Analyse

Trotz García-Aufschwung: Real muss einen Linksverteidiger holen

Die bisherigen Auftritte von Real Madrid bei der FIFA Klub-WM haben einige Gewinner hervorgebracht, zu denen zweifellos auch Fran García gehört. Unter Neutrainer Xabi Alonso blüht der Linksverteidiger regelrecht auf, fühlt sich im neuen System sichtlich wohl. Haben die Königlichen im ehemaligen Canterano womöglich eine langfristige Lösung für die in der Vorsaison sehr problematische Position gefunden?

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Fran García überzeugt von Spiel zu Spiel mehr – Foto: Francois Nel/Getty Images

García dank Alonso wie ein Neuzugang

Lange waren die Dinge hinten links bei Real Madrid fest zementiert: Schon vor dem Abgang von Marcelo im Sommer 2022 vertraute Carlo Ancelotti vordergründig auf Ferland Mendys Defensivkünste und auf der linken Außenbahn herrschte eine klare Rollenverteilung. Während der Franzose sich in der Regel beinahe ausschließlich um die Defensive kümmerte und offensiv kaum Impulse setzte, beanspruchte spätestens ab der Mittellinie Vinícius Júnior den linken Flügel komplett für sich. Erst in der abgelaufenen Saison kam Fran García mehr und mehr zum Einsatz, da Ancelotti eine Art Jobsharing zwischen den beiden Linksverteidigern etabliert hatte – teilweise gezwungenermaßen, da Mendy immer wieder verletzungsbedingt ausfiel. Der offensivere García kam über gute Ansätze allerdings nicht hinaus, immer wieder brachte er defensiv Unsicherheiten mit, insbesondere gegen Kopfballstarke Gegner oder in engen Pressing‑Momenten, agierte häufig zu zögerlich, manchmal auch passiv bei Eins‑gegen‑eins-Defensivsituationen. Offensiv klappte das Zusammenspiel mit Vinícius auch eher selten.

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Seit Beginn der Klub-WM präsentiert sich der 25-Jährige jedoch plötzlich in einem ganz anderen, neuen Licht. Xabi Alonso nutzt den ehemaligen Canterano als essentielle Breitenoption im 3‑4‑1‑2-System, gibt ihm offensiv große Freiheiten und vor allen Dingen viel mehr Relevanz für das Spielsystem, als es noch unter Ancelotti der Fall war. Ein Spielsystem, das einerseits Garcías defensive Schwächen, vor allem gelegentliche Positionierungsprobleme nach Ballverlusten und bei gegnerischen Umschaltsituationen, durch die Absicherung von Dean Huijsen und/oder Aurélien Tchouaméni erfolgreich kaschiert, und auf der anderen Seite seine Stärken enorm fördert. So präsentiert der Spanier, der zu den schnellsten LaLiga-Spielern gehört (bis zu 36,5 km/h) in den USA so dynamisch wie noch nie, glänzt durch aggressive Offensivläufe, ist im Spielaufbau fast immer anspielbar und dabei sehr passsicher, sowohl im Kurzpassspiel als auch bei langen Bällen. Unter Alonso hat Garcías Selbstvertrauen sichtbar einen enormen Sprung gemacht, denn von der Unsicherheit und Zögerlichkeit aus der abgelaufenen Spielzeit ist nichts mehr zu sehen. Im Viertelfinalduell gegen Borussia Dortmund wurde der Linksverteidiger, der nicht nur ein Tor erzielte, sondern auch noch eine Großchance herausspielte und einen Key-Pass lieferte, schließlich offiziell zum Man of the Match gekürt. Der ehemalige Rayo-Spieler scheint für Xabi Alonsos Spielidee prädestiniert zu sein.

