Reportage

Paul Clement: Der Mann, dem „Carletto“ blind vertraut

Auch wenn Gareth Bale in diesem Sommer nicht nach Madrid finden sollte – und danach sieht es stark aus –, werden die Königlichen dennoch einen Briten in ihren Reihen haben. Zwar keinen Star, der auf dem Platz für Furore sorgt, dafür aber einen Mann, der an Carlo Ancelottis Seite schon seit einigen Jahren ganze Arbeit leistet und daher weiß Gott kein Co-Trainer ist, der nur Hütchen aufstellt und Bälle aufpumpt – die Rede ist vom Engländer Paul Clement, der „rechten Hand“ des italienischen Fußball-Lehrers. Er ist derjenige, dem „Carletto“ mittlerweile blind vertraut. REAL TOTAL durchleuchtet Madrids neuen Assistenzcoach und erzählt von einem tragischen Schicksalsschlag, den beide vor nicht allzu langer Zeit erleben und verkraften mussten.

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Zinédine Zidane, Paul Clement und Carlo Ancelotti
Paul Clement (m.): Ein sehr wichtiger Mann für Trainer Carlo Ancelotti (r.)

Im Schatten Zidanes, aber enorm bedeutend für „Carletto“

MADRID. Der 26. Juni: Real Madrid präsentiert Carlo Ancelotti im Estadio Santiago Bernabéu als neuen Trainer und im Rahmen dessen wird bekannt, dass Legende Zinédine Zidane dem Italiener assistieren wird. Seit jenem Tag wird immer von einem gesprochen: Dem Duo Ancelotti-Zidane, das mit den Königlichen im kommenden Frühjahr nach elf Jahren des sehnsüchtigen Wartens mit der Champions League den ganz großen Coup landen und „la Décima“, den zehnten Europacup-Triumph, endlich wahr werden lassen soll.

Doch auf dem Weg nach Trophäen wird mehr dazugehören als dieses Duo. Ein Engländer nämlich, der beim Trainingsauftakt problemlos auf Spanisch über den Platz schrie, dem alle Stars zuhörten, dessen Anweisungen auf Anhieb verstanden sowie die Übungen einwandfrei ausgeführt wurden und der 41-Jährige so schon beim ersten Training der neuen Saison auf sich aufmerksam gemacht hat – die Rede ist von Paul Clement, einem der beiden Co-Trainer Ancelottis. Unter den Adjutanten steht er absolut in „Zizous“ Schatten, in Sachen Wichtigkeit liegt Clement aber sicherlich vor dem gleichaltrigen Franzosen, der zu den besten Fußballern aller Zeiten gehört. Mit einer dreimonatigen Unterbrechung ist der Brite nämlich schon dreieinhalb Jahre die „rechte Hand“ des italienischen Fußball-Lehres. Ja mehr noch: Mittlerweile hat er sich zu dem Mann entwickelt, dem „Carletto“ blind vertraut. Doch was ist dieser Paul Clement eigentlich für ein Mensch?

Die Clements: Vater und Bruder wurden Profis, Paul Sportlehrer

Selbst als Profifußballer aktiv war der 41-Jährige nie, den Ballsport kennt er dennoch von A bis Z. Die Clements waren schon früh eine fußballverrückte Familie – Vater David spielte einst für die Queens Park Rangers, Bruder Neil für West Bromwich Albion. Weil Paul bereits im jugendlichen Alter einsah, dass es bei ihm für das Profigeschäft nicht reichen wird, studierte er auf dem St. Mary’s College in Twickenham Sportwissenschaften, machte im Anschluss daran einen Trainerschein und wurde ein stinknormaler Sportlehrer auf der Glenthorne High School in Sutton. Nebenbei erhielt er im Kompetenzzentrum des FC Chelsea einen Job, arbeitete später mit den zehn- bis zwölfjährigen in der Jugend der „Blues“. Mit den Jahren stieg der 41-Jährige in höhere Sphären auf. Von 2000 bis 2006 war Clement, der aus Reading stammt, Co-Trainer von Irlands U21, coachte parallel die U18 des FC Fulham.

