Reportage

Zidanes zweiter Anlauf: Kann „Zizou“ auch Neuaufbau?

Zinédine Zidane steht bei seinem zweiten Anlauf bei Real Madrid vor einer Herkulesaufgabe. Diese besteht allerdings nicht zwangsläufig darin, die Erfolge der letzten Jahre zu wiederholen. Stattdessen muss der Franzose nun beweisen, dass er ein gewachsenes Team nicht nur verwalten, sondern auch einen Neuaufbau bewältigen kann.

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Real Madrid´s newly appointed French coach Zinedine Zidane gives a press conference on March 11, 2019 in Madrid. - Zinedine Zidane has made a sensational return as coach of Real Madrid after Santiago Solari's sacking was finally confirmed. Zidane has been given a contract until June 2022, just nine months after he resigned at the end of last season, having led Madrid to an historic third consecutive Champions League triumph. (Photo by PIERRE-PHILIPPE MARCOU / AFP) (Photo credit should read PIERRE-PHILIPPE MARCOU/AFP/Getty Images)
Zidane stehen interessante Wochen bevor – Foto: Pierre-Philippe Marcou/AFP/Getty Images

Und dann kam „Zizou“

MADRID. Als Zinédine Zidane im Januar 2016 bei Real Madrid als Cheftrainer der ersten Mannschaft anheuerte, waren die Königlichen am Boden. In der Meisterschaft lag man (mal wieder) mehr oder weniger aussichtslos hinter dem FC Barcelona zurück, in der Copa del Rey musste man nach dem unrühmlichen Cheryshev-Gate bereits in der ersten Runde die Segel streichen – lediglich in der Champions League war man damals noch im Rennen. An den Titelgewinn glaubte zu diesem Zeitpunkt allerdings niemand so wirklich. Zu groß waren die Unruhen rund um das Team, zu groß schien die Hypothek der mangelnden taktischen Identität und der Unausgewogenheit des damaligen Kaders. Hatte man nach dem Königsklassen-Triumph 2014 noch oftmals von dem Beginn einer Ära geschwärmt, schien diese nur eineinhalb Jahre später schon wieder vorbei, bevor diese überhaupt so richtig begonnen hatte. Doch dann kam „Zizou“.

111 Gründe, Real Madrid zu lieben

Dem charismatischen Franzosen gelang es, den Blancos eine unvergleichliche Sieger-Mentalität einzuimpfen und durch ausgewählte taktische Kniffe, wie beispielsweise der festen Installierung von Casemiro als Abräumer vor der Abwehr, das Team insbesondere auf europäischer Ebene wieder konkurrenzfähig zu machen. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Mit dem „Threepeat“ in der Champions League stellten Zidane und Co. vermutlich einen Rekord für die Ewigkeit auf, auch die Bilanz von insgesamt neun Titeln während seiner gerade einmal zweieinhalb Jahre umfassenden Trainertätigkeit sucht seinesgleichen. Trotz der großen Erfolge machten sich – wie im Sport nicht unüblich – jedoch insbesondere in der Meisterschaft Abnutzungserscheinungen bemerkbar, sodass  „Zizou“ am Ende der Saison trotz erneutem Champions-League-Titel die Reißleine zog und zurücktrat.

Die Mannschaft benötige einen neuen Diskurs, begründete der frühere Spielmacher seine Entscheidung, er “sehe einfach nicht”, dass das Team unter seiner Führung “weiterhin gewinnen” würde. Und weil Zidane ein Gewinnertyp ist, tat er das, was er als Spieler bereits getan hatte: Er trat am Höhepunkt ab. Und auch wenn er das öffentlich vermutlich niemals zugeben würde, waren es wohl vor allem Meinungsverschiedenheiten mit Pérez über die personelle Ausrichtung des Kaders, die dazu führten, dass sich der Franzose zu diesem Schritt gezwungen sah. Mittlerweile ist man sogar geneigt zu sagen, er habe die Entwicklung der letzten Monate genau so kommen sehen und zog deshalb die Notbremse.

