Interview

WM-Boykott? Toni Kroos verteidigt Profis und glaubt an Super League

Toni Kroos schwärmt in einem Podcast von OMR, einer Plattform für Online-Marketing-Macher, von Real Madrids Präsident Florentino Pérez und seinem langjährigen Mitspieler Cristiano Ronaldo. Der Mittelfeldstratege geht davon aus, dass die Super League früher oder später noch Wirklichkeit wird, seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft bereut er nach wie vor keineswegs. Kritik an Profis, die das WM-Turnier in Katar nicht boykottieren, gefällt dem 32-Jährigen nicht.

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Toni Kroos Real Madrid
Kroos erlebt bei Real Madrid seine neunte Saison – Foto: IMAGO / Just Pictures

Florentino Pérez „ist ein herzensguter Mensch“

TONI KROOS über…

…seinen Wechsel zu Real Madrid im Jahr 2014: „Es war die beste Entscheidung, das Beste, was ich tun konnte. Sportlich und privat war es ein riesen Schritt, ich war 24, hatte ein Kind. Du sprichst die Sprache nicht, kommst aber nicht bei einem Verein an, wo es dann weitergeht, wenn das erste halbe Jahr nicht so läuft. Du kommst bei dem größten Verein der Welt an und musst eigentlich fast direkt funktionieren. Das heißt: Privat musst du alles organisieren und gleichzeitig vom ersten Tag an auf dem Platz voll da sein, als wenn du schon zehn Jahre da wärst. Das hat Gott sei dank gut geklappt. Unter dem Strich war es das Beste, was mir passieren konnte.“

…Florentino Pérez: „Ich habe zu ihm eine totale Nähe, er ist ein herzensguter Mensch. Manchmal kann das natürlich ein bisschen täuschen, in so einer Position triffst du auch harte Entscheidungen. Er ist gleichzeitig in der Baubranche, wirtschaftlich sehr unterwegs. Trotzdem hat er, und das vom ersten Tag an, mir sowas von das Gefühl gegeben, wie glücklich er ist, dass ich zu seinem Verein gekommen bin, was bei der Größe des Vereins ja ungewöhnlich ist. Du hast dort so viele Weltklasse-Spieler, die einen kommen, die anderen gehen. Dann verkaufst du den Nächsten für viel Geld. Ich bin jetzt acht Jahre bei Real Madrid und da war vom ersten Tag an eine Wärme da. Ich weiß, dass er in den acht Jahren nicht eine Sekunde daran gedacht hat, mich vielleicht irgendwann mal wieder zu verkaufen, wenn es sich wirtschaftlich lohnt oder praktisch ist. Ich kam damals für ‚nur‘ 25 Millionen Euro, das wäre zwischendurch mit Sicherheit mal möglich gewesen, mich für mehr wieder zu verkaufen. Er gibt mir einfach das Gefühl, dass er unfassbar glücklich ist, dass ich dort bin. Ich habe mit dem Verein an sich ein überragendes Verhältnis, er ist mir sehr ans Herz gewachsen. Er, Mannschaft, Fans, sodass ich da auch nicht mehr weggehe.“

Toni Kroos Florentino Perez Real Madrid
Kroos mag Pérez, Pérez mag Kroos – Foto: IMAGO / Shutterstock / Sven Simon

Toni Kroos: „Glaube, dass die Super League kommt“

…den speziell von Pérez verfolgten Plan einer Super League: „Ich sage mal so: Widerspreche nie deinem eigenen Präsidenten (lacht)! Ich bin genauso wie alle anderen nur vor den Kulissen. Es ist offensichtlich, dass es die Idee gab und gibt. Es sollte schon längst laufen und ich glaube, dass es a) noch ein bisschen dauert und b) ich es aktiv wahrscheinlich gar nicht mehr erleben werde. Meine Meinung dazu: Ich glaube trotzdem, dass sie kommt. Ich kann aber nicht sagen, wann. In irgendeiner Form zumindest, vielleicht ein bisschen umgeändert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie in irgendeiner Form kommt.“

