
1. Kampf auf den Flügeln: Viní vs. TAA und Valverde vs. Robo
Eine besonders spannende Konstellation ergibt sich auf dem Flügel, wo mit Trent Alexander-Arnold Liverpools bester Chancenkreierer auf Vinícius Júnior, Reals besten Umschaltspieler, trifft. Bereits beim Aufeinandertreffen beider Teams im Viertelfinale 2021 erwies sich dieses Duell als Schlüsselduell, als Vinícius zweimal den Raum hinter dem aufgerückten Alexander-Arnold perfekt ausnutzte und so zwei Treffer erzielen konnte. Auch diesmal ist davon auszugehen, dass die Königlichen versuchen werden, im Umschaltspiel die Räume hinter den hoch stehenden Außenverteidigern zu bespielen und so zu Torchancen zu kommen. Dies gilt für Vinícius ebenso wie für Federico Valverde, der (vermutlich als Rechtsaußen im 4-3-3) mit Andrew Robertson auf einen nicht minder offensivfreudigen Außenverteidiger als Gegenspieler trifft. Andersherum wartet auf Reals Flügelzange auch jede Menge Defensivarbeit, schließlich gilt es den Offensivdrang der verkappten Spielmacher Liverpools so gut es geht einzudämmen. Vor allem auf Vinícius wartet dabei eine große Herausforderung, neigt Alexander-Arnold doch immer wieder dazu, ins Zentrum einzurücken und insbesondere mit seinen Halbfeldflanken für große Gefahr zu sorgen. Robertson ist im Spielaufbau zwar nicht ganz so stark involviert, rückt aber immer wieder bis in den gegnerischen Strafraum auf, weshalb ein konsequentes Zurückarbeiten Valverdes unabdingbar sein wird. Die Zuschauer dürfen sich also vor allem auf eines gefasst machen: hochintensive und packende Duelle auf den Flügeln – und zwar in beide Richtungen.
2. Wer kontrolliert diesmal das Mittelfeld?
Im Anschluss an das Finale 2018 blieb aus Liverpool-Sicht vor allem ein Satz von Jürgen Klopp hängen, in dem dieser sinngemäß sagte, dass Casemiro, Kroos, Modrić und der damals noch gesetzte Isco den „Reds“ gar nicht die Möglichkeit gegeben hätten, überhaupt einmal an den Ball zu kommen und man so hauptsächlich mit Hinterherlaufen beschäftigt gewesen wäre. Kontrolle über Ball, Zeit und Raum als königliches Erfolgsrezept – eines, das auch vier Jahre später noch Gültigkeit besitzt? Diesmal sind die Vorzeichen freilich andere. Während die Königlichen der Raute mittlerweile abgeschworen haben, das extreme Ballbesitzspiel phasenweise zugunsten eines schnellen Umschaltspiels (bewusst) zurückgefahren wird und auch die Pressingresistenz früherer Jahre merklich gelitten hat, hat sich auch die Statik im Spiel Liverpools verändert. Mit Fabinho und Thiago (wenngleich fraglich für das Finale) verfügt der englische Vizemeister mittlerweile auch über Akteure, die ein Spiel an sich reißen und kontrollieren können. Durch den einrückenden Alexander-Arnold sowie phasenweise abkippende Mittelstürmer sorgen die „Reds“ immer wieder für Überladungen im Zentrum, um mit den bereits angesprochenen Flanken aus dem Halbfeld oder gezielten Bällen hinter die Kette für permanente Gefahrenmomente zu sorgen. Und dann ist da ja immer noch das weiterhin außergewöhnliche Gegenpressing der Briten, das dem Gegner kaum Platz zum Atmen gibt. Die phasenweise großen Probleme gegen das intensive Pressing von PSG (Hinspiel), Chelsea (Rückspiel) und City (Hinspiel) im Hinterkopf, wird es spannend zu beobachten sein, welche Lösungen Kroos und Co. diesmal finden können, um die Spielkontrolle an sich zu reißen. Eines ist klar: Gegen diese neue Version von Liverpool wird auf jeden Fall nochmals eine (womöglich letzte) Masterclass der Altmeister vonnöten sein.