Zidanes Ankündigung

Neun Monate später ist Zidane nun also wieder zurück. Weil die „Batterien wieder aufgeladen“ seien, wie er bei seiner Präsentation erklärte – und weil er vermutlich die entsprechende personelle Entscheidungsgewalt zugesprochen bekam, die ihm vor wenigen Monaten noch verwehrt wurde. Die Ausgangssituation scheint auf den ersten Blick verdammt ähnlich zu der vor drei Jahren. Genau genommen ist sie sogar schlimmer: Nach dem unrühmlichen Achtelfinal-Aus gegen Ajax Amsterdam in der Königsklasse vor einer Woche herrscht die Gewissheit, dass man die aktuelle Saison ohne großen Titel abschließen wird. Natürlich besitzt man noch theoretische Chancen auf den Liga-Titel, so wirklich daran glauben tut man in der spanischen Hauptstadt in Anbetracht von zwölf Punkten Rückstand auf Primus Barcelona allerdings nicht.

Aber dafür wurde die einstige Nummer 5 auch nicht geholt. Zidane soll das Team zunächst wieder in die Spur bringen und dann im Sommer nach seinen Vorstellungen umbauen. „Wir werden Dinge verändern, das ist sicher“, machte er bei seiner Vorstellung keinen großen Hehl daraus, dass er nicht davor zurückschrecken werde, auch personell durchzugreifen und einschneidende Veränderungen innerhalb des Teams vorzunehmen. Und genau darin liegt der große Unterschied zu 2016: Diesmal muss Zidane kein fertiges Team verwalten und moderieren, diesmal bedarf es faktisch eines Neuaufbaus. Die große Frage lautet also: Kann „Zizou“ ein Team auch entwickeln?

Real benötigt eine klare Spielidee

Dass der 46-Jährige die Erfolge der letzten Jahre wiederholt, wird nämlich gar nicht unbedingt erwartet. Vielmehr geht es darum, nun Schritt für Schritt ein Team aufzubauen, das perspektivisch vielleicht wieder an die Triumphe der letzten Jahre anknüpfen kann. Zidane dürfte dabei am ehesten bewusst sein, dass die individuelle Qualität innerhalb des Teams in der Spitze nicht mehr ganz so hoch ist wie noch beispielsweise in der Spielzeit 2016/17 (wobei eine ähnliche Kadertiefe und -qualität auch in Zukunft extrem schwer zu erreichen sein dürfte). Durch den Abgang von Cristiano Ronaldo fehlt nun natürlich auch der entscheidende X-Faktor der letzten Jahre. Um dieses Vakuum zu füllen, bedarf es ausgewählter Verstärkungen. Eine Wunschliste Zidanes dürfte Pérez mit ziemlicher Sicherheit bereits vorliegen. Ob diese letztendlich auch alle erfüllt werden können, steht auf einem anderen Blatt.

Der Franzose weiß allerdings auch, dass es mit personellen Auffrischungen alleine nicht getan sein wird. Darauf lassen zumindest diverse Aussagen auf der Pressekonferenz schließen: „Ich habe nicht vergessen, was wir gewonnen haben, aber auch nicht die schlechten Momente. Wir haben die Liga verloren, die Copa. Die Champions League haben wir gewonnen, okay… Ich weiß, wo ich hier bin. Es gibt gute und schlechte Momente“, erinnerte sich der Erfolgstrainer der letzten Jahre vor allem an die durchwachsene vergangene Spielzeit und deutete damit an, dass es auch Änderungen fernab von personellen Verstärkungen geben werde.

Und genau darin liegt nun eigentlich Zidanes Kernaufgabe: Er muss einem vermeintlich satten Team nicht nur neues Leben einhauchen, sondern eine klare taktische Idee entwickeln. Weg von der Fokussierung auf die individuelle Klasse von Ausnahmekönnern wie Cristiano Ronaldo hin zu einer Stärkung des mannschaftlichen Kollektivs. Um langfristig auch in der Liga wieder kontinuierlich erfolgreich zu sein, bedarf es – und das ist eigentlich keine allzu neue Erkenntnis – einer einheitliche Philosophie und einer klare sportlichen Gesamtausrichtung, die im Idealfall nicht nur die Profis umfasst. Reals neuer starker Mann muss nun beweisen, dass er der Richtige für diese Aufgabe ist. Es geht diesmal nicht „nur“ darum, ein Team auf seinem Zenit zu Höchstleistungen zu führen, sondern dieses in Richtung eines solchen Zenits zu entwickeln.

