
Xabi Alonso, ein Kenner des Spiels
MADRID. Er zählt zweifelsohne zu den besten zentralen Mittelfeldspielern der 2000er-Jahre: Xabier Alonso! Egal ob bei Real Sociedad, in Liverpool, bei Real Madrid, bei Bayern München oder in der spanischen Nationalmannschaft – der gebürtige Baske zählte stets zu den prägenden Figuren im Spiel seiner Mannschaft und gewann alles, was es im Fußball zu gewinnen gibt. Neben seinen überragenden strategischen Fähigkeiten auf dem Platz wurde der mittlerweile 36-Jährige stets für sein bodenständiges und eloquentes Auftreten neben dem Platz geschätzt. Vor allem aber wusste der zweifache Champions-League-Sieger durch sein profundes Wissen über das Spiel an sich zu gefallen.
“La mirada de un mediocentro”: la entrevista a Xabi Alonso de Ecos del Balón. Esperamos que os guste https://t.co/s1Dz7HAA4n
— Ecos (@ecosdelbalon) 13. Dezember 2017
Eine Kostprobe seines immensen Fachwissens gab der Spanier nun in einem bemerkenswerten Interview mit dem Online-Portal ECOS DEL BALÓN zum Besten, in dem er erklärte, wie das Real Madrid unter José Mourinho funktionierte, und aufzeigte, welche Maßnahmen man ergriff, um Lionel Messi und den FC Barcelona zu stoppen.
„Wussten, wir können mit vier Spielzügen ein Spiel entscheiden“
Als das womöglich einschneidenste Erlebnis in Real Madrids Geschichte der Neuzeit gilt ohne Zweifel die unrühmliche 0:5-Niederlage gegen Barcelona im Camp Nou während der Spielzeit 2010/11. Wie Alonso nun bestätigte, führte vor allem dieses Spiel dazu, dass im Lager der Blancos einiges überdacht wurde – und so gleichzeitig der Grundstein für die Rekordsaison 2011/12 in der Liga gelegt wurde: „Meine Zeit in Madrid war eine Phase, als Barça sehr dominant auftrat, und sie forderten uns bis aufs Äußerste. Da war natürlich dieses berühmte Spiel im Camp Nou, das wir mit 0:5 verloren. Diese Partie führte dazu, dass wir uns neu erfanden und viele Sachen überdachten. In diesem Moment hatten wir nicht das Niveau, um mit diesem großartigen Barça mitzuhalten. Aber in der folgenden Spielzeit, in der Saison 2011/12, merkten wir, dass wir das sehr wohl können. Wir merkten, dass wir auch mit unserem Spiel gegen Barça bestehen können. Aber nicht nur gegen Barcelona. Wir eigneten uns einen dominanteren Spielstil an. Das machte sich schon im Spielaufbau bemerkbar. Egal ob über Sergio (Ramos), Pepe, Marcelo, über mich oder Sami (Khedira), der etwas weiter vorne agierte. Viele Ligaspiele im Bernabéu hatten wir schon zur Halbzeit in der Tasche. Wir erreichten durch diese Kontrolle mehr Durchschlagskraft. Es gab diese Phase im Oktober, November, Dezember, als wir in der Blüte unserer Schaffenskraft waren. Wir wussten, dass wir mit vier Spielzügen ein ganzes Spiel eintüten konnten.“
Vor allem die damalige Konterstärke der Merengues verbreitete damals europaweit Angst und Schrecken. So war eine Ecke für den Gegner gefühlt eine halbe Torchance für die Madrilenen: „Wir hatten das Gefühl, dass jede Ecke gegen uns eine Torchance für uns war. Wenn wir nach vorne ausschwärmten… Zum Beispiel mit Özil, der immer etwas kraftlos wirkt, aber eine brutale Übersetzung über 30 Meter hat, Cristiano sprintete auf Außen über das ganze Feld, weil er diese Überzeugung hatte, dass der Ball am Ende zu ihm kommen würde. Dann noch Karim und ‚Fideo‘ (Di María). Wir hatten so viel Wucht! So hatten wir immer das Gefühl, gefährlich zu sein, auch wenn wir nicht dominant waren. Es gab Phasen, in denen wir nicht dominant waren, aber die Kontrolle über das Spiel hatten.“
Aber auch das aktive Spiel mit dem Ball war eine Waffe. In den Hauptrollen: Mesut Özil, Karim Benzema und Cristiano Ronaldo. „Sami rutschte immer etwas nach vorne, Mesut nutzte diesen Platz aus und die Spieler vorne wie Cristiano oder Karim waren brilliant. Ich hatte den nötigen Raum und konnte die beste Lösung suchen. Und die da vorne waren ja alle gut, da war nicht nur ein Einzelner. Cristiano über links, ‚Fideo‘ über rechts und Karim im Zentrum mit seiner besonderen Fähigkeit. Er ist eine Mischung aus Stürmer und Spielmacher. Viele Leute attackieren ihn deswegen, aber für mich ist das eine überragende Eigenschaft, diese zwei Seiten zu haben. Wenn Cristiano nach innen zog und Marcelo aufrückte, hatte Karim diese Tendenz auf den linken Flügel auszuweichen, um das auszugleichen. Das war wie mit gezinkten Karten zu spielen, weil dir alle das Leben erleichtern konnten“, so Alonso über das grundlegende Schema im Spielaufbau.
