
Rodríguez mit Traumdebüt
88. Minute im Spiel CA Osasuna gegen Real Madrid: Castilla-Stürmer Álvaro Rodríguez wird für den diesmal eher blassen Rodrygo Goes eingewechselt, der Uruguayer feiert sein Debüt in LaLiga. 89. Minute: Mit seiner zweiten Ballaktion legt der 18-Jährige mit einem klugen Querpass auf Vinícius Júnior das vermeintliche 2:0 auf, welches vom VAR aufgrund einer knappen Abseitsstellung aber noch einkassiert wird. 90. Minute + 2: Wieder ein kluger Querpass – diesmal auf Marco Asensio –, wieder ist der Ball drin, diesmal zählt der Treffer. Die Königlichen sichern sich somit einen eminent wichtigen Auswärtserfolg in Pamplona, um weiterhin im Meisterrennen dabei zu bleiben. Und Rodríguez darf sich über ein Traumdebüt freuen, wie man es sich wohl besser kaum vorstellen kann.
Auch wenn der 1,93 Meter große Mittelstürmer inklusive Nachspielzeit nur rund zehn Minuten auf dem Feld stand, deutete er mehr als an, dass er über wertvolle Qualitäten verfügt. Rodríguez ist trotz seiner Größe technisch sehr versiert, weiß Bälle festzumachen, bewegt sich intelligent in den Räumen und bringt selbstredend auch ein entsprechende physische Komponente mit. Genau aus diesem Grund wurde er von Carlo Ancelotti in Abwesenheit des geschonten Karim Benzema auch in den Kader berufen, wie der Italiener nach Spielende erklärte: „Er ist ein Spieler mit viel Qualität, er kann gut mit dem Ball umgehen, ist fokussiert. Er ist ein Stürmer, der uns helfen kann, so wie er es heute getan hat. Es ist nicht einfach für so einen jungen Spieler, ins Spiel zu kommen und so fokussiert zu sein. Er hat innerhalb von zehn Minuten den Unterschied ausgemacht. Er hat zwei Vorlagen gegeben, die erste für Vinícius, die zweite für Asensio, obwohl er gerade erst hineinkam. Er wird uns in dieser Saison sicherlich noch helfen.“
Weicht Ancelotti von seinem Stigma ab?
Vor allem der letzte Satz ist interessant. Die große Frage ist, ob „Carletto“ diesen Worten auch wirklich Taten folgen lässt. Versprechungen und Lobpreisungen für junge Spieler bei den Blancos gab es in der Vergangenheit zuhauf, zu sehen bekam man sie aber nur selten. Natürlich darf und sollte man einen (erfolgreichen) Kurzeinsatz nicht überbewerten und einen gerade einmal volljährigen Nachwuchsakteur zum neuen Hoffnungsträger hochstilisieren. Dennoch ist es schwer zu verneinen, dass man in dieser Spielzeit einen besonders talentierten Castilla-Jahrgang zur Verfügung hat, mit dem einen oder anderen hochtalentierten Spieler, der für die erste Mannschaft durchaus interessant ist. Neben Rodríguez sind hier vor allem Sergio Arribas zu nennen, perspektivisch könnte auch Nico Paz, der zuletzt eine tolle U20-Südamerika-Meisterschaft spielte, interessant werden.
Natürlich ist es bei einem Verein wie Real Madrid unheimlich schwierig, jungen, aufstrebenden Talenten Spielzeit zu geben, in Anbetracht der hohen Qualität im Kader und des vorherrschenden Erfolgsdrucks, der Fehler, die jungen Spielern unweigerlich passieren, kaum verzeiht. Blickt man jedoch auf die derzeit angespannt Personalsituation bei den Königlichen und die große Anzahl an vermeintlichen „Kaderleichen“, würde man es sich schon wünschen – auch aus perspektivischer Sicht –, dass zu gegebener Zeit öfters auch mal die jungen Wilden rangelassen werden. Klar, Fußball ist keine Mathematik, wie Karl-Heinz Rummenigge einst mal sagte, und einfach mal drei bis vier Talente reinwerfen und hoffen, dass diese gegen gestandene Profis bestehen, funktioniert nicht auf Knopfdruck. Aber diesen immer mal wieder, umgeben von einem stabilen Gerüst, Spielzeit zu geben und den Etablierten so die eine oder andere Verschnaufpause zu gönnen, sollte nicht gänzlich unmöglich sein.
Die Erfahrung der Vergangenheit hat zwar gezeigt, dass Ancelotti dahingehend kein großer Freund von Eperimenten ist und bezüglich der Förderung junger Spieler nicht zwangsläufig den besten Ruf besitzt. Dennoch sollte man sich diesen enorm talentierten Castilla-Jahrgang zu Nutze machen und Spielern wie Arribas, die zweifelsohne mehr Perspektive in diesem Verein besitzen als beispielsweise ein Mariano Díaz oder Eden Hazard, mehr Spielzeit geben. Vor allem wenn Partien gegen Ende bereits entschieden sind. Dass man auf der anderen Seite einen dieses Jahr durchaus realistischen Aufstieg der Castilla nicht gefährden möchte, ist aus Vereinssicht allerdings ebenso verständlich. Dennoch: Dass ihre Energie und ihr Erfolgshunger durchaus auch ein belebender Faktor sein können, bewiesen nun sowohl Rodríguez als auch zuletzt Arribas (erzielte einen Treffer bei der Klub-WM). Und dass der Mannschaft in den bevorstehenden englischen Wochen mit Liga, Champions League und Copa inklusive zahlreicher Kracher-Spiele ein bisschen frisches Blut gut zu Gesicht stehen würde, steht wohl außer Frage. Also Carlo, warum nicht öfters mal die Jungen?
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