Was passiert mit Llorente, Ceballos und Co.?

Und auch wenn die Euphorie nach der Rückkehr aktuell kaum Grenzen kennt, dürfte auch Zidane bewusst sein: Seine treuen „Soldaten“ aus alten gemeinsamen Schlachten wie Marcelo, Casemiro, Isco, Toni Kroos oder Luka Modrić sind nicht mehr gänzlich unumstritten, die junge Garde um Marcos Llorente und Daniel Ceballos drängt vehement in den Vordergrund. Auch dies wird eine zentrale Aufgabe des Franzosen werden: Den weiterhin im Gange befindlichen Umbruch zu moderieren und die nachdrängenden jungen Spieler besser zu integrieren, als er dies noch in der vergangenen Spielzeit tat. Dass diese ohne Frage die Qualität besitzen, um beim spanischen Rekordmeister zu bestehen, haben sie in dieser Saison mehr als angedeutet. Nun liegt es an Zidane, diese zwei „Generationen“ gewinnbringend zusammenzuführen.

Zidane hat einen Plan

Reals Legende steht also – mal wieder – vor einer Mammutaufgabe. Doch wer den Monsieur kennt, der weiß, dass dieser eine solche Herausforderung niemals angehen würde, wenn er sich diesen Schritt vorher nicht reiflich überlegt hätte. Dass er seine Rückkehr an Bedingungen geknüpft haben wird, steht eigentlich außer Frage. Und dass er einen festen Plan im Kopf hat, um den Verein aus der gegenwärtigen Situation zu führen, ebenfalls. Wie dieser konkret aussehen wird, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Ob der Neuaufbau dadurch gelingt, ist zwar noch offen, doch der Madridismo darf sich auf spannende Monate freuen. Die Zweifel sind diesmal womöglich noch größer als bei seiner ersten Amtszeit, weil viele befürchten, Zidane könne sein Denkmal nur beschädigen. Doch als „Zizou“ das erste Mal an der Concha Espina anheuerte, war die Skepsis ebenfalls enorm. Das Ende ist bekannt…

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

Kommentare
Er wird es diesmal noch besser machen! Glaubt wirklich jemand daran dass bei der WM 2006 domenech das Team gecoacht hat?! Nach der blamage 2002 hat er die Franzozen in den Final geführt. Er ist ein Fussballgenie und wird ein Team zusammenkaufen das nicht zu schlagen sein wird! Bei ihm hatte ich immer das gefühl, er sieht in den Spielern was , was andere einfach nicht erkennen.
Mein vollstes Vertrauen für ihn
 
Der Mann kann alles! So ein Spielverständnis und Ausstrahlung wie Zidane hat, sucht es seines gleichen! Ich bin guter Dinge! Kommt alles gut! Militao Wechsel ist perfekt! Jetzt noch 2 neue Stürmer einen 2 Mittelfeldspieler und einen Linksverteidiger dann kann man den Neuaufbau vorantreiben!

Hala Madrid!

Helden leben lange, doch Legenden sterben nie!
 
Selbstverständlich kann Zidane auch das! Er hatte ja mittlerweile genug Zeit sich den Zirkus von außen anzusehen, das sagte er ja auch bei sein PK.

Wartet mal ab und lässt ihn einfach in Ruhe arbeiten und ein neues Team aufbauen!

Ich freue mich sehr darauf.
 
Wenn es einer schafft, dann Zidane. Aber es stehen harte Entscheidungen ins Haus.
Was passiert mit Marcelo, Ramos, Bale, vl. James usw.
Was man so aus den Medien hört, ist die Beziehung von Ramos und Bale zu Zidane auch gestört. Von James einmal abgesehen. Hier wird viel Mut zur Veränderung gefragt sein und da halte ich Zidane für einen geeigneten Mann. Jetzt im Nachhinein finde ich die Entscheidung von Perez, Zidane jetzt zu holen, nicht so schlecht. Jetzt müssen die Spieler am Feld zeigen, wer nach den Umbruch noch für Real spielen DARF.
Das Festgeldkonto ist jetzt um 50 Mio ärmer, hoffe das ist nur der Anfang.........
 