3. Benzema oder Salah – wer drückt dem Finale seinen Stempel auf?
Karim Benzema gilt mittlerweile als der große Favorit auf den Ballon d’Or für diese Spielzeit. Streitig machen kann ihm diesen Titel eigentlich – so die gängige Meinung – nur noch ein Spieler, der auch noch zufälligerweise auf der Gegenseite im Finale auflaufen wird: Mohamed Salah. Während Reals Lebensversicherung wettbewerbsübergreifend bei 44 Toren und 15 Vorlagen in 45 Spielen steht (alle 65 Minuten eine Torbeteiligung), kommt der Ägypter auf 31 Treffer und 16 Assists in 50 Pflichtspielen (alle 83 Minuten eine Torbeteiligung). Ob es einem der Stürmerstars gelingt, dem Endspiel ihren ganz persönlichen entscheidenden Stempel aufzudrücken? Salah, der aufgrund der Vorgeschichte des Finals 2018 offensichtlich noch eine ganz persönliche Rechnung mit Real offen hat, trifft dabei mit Ferland Mendy auf einen Gegenspieler, der aufgrund seiner Zweikampfstärke und Geschwindigkeit prädestiniert scheint, um den Ägypter erfolgreich einzubremsen. Aufgrund Salahs Umtriebigkeit und dem immer wieder antreibenden Robertson wird Mendy aber entsprechende Unterstützung von Vinícius sowie adäquate Absicherung von Alaba benötigen. Denn klar ist: Lässt man Salah einmal von der Leine, wird es unangenehm. Auf der Gegenseite wird man sich im Lager der „Reds“ nicht weniger den Kopf zerbrechen, wie man die Kreise von Benzema eindämmen kann. Virgil Van Dijk und Ibrahima Konaté werden immer wieder abwägen müssen, inwiefern sie die Ausweichbewegungen des Franzosen mitgehen, und so das Öffnen von Räumen hinter der Kette riskieren, in die Vinícius oder Valverde hineinstoßen können. Und ist da natürlich noch das Thema Boxverteidigung zu beachten, ist Reals Nummer 9 doch ein Meister darin, sich im Rücken der Verteidiger davonzuschleichen und eiskalt zuzuschlagen – PSG, Chelsea und City können ein Lied davon singen aufgrund zehn (!) K.o.-Phasen-Toren.
4. Courtois vs. Allison – entscheidet der Torwart das Finale?
Auch auf den Torhüterpositionen hat sich im Vergleich zu 2018 einiges getan: Keylor Navas und Final-Pechvogel Loris Karius sind Geschichte, mittlerweile hüten Thibaut Courtois und Allison Becker die Gehäuse der beiden Top-Klubs. Dass beide Schlussmänner aktuell zu den Top-5 der Welt zählen, ist unbestritten. Beide Torhüter haben eine überragende Saison hinter sich, befinden sich auch statistisch auf ähnlichem Niveau: Während Allison mit 0,67 Gegentoren pro Partie die bessere Quote gegenüber Courtois (0,81) aufweist, hat der Belgier in puncto Überperformance bei den erwarteten Gegentoren (xG against) leicht die Nase vorn: 29 Gegentore bei 34 „erwartbaren“ Gegentoren (+5) im Vergleich zu 24 Gegentreffern bei 28 „erwartbaren“ Gegentreffern (+4). Während Courtois in dieser Spielzeit vor allem als „Shot-Stopper“ auf der Linie überzeugte und im Spielaufbau enorm zugelegt hat, rettete Allison seinem Team durch seine überragenden Fähigkeiten im Eins-gegen-Eins den einen oder anderen Punkt. Dass der Torwart am Ende der entscheidende Faktor im Finale sein kann, mussten die „Reds“ vor vier Jahren auf schmerzlichste Art und Weise erfahren – dieses Jahr könnte das Pendel jedoch in die andere Richtung ausschlagen. Sofern ein gewisser Courtois da nichts dagegen hat.
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