Im November 2008 ging es zurück zu Chelsea, wo man ihm bis Juni 2009 den Cheftrainerposten der U21-Mannschaft anvertraute. In diesen Monaten stand Clement auch in regem Kontakt zu Chelseas damaligem Teammanager Guus Hiddink. Als Ancelotti Hiddink im Juli 2009 ablöste, begann für Clement die Reise durch den europäischen Spitzenfußball. Eine Reise, die noch nicht beendet ist, mit dem Engagement bei Real Madrid jedoch ihren Höhepunkt erreicht hat. Nach zwei Jahren mit „Carletto“ in London arbeitete Clement drei Monate lang (Oktober 2011 bis Januar 2012) als Assistent von Steve Kean, dem Trainer der Blackburn Rovers. Ancelotti wurde im Mai 2011 bei Chelsea beurlaubt. Es waren nur drei Monate, da Ancelotti Clement nicht nur aufgrund seiner Feinfühligkeit und dem hervorragenden Umgang mit den Spielern wieder haben wollte, als der Italiener das Zepter bei Paris St. Germain übernahm. Genauso hervorragend harmonierten die beiden Übungsleiter miteinander. Binnen der zweieinhalb Jahre an der Seine verfeinerte sich die Zusammenarbeit stetig. Etwas, wovon die Blancos profitieren werden.

Ich bin nicht in Eile, aber in den nächsten fünf Jahren will ich Cheftrainer sein Clement hegt denselben Wunsch wie Ex-Assistenzcoach Karanka

Der Typ Clement: viel Engagement, viel reden, viel Akribie

„Carlo hat mir in meiner Rolle enorm geholfen, mir Vertrauen, Ideen, Inspiration gegeben, meine Arbeit fortzusetzen und hoffentlich Teammanager oder Trainer einer ersten Mannschaft zu werden. Wenn Carlo mir das sagt, warum denn dann nicht? Ich bin nicht in Eile, aber in den nächsten fünf Jahren will ich Cheftrainer sein“, lobte Clement den 54-Jährigen und erklärte zugleich, denselben Wunsch für die Zukunft zu haben, den in den letzten Monaten immer wieder auch Aitor Karanka, der Real Madrid als Co-Trainer verlässt, äußerte. Doch noch möchte er als Co von Ancelotti Erfahrungen sammeln und so viel es geht lernen. Denn: „Es gibt so viele Dinge, die Trainer benötigen, um gut zu sein – Taktiken, Strategien, Kommunikation, Organisation, der Umgang mit den Spielern, eine langfristige Vision und kleine Details , dass es Zeit beansprucht.“

Clement zeichnet sich bereits mit vielen positiven Attributen aus, von denen in der nahen Zukunft wohl auch die Real-Stars berichten werden, wenn man sie auf ihren neuen Co-Trainer anspricht. Er versucht stets, die Akteure zu pushen, lobt sie im Training, spricht viel, klatscht, sagt nicht nur einmal „muy bien, bien, bueno“ (deutsch: sehr gut, gut, schön) – selbst dann, wenn es nur ein sauber ausgeführtes Zuspiel war und die Übung somit verstanden wurde. Es sind Dinge, mit denen er einst Schüler konfrontierte und nun die Fußballstars an der Reihe sind. Clement findet: „Es ist nicht so lange her, als ich ein Sportlehrer war. Ich denke, dass ich diese Fähigkeiten, die ich irgendwann in die Trainerrolle gesteckt habe, mir beim Führen von Mannschaften, der Organisation und der Planung geholfen haben.“ Dem akribisch und engagiert arbeitenden Clement gefallen die Art von Spielern, die ihrem Job in jeder Einheit und in jedem Spiel konzentriert, motiviert und nie aufsteckend folgen, denn diese Eigenschaften sind genauso die Eigenschaften, die im Engländer stecken. Dann ist er nach der absolvierten Arbeit auch äußerst gerne der Freund, der für Späße zu haben ist…