Wenn es einer schafft, dann Zidane. Aber es stehen harte Entscheidungen ins Haus.
Was passiert mit Marcelo, Ramos, Bale, vl. James usw.
Was man so aus den Medien hört, ist die Beziehung von Ramos und Bale zu Zidane auch gestört. Von James einmal abgesehen. Hier wird viel Mut zur Veränderung gefragt sein und da halte ich Zidane für einen geeigneten Mann. Jetzt im Nachhinein finde ich die Entscheidung von Perez, Zidane jetzt zu holen, nicht so schlecht. Jetzt müssen die Spieler am Feld zeigen, wer nach den Umbruch noch für Real spielen DARF.
Das Festgeldkonto ist jetzt um 50 Mio ärmer, hoffe das ist nur der Anfang.........
Hoffe ich auch freue mich schon auf Hazard (hoffentlich!)
Das schöne ist wir haben auch mehr als genug Geld, wir sind der Klub mit dem meisten Umsatz und Gewinn, haben in den letzten Jahren reichlich Titel gewonnen (Prämien) und haben dazu noch ein Transferplus in den letzten 3 Jahren! Das Stadion wird über 20-30 Jahre abgezahlt das heißt, dass wird auch kein Problem sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
ich finds sehr schwierig, dass es vielfach so klingt als wärs nur Zidanes Aufgabe ne passende neue Mannschaft zusammenzukaufen.
ja, ich bin auch für n paar punktuelle Verstärkungen. grundsätzlich haben wir aber immer noch n haufen topspieler und einige der talentiertesten Jugendspieler Europas.

viel wichtiger, und auch für mich viel weniger einzuschätzen, ist, ob zidane es schafft eine spielphilosophie aufzubauen und die mannschaft taktisch zu prägen und zu führen.

denn es geht heutzutage beiweitem nichtmehr darum, einfach die 11 besten spieler auf dem platz zu haben. ich hab nur inzwischen das gefühl, wir müssen hier schon so lange auf spielkultur verzichten, dass einige vergessen haben, dass es sowas überhaupt gibt
 
Guter Artikel .
Das „1. Mal“ und die Pause sind die beste Voraussetzung für das „2.Mal“.

Das Aussortieren oder Re-animieren von CL Legenden ist für ihn einfacher , wie für jeden anderen . Er kennt diese Spieler und seine Entscheide werden respektiert .

Dank Solari konnten sich die Jungen nun zeigen . Das Händchen für die Weiter-Entwicklung hat ZZ .

Seine Magnet-Kraft auf Top Shots ist noch grösser geworden durch sein „1. Mal“ .

Dass er noch mehr Kompetenzen hat , macht seine Aussagen in den Coachings noch tragender . Das freut die CL Legenden , die Jungen und die Top Shots .

Somit : Wenn nicht ZZ , wer dann ?
 
Zuletzt bearbeitet:
ich finds sehr schwierig, dass es vielfach so klingt als wärs nur Zidanes Aufgabe ne passende neue Mannschaft zusammenzukaufen.
ja, ich bin auch für n paar punktuelle Verstärkungen. grundsätzlich haben wir aber immer noch n haufen topspieler und einige der talentiertesten Jugendspieler Europas.

viel wichtiger, und auch für mich viel weniger einzuschätzen, ist, ob zidane es schafft eine spielphilosophie aufzubauen und die mannschaft taktisch zu prägen und zu führen.

denn es geht heutzutage beiweitem nichtmehr darum, einfach die 11 besten spieler auf dem platz zu haben. ich hab nur inzwischen das gefühl, wir müssen hier schon so lange auf spielkultur verzichten, dass einige vergessen haben, dass es sowas überhaupt gibt
Weil er die Mannschaft wieder nur moderieren wird, statt sich mit sowas nebensächlichem wie Systemen beschäftigt. ;)

Das Konzept des Vereins, bei Neuzugängen auf talentierte Spieler als auf gestandene Stars zu setzen, könnte damit ins Leere laufen. Am Ende steht sich Real selbst auf den Füßen, weil sie die Spieler nicht in die Mannschaft integriert bekommen.
 

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