Alonso wollte García schon 2023

Und das kommt nicht von ungefähr, denn bereits vor über zwei Jahren wäre es beinahe zur Zusammenarbeit zwischen den beiden gekommen. Als Trainer von Bayer Leverkusen wollte Alonso im Januar 2023 den damaligen Linksverteidiger von Rayo Vallecano unbedingt verpflichten und eigentlich waren sich alle Beteiligten grundsätzlich einig, doch Real Madrid vereitelte den Deal. Die Königlichen zogen ihre Kaufoption in Höhe von 5 Millionen Euro auf das Eigengewächs, verliehen García aber direkt wieder an Rayo , ehe er im Sommer 2023 dann zu seinem Ausbildungsverein zurückkehrte. Der Canterano war 2021 von Real nach Vallecas gewechselt.

Stattdessen verpflichtete Leverkusen wenige Monate später Alejandro Grimaldo von Benfica Lissabon, der an der historischen Double-Saison der Werkself einen entscheidenden Anteil hatte. Doch auch Fran García erging es derweil nicht schlecht, denn mit den Blancos gewann er nach seiner Rückkehr nicht nur die spanische Meisterschaft, sondern auch die Champions League. Benfica wiederum ersetzte Grimaldo durch Álvaro Carreras – ebenfalls ein ehemaliger Canterano, den Manchester United an den FC Granada verliehen hatte, bevor er 2024 in die portugiesische Hauptstadt wechselte.

Carreras wird kommen

Mit Benficas aktuellem Linksverteidiger scheint sich inzwischen ein Kreis zu schließen, denn kurz nach Saisonende bekundete Real Madrid großes Interesse am 22-Jährigen, der von 2017 und 2020 bei den Königlichen ausgebildet wurde, ist sich mit dem Spieler auch unlängst einig – nicht jedoch mit dessen Klub. Benfica erweist sich als schwieriger Verhandlungspartner, hat sich bis dato nicht auf ein Transfergeschäft eingelassen. Es wird allerdings erwartet, dass der Wechsel im Juli über die Bühne geht. Die Königlichen wollen dann offenbar von der vertraglich festgeschriebenen Ablösesumme Gebrauch machen, die 50 Millionen Euro betragen soll. Bisher hatten sie stets versucht, weniger zahlen zu müssen, den Preis zu drücken – erfolglos.

Carreras kann sowohl als klassischer Außenverteidiger als auch als invertierender Wing-Back eingesetzt werden – eine Stärke, die Trainer wie Xabi Alonso bekanntlich sehr schätzen. Bei Benfica agiert er als Teil einer Viererkette und könnte unter anderem auch mit seiner Größe (1,86 Meter) für Xabi Alonso, der bereits beim Turnier in den Vereinigten Staaten während der Partien von einer Dreier- auf die Viererreihe umstellte, eine zusätzliche taktische Option darstellen. Obwohl der Bedarf auf der Position nach Fran Garcías überzeugenden Auftritten nicht mehr akut zu sein scheint, wird der Transfer aller Voraussicht nach über die Bühne gehen, zumal man sich mit dem Spieler grundsätzlich einig ist.

Für Mendy wird es schwer

Sollte Real mit Carreras ein weiteres ehemaliges Eigengewächs verpflichten, wird vor allem einer schlechte Karten im Hinblick auf die kommende Saison haben – Ferland Mendy. Der 30 Jahre alte Franzose, der seit Ende April verletzungsbedingt ausfällt und gar nicht erst in die USA mitgereist ist, besitzt zwar noch einen Vertrag bis Sommer 2028, passt mit seinem Profil jedoch kaum in Alonsos Schema. Mendy verkörpert in erster Linie den klassischen „Absicherer“ auf der linken Seite, der von seiner körperlichen Robustheit, taktischen Disziplin und defensiven Stabilität lebt. Mendy ist kein Flankengeber, zieht selten bis zur Grundlinie durch, seine Offensivläufe sind selten und noch seltener kreativ – alles Attribute, die für einen Alonso-Außenverteidiger unabdingbar sind. Bedenkt man noch seine enorme Verletzungsanfälligkeit, erscheint die Zukunft an der Concha Espina für den zweifachen Champions-League-Sieger äußerst unsicher und fraglich. Alleine deshalb muss der spanische Rekordmeister auf dem Transfermarkt tätig werden, denn nur ein stark verbesserter Fran García wird auf Dauer nicht ausreichen.