„Hätte gerne Mesuts ersten Kontakt gehabt“
Besonders der aktuell viel gescholtene Benzema besaß aufgrund seiner spielerischen Qualitäten eine immens wichtige Rolle für das Spiel der Weißen: „Benzema bewegt sich nicht nur im Strafraum sehr gut, sondern tut es auch außerhalb. Deswegen kannst du ihn nicht nur in den Raum schicken oder für den Abschluss anspielen, sondern ihn auch mal kurz anspielen, Überzahl gegen den gegnerischen Sechser schaffen. Diese Möglichkeiten gibt er dir. Und wenn du diese Art von Fußball aufziehst, bist du normalerweise auch gut positioniert. So kannst du mehr Druck erzeugen und den Ball auch einfacher zurückerobern.“
Selbiges galt natürlich auch für Özil und Ronaldo, die damals ein kongeniales Duo bildeten. Während sich Alonso dabei vor allem von Özils überragendem ersten Kontakt beeindruckt zeigte, lobte er CR7 für sein weltweit einzigartiges Spiel ohne Ball: „Ich verstand mich immer gut mit Mesut. Er gefiel mir, er gehört zu den wenigen, die über diesen überragend temperierten ersten Kontakt verfügen. Ich hätte gern diesen ersten Kontakt gehabt, wo du mit der Aktion zugleich am Gegner vorbeiziehst. Ich suchte ihn oft, weil ich wusste, dass er Cristiano suchen würde. Cristiano kam zwar über außen, aber hatte diesen Instinkt, immer für Gefahr zu sorgen und in den Sechzehner zu kommen. Auch wenn er mittlerweile näher am Tor agiert, hat er damals über den Flügel für viel Gefahr gesorgt. Cristiano hat ein überragendes Freilaufverhalten, egal ob für einen kurzen Pass, einen Steilpass oder einen Ball in den Raum.“

„Messi bereitete uns viele Kopfschmerzen“
Das Real Madrid unter Mourinho ist aber vor allem dafür bekannt, die Dominanz unter Pep Guardiola durchbrochen zu haben. Ein wichtiger Schlüssel auf den Weg dahin: Ein Gegenmittel für Lionel Messi. Auch wenn man einen Spieler mit derart großer Qualität natürlich nicht zu hundert Prozent ausschalten kann, fand man zumindest einen Weg, um Barcelonas Positionsspiel und vor allem den Argentinier bis zu einem gewissen Maß zu kontrollieren.
Alonso: „Er hat mir viel Schaden zugefügt und ließ mich leiden. Aber das tut Messi gegen jeden Sechser, mit seinem Freilaufverhalten in deinem Rücken und dem intelligenten Positionsspiel. Er bereitete uns damals viele Kopfschmerzen. Ramos und ich sprachen viel mit Mourinho, wie er es schafft, gegen uns für Gefahr zu sorgen, und wie wir ihn kontrollieren können. Sergio agierte als linker Innenverteidiger, ich spielte auf der Doppelsechs ebenfalls links, Sami auf der rechten Seite. Bei Barça spielten eben Messi und Xavi dahiner als rechter Achter. Und sie provozierten dich. Xavi provozierte dahingehend, dass er mich rauszog, sodass der Abstand zwischen dem Innenverteidiger und mir zu groß war, wenn der Innenverteidiger allerdings rausrückte, spielten sie in diesem Raum auf den Außenspieler. Die Frage war also, wie weit rückst du raus, um diese Situation zu kontrollieren. Wir begannen Messi zu kontrollieren, als er sich mehr fallen lassen musste, um den Ball zu bekommen, und ich anstatt Sergio sich um ihn kümmerte. Das verlieh dem Team mehr Stabilität. Meine Priorität war, Messi zu kontrollieren, anstatt Xavi so weit vorne zu attackieren. So agierten wir zwar weitaus zurückhaltender, aber hatten mehr Kontrolle.“ Und am Ende der Saison den Meistertitel in der Hand.
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