
Man könnte meinen, Zinédine Zidane sei müde von all den Henkelpokalen gewesen. Nachdem der Franzose am 11. März 2019 auf den Trainerstuhl des zu jener Zeit am Boden liegenden Real Madrids zurückgekehrt war, machte er am 24. April 2019 ganz deutlich klar, welcher Wettbewerb für ihn nun erst einmal Priorität haben wird. „Nächstes Jahr steht die Liga für mich und die Spieler an erster Stelle, so viel steht fest“, sagte „Zizou“, der zwischen 2016 und 2018 dreimal in Serie die UEFA Champions League abgeräumt hatte.
Das also schon weit vor der Saison ausgerufene Ziel hat Real jetzt erreicht. Nach zuletzt neun Erfolgen am Stück folgte am Donnerstagabend mit dem 2:1 gegen den FC Villarreal und dem daraus resultierenden Titelgewinn das I-Tüpfelchen.
Eigentlich gibt es daran nichts zu beanstanden, wenn der letzte Liga-Triumph schon drei Jahre zurücklag. Davor wiederum war Real satte fünf Jahre lang leer ausgegangen. Wenn man dennoch das Haar in der Suppe suchen möchte, könnte man behaupten: Diesen Titel hätte man eigentlich schon vor dem 37. Spieltag einfahren müssen. Real hatte es in dieser Saison als Widersacher nämlich mit einem FC Barcelona der besonders schwachen Art zu tun – obwohl Lionel Messi dort noch immer seine Magie versprüht.
Vereinspolitisch rissen die negativen Schlagzeilen kaum noch ab, unter Präsident Josep Bartomeu jagte und jagt eine Krise die nächste. Der Eindruck einer Selbstzerstörung. Sportlich lief es vergleichsweise zwar besser, jedoch kaschierten nicht gerade wenige schmeichelhafte Siege teilweise ziemlich durchwachsene Auftritte. Barça lebte und lebt besonders von der individuellen Klasse von Messi und Torwart Marc-André ter Stegen. Real hätte das gnadenloser ausnutzen müssen!
Bei den mannschaftlich viel geschlosseneren und ausbalancierteren Madrilenen hätte es keinen allzu größeren Aufwand benötigt, um noch mehr Punkte einzufahren.
Man erinnere sich an den Clásico im Dezember (0:0), den das überlegene Zidane-Team definitiv auch hätte gewinnen können. Der Schiedsrichter pfiff zwei Foulspiele im Strafraum an Raphaël Varane binnen kurzer Zeit nicht. Oder das total unnötige 1:1 im ersten Heimspiel gegen Underdog Real Valladolid, als zwei Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit die Konzentration etwas wich und das Gegentor fiel – genauso wie Mitte Februar beim späten 2:2-Schock gegen Celta Vigo. Oder das 0:0 bei Atlético, als Eden Hazard die Unterkante der Latte traf. Oder das 0:0 im Estadio Santiago Bernabéu gegen Real Betis, als Ferland Mendy mit dem Ball am Fuß allein auf das Tor zulief, aber daneben schoss.
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Zehn Zähler wurden hier leichtfertig liegen gelassen. Diese fünf Unentschieden hätten gut und gerne fünf Erfolge werden können – sodass die Entscheidung nicht erst am 37. Spieltag, sondern eine Runde oder sogar zwei Runden zuvor gefallen wäre. Und das wäre auch angebracht gewesen, weil es in dieser Liga nur einen Gewinner geben konnte: Real Madrid.
¡HALA MADRID Y NADA MÁS!
#34Ligas | #RealFootballGepostet von Real Madrid C.F. am Donnerstag, 16. Juli 2020
Nach etlichen der 26 Siege wurde konstatiert: So wird man Meister. Unangenehme Aufgaben, die sonst in den Sand gesetzt worden waren, wurden diesmal gemeistert. Gerade auswärts. Mehr und mehr entwickelte sich so das Gefühl, dass es in dieser Saison mal wieder etwas mit der Meisterschaft werden würde. Und dieses Gefühl war kein falsches.
Einen maßgeblichen Anteil daran hat neben Goalgetter Karim Benzema sowie der bärenstarken Defensive um Thibaut Courtois, dem schier unbezwingbaren Torwart, und Sergio Ramos, dem Abwehrchef, Leitwolf und Torjäger in Personalunion, der wohl berühmteste Glatzkopf des Weltfußballs. „Dieser Titel macht mich glücklicher als die Champions-League-Erfolge“, sagt Zidane freudetrunken. Er schätzt den Wettbewerb so sehr, weil er der ehrlichste ist, weil dort die Konstanz am Ende über den Gewinner entscheidet.

Zidane steht jetzt bereits bei elf Pokalen nach 209 Spielen als Real-Trainer. In der gesamten Vereinsgeschichte hat mit 14 nur Miguel Muñoz (1959 bis 1975) mehr. Zidane garantiert Erfolge. 2015/16: Champions League. 2016/17: Super Cup, Klub-WM, Meisterschaft, Champions League. 2017/18: Super Cup, Supercopa, Klub-WM, Champions League. Als er in der Saison 2018/19 zurückkehrte, konnte er nichts mehr machen. Alle Wettbewerbe waren deutlich verloren. Jetzt, 2019/20, nach der Supercopa der Liga-Titel.
Kein Wunder, dass Florentino Pérez sagt: „Er ist ein Segen des Himmels und soll noch lange bei uns sein.“ In Madrid wird der Präsident nicht der Einzige sein, der sich das wünscht…
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