurz mal zwei Fragen die nichts mit der Analyse zutun haben:

      Sollten nicht am Samstag die neuen Trikots vorgestellt werden?

      Und könnte mal unter "Verein" die Mannschaft aktualisiert werden?
       
      Wird sicher sehr schwierig gerade weil wir uns schwer tuen Tore zu schießen.
      Es reicht eben keine Defensiv gut aufgestelltes 1:0, nein man muss hier schon etwas mehr tuen.
      Allerdings Pep und CL mit City war ja bisher keine so gute Geschichte.
      Das Asensio sich immer etwas gesteigert hat die letzten Spiele, einen gute Abschluss hat und wie es auf mich gewirkt hat sich gut mit Benz ergänzt, da er in die Mitte zieht wenn dieser auf links ausweicht macht schon etwas Hoffnung.
      Thema Hazard/Vini wird schwierig, ersterer hat nicht gerade viel gezeigt diese Saison, allerdings wissen alle zu was er fähig sein kann.

      Das fehlen von Ramos ist für mich das größte Thema. Nicht nur weil er ein weltklasse Verteidiger ist, sonder der Leader der immer denSieg will und die ganze Mannschaft mitzieht
       
      Mir unverständlich wie Carvajal in den Zweikampf da am Ende des Spiels geht - könnte uns das Viertelfinale gekostet haben. Ich habe immer mal wieder das Gefühl, dass Dani sich in solchen Momenten nicht 100% im Griff hat und dass so etwas einem Varane oder Mendy nicht passieren würde.
       
      Ich würde mir gerne ein 4-2-2 mit Jovic und Benz im Sturm und im Mittelfeld Case & Kroos außen mit Hazard und Asensio wünschen. Wird aber nicht passieren
       

      Verwandte Artikel

      Reals Titel-Fundament: Warum die Defensive den Unterschied macht

      Real Madrid brennt in dieser Saison (noch) kein Offensivspektakel ab. Doch während...

      Trotz García-Aufschwung: Real muss einen Linksverteidiger holen

      Die bisherigen Auftritte von Real Madrid bei der FIFA Klub-WM haben einige...

      Güler blüht auf: Wie Alonso den Spielmacher der Zukunft formt

      Real Madrids 1:0-Erfolg über Juventus Turin im Achtelfinale der Klub-WM war kein...

      Klub-Überblick: Basketballer historisch, Blancas vor Umbruch

      Real Madrid besteht aus mehr als nur den Profis der ersten Fußball-Mannschaft....