…die Meinung, wonach die Premier League besser als alle anderen europäischen Ligen sei: „An der Breite von Top-Teams kann man es vielleicht so sagen, aber ich tue mich schwer. Die Premier League hat dieses Jahr keinen internationalen Titel gewonnen. In der absoluten Spitze glaube ich, dass Deutschland und Spanien da absolut mithalten. Ich sehe das nicht ganz so dramatisch, dass die Premier League alles abhängt. Wirtschaftlich tut sie das vielleicht und es ist total wichtig, aber Gott sei dank nicht nur. Die Fernsehgelder sind in England ja schon seit Jahren deutlich höher und trotzdem hat es bisher ja nicht dazu geführt, dass von den englischen Teams einfach alles abgeschossen wurde. Und das ist ein gutes Zeichen, dass auch noch ganz viel darauf ankommt: Wie ist die Ausbildung? Wie ist die Name von dem Verein? Real, Barcelona – die Namen werden nie klein werden, auf gar keinen Fall. Gott sei dank ist es auch so, dass nicht jeder Spieler auf das Gehalt guckt, sondern auch darauf, viel zu gewinnen und sich weiterzuentwickeln.“

Toni Kroos schwärmt von Cristiano Ronaldo: „Arbeitstier“

…Cristiano Ronaldo: „Ich kann sagen, dass so viel Arbeit von ihm dahintersteckt, die er investiert hat, um auch so gut zu sein. Das eine ist, dass du am Wochenende siehst, wie er Fußball spielt, dass er mit dem Ferrari nach Hause fährt und auf dem riesen Plakat ist auf dem Weg nach Hause. Was du nicht siehst: Was er tagtäglich dafür investiert, immer um besser zu werden, so zu bleiben. Schaut ihn euch an, er ist 37 Jahre alt. Nicht nur, wie er aussieht, wie er spielt, wie fit er ist, wie viel er da jeden Tag in der Woche investiert – ob im Trainingsplatz, ob im Kraftraum, ob Zuhause, ob es die Ernährung ist. Der ist nicht da hingekommen, weil er Cristiano Ronaldo heißt, sondern weil er unfassbar viel investiert. Das ist ein absolutes Arbeitstier und nur so kommst du da hin.“

…seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft im Sommer 2021: „Wenn ich das erste Jahr nach Nationalmannschaft sehe, wie ich auch hinten raus in einem Champions-League-Finale noch topfit war, gibt mir das recht, diese Entscheidung damals so getroffen zu haben.“

Katar-WM „auf Rücken der Spieler auszutragen, ist zu einfach“

…die kritisierte Austragung der WM 2022 in Katar: „Natürlich kann man sagen: Die Spieler sollen mal ihre Meinung zu sagen. Ich finde es aber schwer, so ein Thema wie Katar auf dem Rücken der Spieler auszutragen, weil die haben alles, aber nicht die WM nach Katar gegeben. Ich bin der Nationalspieler und habe Bock, eine WM zu spielen. Wo sie die hingeben, ist nicht in meinem Ermessenskreis. Jetzt kann ich sagen: Ich bin der eine, der sagt, aufgrund der Situation dort boykottiere ich sie. Okay, was passiert? Die WM findet trotzdem statt und eine WM ist alle vier Jahre. Das heißt: Wie viele Chancen hast du als Spieler, Weltmeister zu werden? Im Idealfall vielleicht drei. Dann musst du aber eine überragende Karriere hinlegen, dass du auf zwölf Jahre verteilt drei Weltmeisterschaften spielst. Der Fehler mit der WM in Katar wurde vor zehn Jahre gemacht. Das auf dem Rücken der Spieler auszutragen, nur weil einer diese WM trotzdem spielt, ist mir zu einfach.“