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Kommentare
Wir werden den Carreras Transfer nicht verhindern können, wenn man zudem sieht was Xabi aus Fran herausholt, lege ich meine Skepsis bzgl. Carreras für den Augenblick zur Seite und verlasse mich auf Alonsos Expertise. Er wird schon wissen was der Spieler uns gutes bringen kann. Einen zweiten, zuverlässigen LV benötigt es in jedem Fall.
 
Ob Carreras jetzt das mega Upgrade ist, bezweifle ich irgendwie. Für mich sind die 50 Mio. zu viel und der Unterschied zu gering. Camavinga wäre vielleicht eine Option. Das ZM ist halt schon fast überbesetzt, wenn wir im 3:5:2 spielen sollten.
 
Ein Álvaro Carreras sollte verpflichtet werden. Habe mir einige Spiele von Benfica Lissabon angeschaut bei denen er mitgewirkt hat. Er hat einen sehr feinen Fuß und kann sehr gut antizipieren. Er wäre mit Sicherheit eine wertvolle Verstärkung. Bin gespannt ob der Transfer realisiert wird. Wichtig für Alonso-Ball sind spielstarke Schienenspieler, die sehr passsicher sind und auch Ideen einbringen können. Mendy ist leider sehr verletzungsanfällig und sollte daher auch weichen, wir sollten mit Fran und Álvaro in die neue Saison gehen.
 
Wer Garcías Leistungen schon zuvor sachlich und neutral analysiert hat, konnte längst erkennen, dass in ihm mehr steckt, als ihm oft zugetraut wird. Die Kritik an seinen früheren Auftritten greift zu kurz und auch der direkte Vergleich zur aktuellen Form ist verzerrt. Fran war defensiv nie so schwach, wie manche behaupten. Warum sonst konnte Lamine Yamal im Clásico kaum Akzente setzen? Fran hielt ihn weitgehend in Schach ebenso wie zuvor andere Gegenspieler. Er hat das Potenzial für starke Leistungen immer schon angedeutet.

Das Problem war weniger seine Qualität als die Umstände. Unter Ancelotti war das Spiel nicht auf seine Stärken ausgelegt. Die Mannschaft agierte kaum kollektiv, die Mitspieler ignorierten seine Läufe, ließen ihn in der Vorwärtsbewegung regelmäßig im Stich und gaben ihm selten Rückendeckung. Vini ignorierte ihn im Angriffsspiel und ließ ihn in der Defensive zusätzlich allein. So sah seine Leistung schwächer aus, als sie tatsächlich war. Dabei ist Fran ein enorm lauffreudiger Spieler, mit einem ordentlichen Grundtempo, der in einem funktionierenden System genau das gibt, was ein moderner Außenverteidiger bringen muss. Nein, er ist aktuell nicht der beste LV der Welt, aber er gehört auch keinesfalls zu denen, die sich verstecken müssten.

Natürlich braucht Real auf dieser Position perspektivisch Verstärkung. Aber das reflexhafte Kleinreden junger Eigengewächse während man gleichzeitig jeden teuren Neuzugang trotz teils gravierender Schwächen weiter hochjubelt ist traurig. Dasselbe Spiel sehen wir bei Asencio. Er hat in einer schwierigen Phase mehr geliefert, als man erwarten konnte. Jetzt macht er im neuen System zwei Fehler und sofort wird er degradiert, während ein Rüdiger aktuell durchgängig wackelt und Huijsen mit einem naiven Foul davonkommt. Der Maßstab ist offensichtlich nicht derselbe.

Xabi Alonso scheint das zu erkennen, was viele Fans noch nicht sehen wollen. Spieler wie Fran oder Gonzalo sind eben nicht nur Kaderfüller, sondern Entwicklungsspieler mit ernsthaftem Potenzial. Dafür brauchen sie Spielzeit, Vertrauen und auch die Möglichkeit, Fehler zu machen. Wer ihnen das abspricht, bevor die Entwicklung überhaupt begonnen hat, versteht nichts von langfristiger Kaderplanung.
 

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