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Carlo, Paul und Co. unter Tränen – es fehlt jemand…

Paul Clement war jedoch nicht der einzige Brite, den Carlo Ancelotti in seiner Zeit beim FC Chelsea als engen Vertrauten und Freund gewann. Mit Nick Broad müsste in diesen Tagen eigentlich noch ein weiterer Vertrauter des Italieners in Valdebebas auf dem Trainingsplatz stehen. Er begleitete „Carletto“ seit 2009, konnte ihm aber nicht in die spanische Hauptstadt folgen – leider. Heute vor exakt sechs Monaten wurde Broad um 21:29 Uhr in Paris Opfer eines schweren Verkehrsunfalls. Medienberichten zufolge habe er in seinem Auto auf dem Seitenstreifen gewartet und auf die Pannenhilfe gewartet, nachdem ihm das Benzin ausgegangen gewesen sei. Dabei soll ein Fahrzeug in das Auto Broads gerast sein und riss den Fußballtrainer dabei mit. Am Folgetag erlag Nick Broad seinen schweren Verletzungen.

Ein harter Schicksalsschlag für Ancelotti, Clement und ganz Paris St. Germain. Die Trauer war groß. Nur einen Tag später, am 20. Januar, mussten Ibrahimovic und Co. bei Girondins Bordeaux zu einem Ligaspiel antreten. Als „Ibrakadabra“ in der 43. Minuten das 1:0 für PSG schoss, jubelten die Spieler nicht. Sie fielen sich in die Arme, zeigten mit den Händen nach oben – zu Nick. Sie widmeten ihrem Freund den Treffer, während sich auf der Bank alle Trainer und Ersatzspieler trauernd drückten. Viele hatten Tränen in den Augen – auch Ancelotti (siehe Video unten). Es blieb beim 1:0, Paris gewann das Spiel. Anstatt sich jedoch über die drei Punkte zu freuen, sank einer nach dem anderen zu Boden. Andere blieben wie wie versteinert stehen, schauten regungslos ins Leere, ließen die Köpfe hängen. Sie konnten nicht fassen, dass Nick nicht mehr unter ihnen war. Er sei ein sanfter, freundlicher, ruhiger, aber oft auch spaßiger Mensch gewesen, berichteten alte Weggefährten im englischen Fußball. Ancelottis Assistent wurde nur 38 Jahre alt. Vor 2009 arbeitete er bereits für die Blackburn Rovers und Birmingham City.

Nick Broad und Carlo Ancelotti
Nick Broad (†) und Carlo Ancelotti

Von jetzt auf gleich war nicht nur ein Angestellter des Vereins nicht mehr da, sondern auch ein dicker Kumpel der gesamten Mannschaft. Paris St. Germain in einer Mitteilung: „Wir alle sind tief bestürzt von der schmerzlichen Nachricht des brutalen Todes eines Mannes, der bekannt für seine Kompetenz war und von jedem gemocht wurde. Nick war ein brillanter Mann mit großartigen Qualitäten und ein aufrichtiger Freund.“ Guillaume Hoarau, mittlerweile nicht mehr bei PSG, schrieb: „Manchmal ist das Leben ungerecht. Ruhe in Frieden, mein Freund. Ich werde immer an dich denken.“

Engagierte Co-Trainer wie Clement gibt es in der Welt des Fußballs wie Sand am Meer. Das Team Ancelotti-Clement macht jedoch mehr als nur ein guten Arbeitsverhältnis aus. Es ist durch die vielen schönen Momente in London und Paris zusammengewachsen und ein besonderes Team. Aber vor allem auch durch die Tränen, die sie gemeinsam vergossen…

https://www.youtube.com/watch?v=zf4AQcD9FWY

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

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