…Ex-Real-Profis, die in die USA wechseln: „Erfolgreicher als in Madrid wirst du nicht mehr, mehr Geld verdienst du in den USA auch nicht. Den Anreiz USA sehe ich nicht. Dort mal zu leben, Städte zu besuchen, Urlaub zu machen – ja. Aber wenn du in Madrid zehn Jahre erfolgreich Fußball gespielt hast, kann mir keiner erzählen, dass er sagt: So, und jetzt noch mal in den USA richtig angreifen! Ich kann das nicht nachvollziehen. So wird es keinem gehen, der lange in Madrid gespielt hat, dass er nur des Geldes wegen in die USA geht. Das Niveau ist niedriger, wahrscheinlich auch der finanzielle Aspekt. Für mich ist es keine Option, in den USA Fußball zu spielen.“

…Spieler, die nach seiner Ansicht das Potential für Real haben: „Ich müsste mir einen besseren Überblick machen, ich schaue relativ wenig Bundesliga für ein faires Urteil. Wir haben aber gute Jungs, von Florian Wirtz von Bayer Leverkusen halte ich viel. Ich glaube, dass es gut etwas werden kann. Jetzt hat er aktuell einen Kreuzbandriss, wo man gucken muss, wie er zurückkommt. In Madrid haben wir Federico Valverde, Eduardo Camavinga, die schon eine richtig gute Rolle bei uns spielen und auf jeden Fall Spieler sind, die die nächsten Jahrzehnte prägen werden.“

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Einfach ein sympathischer Typ, auch wenn mir die Dauerwerbesendung um seine Person hier drin manchmal zu viel ist, macht es immer Spaß,Interviews von ihm zu lesen. Immer intelligent und bodenständig.
Jetzt, wo man einen direkterem Fußball spielt, kann ich mich mit seinem Spielstil auch eher anfreunden. In Wahrheit macht er seit jeher das, was von ihm verlangt wird und von mir persönlich hat er sicher oft zu unrecht Kritik einstecken müssen, die eigentlich an Zidane bzw. dem jeweiligen Trainer gerichtet war. Dass der „Zidane-Ball“ ein total fader auf Sicherheit bedachter Fußball war, dafür konnte er nicht, war aber natürlich eine leichte Angriffsfläche, weil er für diesen Fußball wie gemacht ist.
 
Ich bin froh das wir Toni haben der in meinen Augen zusammen mit Matthäus und Schweini die besten deutschen Mittelfeldspieler aller Zeiten sind . Ich gönne dir noch so sehr die copa Toni der einzige Titel der dir noch fehlt im weißen Trikot
 
Sehr gutes Interview, nur seine Aussagen zur WM in Katar kann ich nicht teilen. Da macht es sich der Toni zu einfach.

Klar haben die Spieler keinen Einfluss auf den Austragungsort, dennoch bleiben sie die Hauptprotagonisten. Sie könnten das mit Abstand wirksamste Zeichen setzen, wenn sie die WM boykottieren würden. Die Spieler sind doch der Grund, weshalb wir alle einschalten.

Bei seiner Argumentation verrennt er sich auch ein wenig, vor allem in dem Punkt, dass eine WM ja nur alle vier Jahre stattfindet. Ich kann zwar verstehen, dass eine WM Teilnahme für viele Spieler eine einmalige Gelegenheit ist, die sich vielleicht in Zukunft nicht mehr ergibt. Mit diesem Argument begibt er sich jedoch in eine Abwägung, die immer zu lasten der Spieler ausgehen müsste, da man diese sportlichen (Individual-)Ambitionen nicht gegen das gesamte Unrecht, das in Katar passiert, abwägen kann. Es ist der Versuch einer Rechtfertigung, die es niemals geben kann, wenn tatsächlich so viele Bauarbeiter unter den fragwürdigen Arbeitsbedingungen ums Leben gekommen sind.
 
Ich bin froh das wir Toni haben der in meinen Augen zusammen mit Matthäus und Schweini die besten deutschen Mittelfeldspieler aller Zeiten sind . Ich gönne dir noch so sehr die copa Toni der einzige Titel der dir noch fehlt im weißen Trikot

Was Toni Kross von den anderen beiden klar unterscheidet : Er hat Hirn
 

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